Reiserecht aktuell: Reisemängel reklamieren kann den Reisepreis reduzieren
Reisrecht aktuell: Richtiges Reisemängel reklamieren kann den Reisepreis reduzieren
Reisemängel sind so zu reklamieren, dass der Reiseveranstalter gezwungen ist, den Reisepreis nach der Frankfurter Tabelle zu reduzieren. Wer Ansprüche gegen den Reiseveranstalter geltend machen will, muss zunächst einen Reisemangel reklamieren. Was der Gesetzgeber unter einem Reisemangel versteht, steht in § 651c Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB):
“Der Reiseveranstalter ist verpflichtet, die Reise so zu erbringen, dass sie die zugesicherten Eigenschaften hat und nicht mit Fehlern behaftet ist, die den Wert oder die Tauglichkeit zu dem gewöhnlichen oder nach dem Vertrage vorausgesetzten Nutzen aufheben oder mindern.”
Eine Reise ist fehlerhaft, d. h. ein Reisemangel liegt vor, wenn die tatsächliche Ist-Beschaffenheit nachteilig von der vertraglich vereinbarten Soll-Beschaffenheit abweicht und dadurch Wert oder Tauglichkeit der Reise nicht nur unwesentlich beeinträchtigt wird.
In diesen Fällen liegt ein Reisemangel vor
Ein Reisemangel ist entweder ein tauglichkeitsmindernder Fehler aus dem Gefahrenbereich des Reiseveranstalters oder das Fehlen einer zugesicherten Eigenschaft. Ein Fehler bzw. Reisemangel ist zu bejahen, wenn der Reiseveranstalter dem Kunden eine nach dem Reisevertrag geschuldete Leistung nicht oder nicht in der gebotenen Art und Weise erbringt und dafür verantwortlich ist.
Der Reiseveranstalter ist verpflichtet, eine ganze Reihe von Einzelleistungen zu erbringen. Ein Reisemangel ist bereits dann zu bejahen, wenn nur eine einzelne Pflicht nicht oder schlecht erfüllt wird. Fehlt eine konkrete vertragliche Vereinbarung über die Beschaffenheit der Reise, so ist auf die normale Beschaffenheit abzustellen.
Ein Reisemangel kann vor diesem Hintergrund insbesondere vorliegen, wenn:
- der Vertragszweck nicht erfüllt wird,
- die diversen Einzelleistungen nicht ausreichend aufeinander abgestimmt sind,
- der Reiseveranstalter sonstige Pflichten nicht eingehalten hat oder
- eine einzelne Reiseleistung nicht oder schlecht erfüllt wird.
Wichtiger Hinweis
Beachten Sie, dass es im jeweiligen Einzelfall nach Art und Zweck der Reise aufgrund des Reisevertrages festzustellen gilt, ob die Störung bei einer einzelnen Reiseleistung bereits die Reise als solche als in ihrem Nutzen beeinträchtigt erscheinen lässt - oder ob es sich lediglich um eine Unannehmlichkeit handelt, die es hinzunehmen gilt. Bei der vorzunehmenden Gesamtwürdigung kommt für den Inhalt der Leistungspflichten entscheidende Bedeutung den bindenden Prospektangaben und sonstigen Informationen des Reiseveranstalters im Allgemeinverständnis des nicht auslandserfahrenen Reisenden zu. Diese Angaben können auch zugesicherte Eigenschaften oder vereinbarte Sonderwünsche des Reisenden sein.
Reine Unannehmlichkeiten sind keine Reisemängel
Nicht jede für den Reisenden unangenehme Beeinträchtigung erfüllt die Voraussetzungen eines Reisemangels. Vielmehr ist der Reisende im Zeitalter des Massentourismus verpflichtet, bestimmte Unannehmlichkeiten hinzunehmen. Für die Abgrenzung zwischen einem Reisemangel und einer vom Reisenden hinzunehmenden Unannehmlichkeit gibt es keine Pauschallösung. Entscheidend ist stets die individuelle Betrachtung des Einzelfalls. Keine Reisemängel, die zu einer Preisminderung beim Reisepreis führen sind nach der Rechtsprechung:
- Flugverspätung bis zu vier Stunden
- keine Reiseleitung am Flughafen
- zwei Stunden Wartezeit auf den Koffer am Flughafen
- nicht ausreichende Versorgung mit Handtüchern
- Spinnweben und Ameisen im Zimmer
- halbstündige Wartezeit im Speisesaal
- übliche Strandverschmutzung durch andere Urlaubsgäste
Reisende müssen allgemeines Lebensrisiko hinnehmen
Gewisse Umstände, die nicht in der Sphäre des Reiseveranstalters liegen und mit deren Eintreten auch im Alltagsleben gerechnet werden muss - sogenanntes allgemeines Lebensrisiko - muss der Reisende ebenfalls hinnehmen. Beispiele aus der Rechtsprechung sind:
- Übliche Kriminalität am Urlaubsort
- Ausrutschen im Bereich des Swimmingpools
- Stolpern über Baumwurzeln auf der Liegewiese des Hotels
- Affenbiss in Kenia
- einzelner terroristischer Anschlag im Reiseland
- Verletzung durch Holzsplitter auf einem Ausflugsboot
- Gecko im Zimmer
- Insektenstiche
Reisepreisminderung für Reisemängel nach der Frankfurter Tabelle
Die Frankfurter Tabelle ist eine Liste, die das Landgericht (LG) Frankfurt zur Abschätzung von Reisepreisminderungen aus dem Titel der Gewährleistung bei Pauschalreisen bei berechtigten Reisemängeln entwickelt hat.
Wichtiger Hinweis
Beachten Sie, dass die Liste weder für die Gerichte noch für Reiseveranstalter verbindlich ist, sondern lediglich der Orientierung dient.
Abhängig von Art und Umfang des Reisemangels zeigt der jeweilige in der Tabelle angegebene Prozentsatz, wie viel Prozent vom Reisepreis für eine Minderung als Richtschnur in Betracht kommen.
Frankfurter Tabelle |
|||
Leistung |
Mängel |
% |
Bemerkung |
I. Unterkunft |
1. Abweichung vom gebuchten Objekt |
0-25 |
je nach Entfernung |
2. Abweichende örtliche Lage (Strandentfernung) |
5-15 |
||
3. Abweichende Art der Unterbringung im gebuchten Hotel (Hotel statt Bungalow, abweichendes Stockwerk) |
5-10 |
||
4. Abweichende Art der Zimmer |
|||
a) DZ statt EZ |
20 |
Entscheidend, ob |
|
b) Dreibettzimmer statt EZ |
25 |
Personen der gleichen |
|
c) Dreibettzimmer statt DZ |
20-25 |
Buchung oder Unbekannte |
|
d) Vierbettzimmer statt DZ |
20-30 |
zusammengelegt werden |
|
5. Mängel in der Ausstattung des Zimmers |
|||
a) zu kleine Fläche |
5-10 |
||
b) fehlender Balkon |
5-10 |
bei Zusage / je nach Jahreszeit |
|
c) fehlender Meerblick |
5-10 |
bei Zusage |
|
d) fehlendes (eigenes) Bad/WC |
15-25 |
bei Buchung |
|
e) fehlendes (eigenes) WC |
15 |
||
f) fehlende (eigene) Dusche |
10 |
bei Buchung |
|
g) fehlende Klimaanlage |
10-20 |
bei Zusage / je nach Jahreszeit |
|
h) fehlendes Radio/TV |
5 |
bei Zusage |
|
i) zu geringes Mobiliar |
5-15 |
||
k) Schäden (Risse, Feuchtigkeit etc.) |
10-50 |
||
l) Ungeziefer |
10-50 |
||
6. Ausfall von Versorgungseinrichtungen |
|||
a) Toilette |
15 |
||
b) Bad/Warmwasserboiler |
15 |
||
c) Stromausfall/Gasausfall |
10-20 |
||
d) Wasser |
10 |
||
e) Klimaanlage |
10-20 |
je nach Jahreszeit |
|
f) Fahrstuhl |
5-10 |
je nach Stockwerk |
|
7. Service |
|||
a) vollkommener Ausfall |
25 |
||
b) schlechte Reinigung |
10-20 |
||
c) ungenügender Wäschewechsel (Bettwäsche, Handtücher) |
5-10 |
||
8. Beeinträchtigungen |
|||
a) Lärm am Tage |
5-25 |
||
b) Lärm in der Nacht |
10-40 |
||
c) Gerüche |
5-15 |
||
9. Fehlen der (zugesagten) Kureinrichtungen (Thermalbad, Massagen) |
20-40 |
je nach Art der Projektzusage (z.B. "Kururlaub") |
|
II. Verpflegung |
1. Vollkommener Ausfall |
50 |
|
2. Inhaltliche Mängel |
|||
a) eintöniger Speisenzettel |
5 |
||
b) nicht genügend warme Speisen |
10 |
||
c) verdorbene (ungenießbare) Speisen |
20-30 |
||
3. Service |
|||
a) Selbstbedien. (statt Kellner) |
10-15 |
||
b) lange Wartezeiten |
5-10 |
||
c) Essen in Schichten |
10 |
||
d) verschmutzte Tische |
5-10 |
||
e) verschmutztes Geschirr, Besteck |
10-15 |
||
4. Fehlende Klimaanlage im Speisesaal |
5-10 |
bei Zusage |
|
III. Sonstiges |
1. Fehlender oder verschmutzter Swimmingpool |
10-20 |
bei Zusage |
2. Fehlendes Hallenbad |
bei Zusage |
||
a) bei vorhandenem Swimmingpool |
10 |
||
b) bei nicht vorhandenem Swimmingpool |
20 |
||
3. Fehlende Sauna |
5 |
bei Zusage |
|
4. Fehlender Tennisplatz |
5-10 |
bei Zusage |
|
5. Fehlendes Mini-Golf |
3-5 |
bei Zusage |
|
6. Fehlende Segel-, Surf-, Tauchschule |
5-10 |
bei Zusage |
|
7. Fehlende Möglichkeit zum Reiten |
5-10 |
bei Zusage |
|
8. Fehlende Kinderbetreuung |
5-10 |
bei Zusage |
|
9. Unmöglichkeit des Badens im Meer |
10-20 |
je nach Prospekt-beschreibung und zumutbarer Ausweichmöglichkeit |
|
10. Verschmutzter Strand |
10-20 |
||
11. Fehlende Strandliegen, Sonnenschirme |
5-10 |
bei Zusage |
|
12. Fehlende Snack- oder Strandbar |
0-5 |
je nach Ersatzmöglichkeit |
|
13. Fehlender FKK-Strand |
10-20 |
bei Zusage |
|
14. Fehlendes Restaurant oder Supermarkt |
bei Zusage / je nach Ausweichmöglichkeit |
||
a) bei Hotelverpflegung |
0-5 |
||
b) bei Selbstverpflegung |
10-20 |
||
15. Fehlende Vergnügungseinrichtungen (Disco, Nightclub, Kino, Animateure) |
5-15 |
bei Zusage |
|
16. Fehlende Boutique oder Ladenstraße |
0-5 |
je nach Ausweichmöglichkeit |
|
17. Ausfall von Landausflügen bei Kreuzfahrten |
20-30 |
des anteiligen Reisepreises je Tag des Landausflugs |
|
18. Fehlende Reiseleistung |
|||
a) bloße Organisation |
0-5 |
||
b) bei Besichtigungsreisen |
10-20 |
||
c) bei Studienreisen mit wissenschaftlicher Führung |
20-30 |
bei Zusage |
|
19. Zeitverlust durch notwendigen Umzug |
anteiliger Reisepreis für |
||
a) im gleichen Hotel |
1/2 Tag |
||
b) in anderes Hotel |
1 Tag |
||
IV. Transport |
1. Zeitlich verschobener Abflug über vier Stunden hinaus |
5 |
des anteiligen Reisepreises für einen Tag für jede weitere Stunde |
2. Ausstattungsmängel |
|||
a) niedrigere Klasse |
10-15 |
||
b) erhebliche Abweichung vom normalen Standard |
5-10 |
||
3. Service |
|||
a) Verpflegung |
5 |
||
b) Fehlen der in der Flugklasse üblichen Unterhaltung (Radio, Film, etc.) |
5 |
||
4. Auswechslung des Transportmittels |
der auf die Transportverzögerung entfallende anteilige Reisepreis |
||
5. Fehlender Transfer vom Flugplatz (Bahnhof) zum Hotel |
Kosten des Ersatztransportmittels |
Wichtige Erläuterungen zur Frankfurter Tabelle
- Geringfügige Beeinträchtigungen bleiben außer Betracht.
- Die Höhe des Prozentsatzes richtet sich nach der Intensität der Beeinträchtigung. Diese ist in der Regel unabhängig von den Eigenschaften des einzelnen Reisenden (Alter, Geschlecht, besondere Empfindlichkeit, besondere Unempfindlichkeit).
- Der Prozentsatz wird grundsätzlich vom Gesamtreisepreis (also auch Transportkosten) erhoben.
- Soweit Beeinträchtigungen während der Reisedauer nur zeitweilig auftreten, wird Minderung nur auf den entsprechenden Anteil zugestanden.
- Bei Vorliegen mehrerer Mängelpositionen werden die Prozentsätze addiert.
- Ist die Reise in ihrer Gesamtheit durch Mängel einzelner Reiseleistungen oder durch Pflichtverletzungen des Reiseveranstalters schuldhaft erheblich beeinträchtigt worden, so können die Minderungssätze bis zum vollen Reisepreis steigen (§ 651 f Abs. 2 BGB).
- Eine Kündigung der Reise nach § 651e Abs. 1 BGB kommt in der Regel nur in Betracht, wenn Mängel von mindestens 20 Prozent vorliegen.
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