Reiserecht aktuell: Reiseabbruchversicherung deckt nur zusätzlich entstandene Reisekosten
Reiserecht aktuell: Reiseabbruchversicherung übernimmt nur zusätzliche Reisekosten
Geht aus den Versicherungsbedingungen einer Reiseabbruchversicherung deutlich hervor, dass lediglich zusätzliche, durch Abbruch entstandene Reisekosten erstattet werden können, so bringt die Klausel klar zum Ausdruck, dass ein nicht angetretener Flug nicht erstattet wird. Dies folgt aus einer Entscheidung des Amtsgerichts (AG) München.
Der Fall aus der Praxis
Ein Austauschschüler beabsichtigte, ab August 2010 für ein Jahr nach Mexiko zu gehen. Seine Mutter buchte Hin- und Rückflug sowie einen Flug zur Weihnachtszeit nach Deutschland und wieder zurück. Gleichzeitig schloss sie auch eine Reiserücktritts-/Reiseabbruchsversicherung ab. In den Versicherungsbedingungen war geregelt, dass beim Reiseabbruch nur die nachweislich entstandenen zusätzlichen Rückreisekosten erstattet werden können. Kurz vor Weihnachten erkrankte der Schüler an einer schweren Magen-Darm-Grippe, sodass er den Flug nach Deutschland nicht antreten konnte. Seine Mutter verlangte daraufhin von der Versicherung die Erstattung der Kosten für den Flug von Mexico City nach München und zurück in Höhe von insgesamt 781 €. Die Versicherung weigerte sich jedoch, der Forderung nachzukommen. Der Schüler sei schließlich in Mexiko geblieben und deshalb seien keine zusätzlichen Reisekosten angefallen. Die Flugkosten als solche hätte die Mutter sowieso bezahlen müssen. Die Mutter akzeptierte diese Begründung der Versicherung nicht und erhob Zahlungsklage vor dem Amtsgericht (AG) München.
Das sagt Gericht
Die Klage hatte keinen Erfolg. Nach Auffassung des Gerichts könne offen bleiben, ob es sich um einen Reiseabbruch handele, wenn der Reisende länger als geplant im Reiseland verweilen müsse und lediglich eine Reisepause ausfiele. Jedenfalls seien die Versicherungsbedingungen eindeutig. Danach würden nur zusätzliche Rückreisekosten erstattet. Mit dieser Klausel bringe das Versicherungsunternehmen eindeutig zum Ausdruck, dass es gerade keine Erstattung für von Anfang an gebuchte, jedoch lediglich nicht in Anspruch genommene Rückreiseleistungen erbringen wolle, sondern nur für später entstandene, ungeplante Reisekosten (AG München, Urteil vom 14.10.2011, Az.: 242 C 16294/11).
So unterscheiden sich Reiseabbruchversicherung und Reiserücktrittversicherung
Die bekanntesten Reiseversicherungen sind die Reiserücktrittsversicherung und die Reiseabbruchversicherung. Die Reiseabbruchversicherung erstattet zusätzliche Reisekosten, die durch eine vorzeitige oder verspätete Rückreise des Reisenden wegen
- einer plötzlich eingetretenen schweren Erkrankung
- eines schweren Unfalls
- eines Todesfalles in der Familie oder
- einer plötzlichen Einberufung zum Wehrdienst
entstehen.
Voraussetzung für Leistungen der Reiseabbruchversicherung ist, dass die Reise bereits angetreten wurde. Der Versicherungsnehmer und die mitversicherten Mitreisenden müssen sich am Urlaubsort befinden und dort einen Schaden erleiden, der von der Versicherung in den Katalog aufgenommen wurde und zur Inanspruchnahme von Leistungen berechtigt.
Beachten Sie, dass die Reiseabbruchversicherung keine Kosten erstattet, die durch einen Reiseabbruch aus persönlichen Gründen entstanden sind, z. B.:
- Streit mit dem Partner
- Infektionskrankheiten
- Erkältungen
- Rückholung aus dem Urlaub zur Wiederaufnahme der Arbeit
- Nichtgefallen des Urlaubsortes
Diese Leistungen erbringt die Reiserücktrittsversicherung
Die Reisrücktrittsversicherung erstattet die im Vorfeld verauslagten Kosten, wenn eine Reise nicht angetreten werden kann. Der Schutz ist an bestimmte Voraussetzungen gebunden, die hinreichend belegt werden müssen. Gründe für den Eintritt der Reiserücktrittversicherung sind:
- schwere Erkrankung
- Todesfall in der Familie
- unerwarteter Einberufungsbefehl
- Schwangerschaft
- gerichtliche Vorladungen
Der Versicherer erstattet bei einem Rücktritt der versicherten Person von einer versicherten Reise
- die Anzahlung auf den Reisepreis
- den bereits gezahlten Reisepreis
- Stornogebühren
- Kosten für im Vorfeld gebuchte und im Reisezusammenhang stehende öffentliche Verkehrsmittel, z. B. Fähren oder Bahnreisen
Besondere gehen Allgemeinen Versicherungsbedingungen vor
Bei den Versicherungsbedingungen gilt es, die Allgemeinen Versicherungsbedingungen (AVB) von den Besonderen Versicherungsbedingungen (BVB) zu unterscheiden. Bei den AVB handelt es sich um Bestimmungen, die Versicherungsunternehmen ihren Versicherten bei Abschluss von Versicherungsverträgen auferlegen und die keine individuellen Gegebenheiten berücksichtigen. Die AVB sind die Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) für das Versicherungsgeschäft.
Wichtiger Hinweis
Die Definition aus § 305 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) und die im Weiteren geregelten Bedingungen für die Gültigkeit von AGB gelten sinngemäß auch für AVB, sodass es sich bei Letzteren um eine an Gesetzen und Rechtsprechung orientierte branchenspezifische Variante der AGB handelt.
Besondere Versicherungsbedingungen beziehen sich auf einen einzelnen Vertrag oder auf einen bestimmten Teilbestand von Versicherungsverträgen und berücksichtigen individuelle Gegebenheiten. BVB haben Vorrang vor den AVB nach dem Grundsatz, dass die spezielle Norm der generellen vorgeht. BVB gelten allerdings auch als AVB, wenn sie einer Vielzahl von Versicherungsverträgen zugrunde gelegt werden.
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