Schmerzensgeld nach Unfall: So viel gibt’s beim Schleudertrauma
Gericht spricht 2.000 € Schmerzensgeld für Schleudertrauma nach Unfall zu
Das Schleudertrauma (HWS-Distorsion) ist eine der häufigsten Beschwerdekomplexe nach Verkehrsunfällen und verursacht in Europa jährlich einen volkswirtschaftlichen Schaden von über 10 Milliarden €. Insbesondere bei Auffahrunfällen entstehen Schleudertraumata, denn bei plötzlichen, unerwarteten Beschleunigungen des Kopfes kann es zu Verletzungen der Muskeln, Bänder und Gelenken im Bereich der Halswirbelsäule (HWS) kommen.
Ein Schleudertrauma kann bereits bei einem Auffahrunfall mit einer Geschwindigkeit von rund 8 km/h entstehen. Da sich ein Schleudertrauma äußerlich nicht immer nachweisen lässt, wird im Rahmen von Schmerzensgeldklagen regelmäßig über Diagnose, Ursache, Anzeichen und Verlauf dieses Krankheitsbildes gestritten.
Wichtiger Hinweis
Als Schleudertrauma (HWS-Distorsion) wird eine - häufig durch einen Auffahrunfall hervorgerufene - Weichteilverletzung der Halswirbelsäule (HWS) bezeichnet. Durch die infolge des Aufpralls erfolgte unvorhergesehene starke Beugung und Überstreckung der HWS entstehen Distorsionen (Verdrehungen), schmerzhafte Steilhaltungen und Muskelverspannungen im Bereich der Nacken- und Halsmuskulatur. Beim Schleudertrauma liegt stets eine Zerrung (Stauchung, Verrenkung) der HWS zu Grunde.
Schweregrade beim Schleudertrauma differenzieren stark
Die Klassifikation des Schleudertraumas erfolgt klinisch anhand der zervikal bedingten Beschwerdesymptomatik. Eine sehr gebräuchliche Einteilung der Schweregrade ist die sogenannte Quebec-Klassifikation. Quebec beschreibt eine international übliche Klassifikation von fünf verschiedenen Schweregraden:
Schweregrad | Symptome | |
0 |
keine Beschwerden, keine Symptome |
|
1 | Nackenbeschwerden, Steifheit des Nackens, Schmerzen | |
2 | Bewegungseinschränkungen, Druckschmerzempfindlichkeit, Blockaden | |
3 | Verringerte Nervenleitgeschwindigkeit, sensible und motorische Ausfälle | |
4 | Frakturen, Dislokationen (Verschiebungen), Rückenmarkschädigungen |
Unfallverursacher muss für Schleudertrauma 2.000 € Schmerzensgeld zahlen
Bei einer erheblichen Dauer und Heftigkeit von unfallbedingten Schmerzen und einer über Wochen gehenden Arbeitsunfähigkeit ist auch bei einem fahrlässig verursachten Unfall ein Schmerzensgeld von 2.000 € angemessen. Das hat das Amtsgericht (AG) München entschieden.
Der Fall
Anfang Dezember 2011 kam es zu einem Verkehrsunfall, bei dem die Fahrerin des voranfahrenden Fahrzeuges ein HWS-Schleudertrauma, eine ISG-Blockade sowie eine Beeinträchtigung der Lendenwirbelsäule erlitt. Sie bekam starke Kopf-, Schulter und Nackenschmerzen und musste sich in ärztliche und krankentherapeutische Behandlung begeben. Insgesamt war sie sechs Wochen krankgeschrieben und verspürte bis zum Sommer 2012 Schmerzen im gesamten Rückenbereich, wobei ihr bis Anfang Februar 2012 ein Schlafen nur mit Schmerzmitteln möglich war. Die Geschädigte war bis Januar 2013 in orthopädischer Behandlung, in deren Verlauf sie regelmäßig auch Spritzen verabreicht bekam. Die Versicherung des Unfallverursachers zahlte ihr ein Schmerzensgeld in Höhe von 1.500 €. Das war der Geschädigten zu wenig. Sie hielt 2.800 € für angemessen und forderte deshalb von der Versicherung des Unfallverursachers die Zahlung eines Betrages in Höhe von 1.300 €. Die Versicherung lehnte die Forderung mit der Begründung, dass der von ihr an die Geschädigte gezahlte Betrag ausreichend sei. Daraufhin zog die Geschädigte vor Gericht und erhob Zahlungsklage gegen die Versicherung,
Das sagt das Gericht
Die Klage hatte teilweise Erfolg. Das Gericht verurteilte die Versicherung zur Zahlung eines Schmerzensgeldes in Höhe von insgesamt 2.000 €. Nachdem die Versicherung der Geschädigten bereits 1.500 € bezahlt habe, betrage die Restforderung nun 500 €. Die Entscheidung über die Höhe des Schmerzensgeldes orientiere sich am Ausmaß und der Schwere der durch den Verkehrsunfall verursachten Verletzungen. Dabei komme dem Schmerzensgeld eine Ausgleichs- und Genugtuungsfunktion zu. Es sei dabei zu berücksichtigen, dass ein Schmerzensgeld den Verletzten in die Lage versetzen solle, sich Erleichterungen und Annehmlichkeiten an Stelle derer zu verschaffen, deren Genuss ihm durch die Verletzung unmöglich gemacht wurde. Aufgrund der erheblichen Dauer und Heftigkeit der unfallbedingten Schmerzen und der über Wochen gehenden Arbeitsunfähigkeit der Klägerin sei ein Schmerzensgeld in Höhe von 2.000 € angemessen. Dabei berücksichtige es auch, dass der Unfall nur fahrlässig verursacht wurde. Die Versicherung müsse daher noch 500 € bezahlen (AG München, Urteil vom 29.01.2013, Az.: 332 C 21014/12).
Praxis-Tipp
In der gerichtlichen Praxis gibt es eine beachtliche Bandbreite bei der Höhe der gezahlten Schmerzensgelder. Mithilfe dieser Suchmaske können Sie sich einen umfassenden und detaillierten Überblick darüber verschaffen, wie viel Schmerzensgeld die Gerichte für verschiedene Verletzungen zusprechen.
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