Die Kaufverhandlungen im französischen Unternehmenskauf
Kein spezifischer gesetzlicher Rahmen für die Verhandlungen im französischen Unternehmenskauf
Der Unternehmenskauf ist eine wichtige Angelegenheit, sowohl für das übertragende Unternehmen als auch für den Erwerber. Deshalb beginnt er bereits vor der Einigung über den Unternehmenskauf notwendigerweise mit einer Phase des Kennenlernens und Verhandelns zwischen den Parteien.
„Diese Verhandlungsphase unterliegt in Frankreich keinen besonderen gesetzlichen Vorschriften“, erklärt Françoise Berton von der deutsch-französischen Rechtsanwaltskanzlei Berton & Associés. Sie beruht auf den allgemeinen Rechtsgrundsätzen des französischen Zivilrechts, insbesondere des französischen Kaufrechts. Die Rechtsprechung zu Unternehmenskäufen hat sich von einer Auslegung der Vorschriften des französischen Bürgerlichen Gesetzbuchs (Code civil) ausgehend entwickelt.
Im Rahmen der Verhandlungsgespräche (pourparlers) ist im Prinzip jede der Parteien bis Einigungsbildung frei, den Austausch abzubrechen. Die Verhandlungsgespräche selbst begründen nämlich nach französischem Unternehmenskaufrecht keinerlei Verpflichtung, einen zukünftigen Vertrag abzuschließen (vgl. Urteil der Kammer für Handels-, Finanz- und Wirtschaftssachen des französischen Kassationshofs vom 12.1.1999 in der Sache „Financière de gestion et de service et autres c/ Compagnie de Suez SA.
Rechtsfolgen des Abbruchs der Kaufverhandlungen
Diese Freiheit unterliegt allerdings gewissen Schranken. Es gilt im französischen Recht des Unternehmenskaufs insbesondere der Begriff des rechtsmissbräuchlichen Abbruchs der Verhandlungsgespräche (rupture abusive des pourparlers) im Rahmen der culpa in contrahendo. Der Abbruch der Verhandlungsgespräche kann nämlich eine Pflichtverletzung darstellen, wenn er als rechtsmissbräuchlich gewertet wird. Die entscheidende Frage ist:
Wie weit geht die Freiheit der Verhandelnden, die Verhandlungsgespräche zu beenden?
Die Parteien haben in Wirklichkeit bereits während der Verhandlungsphase Verpflichtungen. Sie unterliegen nach französischem Unternehmenskaufrecht der Pflicht von Treu und Glauben (devoir de bonne foi et de loyauté) und der Pflicht zur Zusammenarbeit (devoir de coopération). Wenn eine der Parteien sich nicht an ihre Verpflichtungen hält, kann ihre Haftung in Anspruch genommen werden. Beispielsweise ist in einer vor dem französischen Kassationshof am 13.10.2009 entschiedenen Sache eine Investment-Fondsgesellschaft in Verhandlungen mit den Aktionären einer Gesellschaftsgruppe zwecks Erwerbs der Aktien der Gesellschaften dieser Gruppe eingetreten. Im Laufe der Verhandlungen fanden mehrere Verhandlungsgespräche statt und ein letztes Treffen war zur Absprache der letzten Details vorgesehen. Die letzte Verhandlungsrunde wurde kurzfristig von den Verkäufern abgesagt, und zwar unter der Angabe, dass sie schlicht und einfach die Verhandlungen beenden wollten. Diese Verweigerung fiel mit der Wiederaufnahme von Verhandlungen mit einem anderen Investmentfonds zusammen. Nach Ansicht des französischen Kassationshofs hatten die Verkäufer die Diskussionsrunden über mehrere Wochen hinweg fortgeführt, obwohl ihre Vertragsabschlussbereitschaft für den Unternehmenskauf bereits nicht mehr vorhanden war. Das Gericht hat deshalb ein Verschulden der Verkäufer festgestellt. Es ist nicht der Abbruch an sich, welcher sanktioniert wird, sondern vielmehr die Begleitumstände.
Verhalten der Parteien anlässlich der Beendigung der Verhandlungen im Unternehmenskauf und Haftung
Um eine Pflichtverletzung zu charakterisieren, achten die französischen Richter also auf das Verhalten derjenigen Partei, die die Verhandlungen abbricht. Folgende Fragen sind dabei maßgeblich: Wie weit sind die Verhandlungsgespräche? Wie wird die Einstellung der Verhandlung begründet?
Umgekehrt rechtfertigen bestimmte Umstände den Abbruch der Verhandlungsgespräche. Das ist der Fall, wenn eine wesentliche Änderung einer besprochenen aufschiebenden Bedingung für den Verkauf eintritt.
Die Tatsache, dass eine Partei parallel Verhandlungen mit anderen Partnern führt, begründet dagegen je nach Umständen keine Pflichtverletzung, soweit sie keine Ausschließlichkeitspflicht eingegangen ist.
Wenn eine der Parteien aufgrund einer Pflichtverletzung bei der Beendigung der Verhandlungsgespräche zur Haftung herangezogen wird, kann die durch die rechtsmissbräuchliche Beendigung geschädigte Partei entschädigt werden, zum Beispiel für:
- im Hinblick auf den Vertragsschluss gemachte Ausgaben oder auch
- den Chancenverlust, mit einem Dritten einen Vertrag abzuschließen (vgl. Entscheidung des Berufungsgerichts von Versailles vom 17.1.2012).
A contrario ist der Verlust der Chance, den endgültigen Vertrag abzuschließen, kein ersatzfähiger Schaden (vgl. Urteil der Kammer für Handels-, Finanz- und Wirtschaftssachen des französischen Kassationshofs vom 26.11.2003 in der Sache „Manoukian“.
Besteht kein Rahmenvertrag für die Verhandlungsgespräche, ist die Pflichtverletzung der Partei, welche die Verhandlungsgespräche beendet, deliktischer Natur, und die Haftungsgrundlage ist Artikel 1382 des frz. Bürgerlichen Gesetzbuchs.
Die Parteien haben auch die Möglichkeit, vertraglich einen Rahmen für die Verhandlungszeit zu vereinbaren.
Zusammenfassend kann man festhalten, dass die Verhandlungspartner im französischen Unternehmenskauf die Gespräche nicht ohne weiteres beenden könnten. Am besten ist in der Praxis ein Letter of Intent abzuschließen, wonach die Rahmenbedingungen der Verhandlungen festgehalten werden.
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