Auch Hoheitsträger können wettbewerbswidrig handeln
Ein Hoheitsträger, der Prüfungen abnimmt und zusätzlich Lehrgänge zu deren Vorbereitung anbietet, handelt wettbewerbswidrig, wenn er gegenüber einem Mitbewerber, den er über sein eigenes Leistungsangebot informiert und der sich daraufhin nach Konkurrenzangeboten erkundigt, erklärt, er wisse von keinen weiteren Angeboten, obwohl ihn der private Wettbewerber über sein Angebot informiert hat. Das hat der Bundesgerichtshof (BFH) entschieden.
Der Fall aus der Praxis
Ein Seminarveranstalter bietet Lehrgänge zur Vorbereitung auf die Prüfung zum "Bilanzbuchhalter (IHK)" an. Auch die Industrie- und Handelskammer (IHK) selbst veranstaltet solche Lehrgänge. Darüber hinaus nimmt die IHK auch die Prüfung am Ende der Fortbildung ab. Durch zwei Testanrufe des Seminarveranstalters stellte sich heraus, dass die Mitarbeiter der IHK das eigene Fortbildungsangebot jeweils positiv heraus stellen, aber keine Hinweise auf Lehrgänge privater Anbieter geben. Der Seminarveranstalter klagte in der Folge gegen die IHK auf Unterlassung, Auskunftserteilung und Schadenersatz. Das Verhalten der Kammer sei wettbewerbswidrig.
Das sagt der Richter
Das Gericht entschied den Rechtsstreit zugunsten des Seminarveranstalters. Das Verhalten der Mitarbeiter der IHK im Rahmen der Testanrufe sei als Wettbewerbsverstoß zu werten. Die Industrie- und Handelskammer habe als Prüfungsbehörde und Anbieterin der Vorbereitungskurse eine Doppelstellung. Aufgrund dieser Ausnahmestellung dürfe sie sich im geschäftlichen Verkehr auf Anfrage von Personen, die sich für Vorbereitungslehrgänge interessieren, nicht nur auf das eigene Angebot beschränken. Vielmehr müsse auch auf bestehende Angebote privater Anbieter hingewiesen werden. Unterbleibe ein solcher Hinweis, werde die amtliche Stellung zur Förderung ihrer eigenen wirtschaftlichen Interessen missbraucht (BGH, Urteil vom 22.04.2009, Az.: I ZR 176/06).
Das bedeutet die Entscheidung
Sie stehen im Wettbewerb mit der öffentlichen Hand. Trotzdem sind sie nicht schutzlos. Bietet eine Körperschaft des öffentlichen Rechts berufliche Fort- und Weiterbildungslehrgänge an, so gilt sie insoweit als ganz normaler Mitbewerber.
Heißer Tipp
Ein Wettbewerber ist regelmäßig nur berechtigt, nicht aber verpflichtet, über Waren und Dienstleistungen von Mitbewerbern Angaben zu machen. Dies gilt grundsätzlich auch dann, wenn sich der Kunde bei dem Wettbewerber nach Konkurrenzprodukten erkundigt. Der Wettbewerber braucht daher auch dann nicht über das Konkurrenzangebot zu informieren, wenn er von diesem Angebot Kenntnis hat.
Für Hoheitsträger mit Doppelstellung gelten andere Maßstäbe
Ist der öffentlich-rechtliche Mitbewerber gleichzeitig Prüfungsbehörde, nimmt er ganz besonderes Vertrauen für sich in Anspruch. Er ist den Mitbewerbern insoweit voraus, als dass er als Prüfungsinstanz häufig erste Anlaufstelle von Interessenten ist. Hinzu kommt, dass mit der Abnahme der Prüfungen im Rahmen der örtlichen Zuständigkeit eine Monopolstellung indiziert ist. Der Hoheitsträger ist deshalb gehalten, Auskünfte objektiv und sachgerecht zu erteilen.
Was können Sie in einem solchen Fall verlangen?
Die Behörde ist aufgrund ihres Wettbewerbsvorteils verpflichtet, die mit der Erteilung von Auskünften in Prüfungsangelegenheiten beschäftigten Mitarbeiter entsprechend zu instruieren. Sie hat dafür Sorge zu tragen, dass vorliegende Informationen über Lehrgänge gesammelt und von den zuständigen Mitarbeitern - etwa in Form einer Liste der Anbieter solcher Kurse – allen Interessenten zur Verfügung gestellt werden.
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