Raus aus der Schuldenfalle: Überschuldete Verbraucher können Privatinsolvenz beantragen
Privatinsolvenz beantragen: So entfliehen überschuldete Verbraucher der Schuldenfalle
Für die meisten der nach Schätzungen über drei Millionen überschuldeten Haushalte in Deutschland gibt es nur eine Möglichkeit: Privatinsolvenz beantragen und schnellstmöglich raus aus der Schuldenfalle. Mit dem Verbraucherinsolvenzverfahren, umgangssprachlich auch Privatinsolvenzverfahren genannt, hat der Gesetzgeber ein vereinfachtes Insolvenzverfahren für Privatpersonen geschaffen, das in der Insolvenzordnung (InsO) geregelt ist. Ziel des Verfahrens ist die Restschuldbefreiung des Schuldners. Überschuldeten Verbrauchern soll durch die private Insolvenz die Möglichkeit eröffnet werden, nach einer gewissen Zeit einen schuldenfreien Neuanfang zu starten.
Wichtiger Hinweis
Die Restschuldbefreiung kann beim Insolvenzgericht beantragt werden. Sie soll einem redlichen Schuldner durch Schuldenerlass die Möglichkeit eines wirtschaftlichen Neuanfangs nach einer streng reglementierten und überwachten Wohlverhaltensphase von sechs Jahren geben. Die Restschuldbefreiung gilt als ein Kernstück der Insolvenzrechtsreform. Denn nach früherem Recht verjährten titulierte Forderungen erst nach 30 Jahren.
Nicht jeder Schuldner kann Insolvenzantrag stellen
Einen Insolvenzantrag stellen, um das Verbraucherinsolvenzverfahren in Gang zu setzen, können nur natürliche Personen (Verbraucher) und ehemalige Selbstständige sowie Kleingewerbetreibende. Voraussetzung für die private Insolvenz ist nach § 304 InsO, dass der Schuldner weniger als 20 Gläubiger und keine Verbindlichkeiten aus Beschäftigungsverhältnissen mit Arbeitnehmern hat.
So läuft das Verbraucherinsolvenzverfahren
Das Verbraucherinsolvenzverfahren bzw. Privatinsolvenzverfahren lässt sich im Wesentlichen in vier Schritte gliedern:
Schritt 1: Versuch der außergerichtlichen Einigung
Zunächst sind Schuldner und Gläubiger aufgefordert, eine Einigung zu erzielen. Mithilfe eines sogenannten Schuldenbereinigungsplans muss der Schuldner versuchen, sich außergerichtlich mit den Gläubigern über eine Rückzahlung der Schulden zu einigen.
Praxis-Tipp
Beachten Sie, dass nur ein Rechtsanwalt, Steuerberater oder eine öffentlich anerkannte Schuldnerberatungsstelle berechtigt sind, dem Verbraucher die für den weiteren Verlauf des Insolvenzverfahrens erforderliche Bescheinigung über das Scheitern des Versuchs einer außergerichtlichen Einigung auszustellen. Stehen dem Verbraucher nicht genügend Geldmittel zur Verfügung, um einen professionellen Beistand zu beauftragen, so ist zu prüfen, ob die Voraussetzungen für eine Beratungshilfe nach den Vorschriften des Beratungshilfegesetzes (BerHG) vorliegen.
In den Schuldenbereinigungsplan werden sämtliche Einnahmen und Ausgaben des Schuldners aufgenommen. Darüber hinaus wird festgehalten, wie und in welcher Höhe der Verbraucher seine Schulden abbauen kann und will. Lehnt mindestens ein Gläubiger den Schuldenbereinigungsplan ab oder betreibt ein Gläubiger nach Zustellung des Plans weiter die Zwangsvollstreckung, so gilt der Schuldenbereinigungsplan als gescheitert. Der Schuldner kann sich in diesem Fall das Scheitern des Schuldenbereinigungsplans von einem Rechtsanwalt, Steuerberater oder eine Schuldnerberatungsstelle bescheinigen lassen. Diese Bescheinigung ist Voraussetzung für die Eröffnung des Insolvenzverfahrens beim zuständigen Insolvenzgericht (Insolvenzeröffnungsantrag).
Kommt es zwischen Schuldner und Gläubiger zu einer außergerichtlichen Einigung, so ist das Verfahren an diesem Punkt beendet. Die Abwicklung der Verbindlichkeiten erfolgt dann entsprechend dem Inhalt des Schuldenbereinigungsplans.
Schritt 2: Gerichtliches Schuldenbereinigungsverfahren
Vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens prüft das Gericht die Erfolgsaussichten eines gerichtlichen Schuldenbereinigungsplans. Kommt das Gericht zu dem Ergebnis, dass eine Aussicht auf Erfolg besteht, so werden der gerichtliche Schuldenbereinigungsplan sowie das Vermögensverzeichnis den Gläubigern zugestellt. Die Gläubiger können dann innerhalb von vier Wochen Stellung nehmen und den Plan gegebenenfalls ablehnen. Wenn der Plan nicht von mindestens der Hälfte der Gläubiger abgelehnt wird, kann das Gericht deren Zustimmung auf Antrag des Schuldners ersetzen. Beachten Sie, dass sich die Hälfte der Gläubiger in diesem Fall nicht nach deren Anzahl, sondern nach der Höhe und Anzahl der Forderungen bestimmt.
Schritt 3: Vereinfachtes Insolvenzverfahren
Wird auch der gerichtliche Schuldenbereinigungsplan nicht angenommen, so erfolgt die Eröffnung des Verfahrens der Privatinsolvenz (vereinfachtes Insolvenzverfahren), die durch Bekanntmachung verkündet wird. Das pfändbare Vermögen des Schuldners wird nach Abzug der Verfahrenskosten verwertet, d. h. an die Gläubiger ausgegeben. Zu diesem Zweck wird ein Treuhänder eingesetzt, der über die Vermögenslage des Schuldners berichtet, pfändbares Vermögen erfasst und die Quote der Gläubiger bestimmt. Dafür muss eine Insolvenztabelle erstellt werden, in der festgelegt wird, welcher Gläubiger wie viel bekommt. Das Insolvenzgericht verteilt gemäß der Quote das pfändbare Vermögen. Der Treuhänder kümmert sich bis zum Abschluss der Insolvenz um die Verwaltung und Verteilung des pfändbaren Einkommens des Schuldners.
Schritt 4: Verfahren der Restschuldbefreiung und Wohlverhaltensperiode
Die Restschuldbefreiung dient dazu, dass sich überschuldete Verbraucher vollständig von ihren Schulden lösen können. Sie befreit den Schuldner von Verbindlichkeiten, die nach Abschluss des Insolvenzverfahrens noch bestehen. Mit anderen Worten kann eine Restschuldbefreiung nur am Ende eines vereinfachten Insolvenzverfahrens erfolgen.
Wichtiger Hinweis
Das Restschuldbefreiungsverfahren besteht aus einer sechsjährigen sogenannten Wohlverhaltensphase, die zum Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens beginnt. Während dieser Zeit ist der Verbraucher verpflichtet, den pfändbaren Teil seines Einkommens sowie die Hälfte ihm zufallender Erbteile an den Treuhänder abzutreten, der das Geld entsprechend den in der Insolvenztabelle festgelegten Quoten an die Gläubiger ausschüttet. Ist die Wohlverhaltensphase beendet, kann der Schuldner die Restschuldbefreiung beantragen.
Gläubiger können Restschuldbefreiung verhindern
Im Schlusstermin können die Gläubiger nach § 290 InsO die Versagung der Restschuldbefreiung beantragen, wenn einer der nachstehenden Gründe vorliegt:
- rechtskräftige Verurteilung des Schuldners aufgrund einer Insolvenzstraftat (§§ 283 - 283c Strafgesetzbuch),
- falsche Angaben des Schuldners über wirtschaftliche Verhältnisse, um Leistungen und Kredite zu erhalten bzw. Zahlungen auszusetzen,
- Verschwendung von Vermögen,
- Verletzung von Auskunfts- und Mitwirkungspflichten,
- Erhalt oder Versagung einer Restschuldbefreiung innerhalb der letzten zehn Jahre oder
- Schuldner hat in den nach § 305 Abs. 1 Nr. 3 InsO vorzulegenden Verzeichnissen seines Vermögens und seines Einkommens, seiner Gläubiger und der gegen ihn gerichteten Forderungen vorsätzlich oder grob fahrlässig unrichtige oder unvollständige Angaben gemacht.
Wird kein entsprechender Antrag gestellt oder sind solche Anträge unbegründet, kündigt das Insolvenzgericht die Restschuldbefreiung an.
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