Klage unzulässig - Schlichten statt Richten
Die teilweise aggressive Streitkultur in Deutschland ist bekannt. In keinem anderen Staat der Welt werden bei Streitigkeiten und Meinungsverschiedenheiten ähnlich häufig und schnell die Gerichte bemüht. Einvernehmliche Lösungen scheinen oftmals überhaupt nicht gewollt zu sein. Dabei existieren ausreichend Möglichkeiten, einen Streit außergerichtlich zu schlichten. In bestimmten Fällen ist eine Klage gar unzulässig, wenn nicht zuvor ein Schlichtungsversuch unternommen wurde.
Der Fall aus der Praxis
Eine Gemeinde hatte mit einer GbR einen Pachtvertrag mit einer 30 jährigen Laufzeit über ein Gutshaus geschlossen. Als Vertragsbeginn war der 01.07.2004 vereinbart. Die Übergabe des Pachtobjekts erfolgte vereinbarungsgemäß am selben Tag. Eine Schiedsgerichtsklausel im Vertrag hatte folgenden Wortlaut:
„Meinungsverschiedenheiten über die Auslegung und Durchführung des Vertrags sollen auf dem Verhandlungsweg beigelegt werden. Vor Anrufung eines Gerichts muss ein Schlichtungsversuch vor dem Schiedsgericht unternommen werden.“
Die Unwirksamkeit einzelner Vertragsklauseln sollte auf die Wirksamkeit des übrigen Vertragsinhalts keinen Einfluss haben.
Am 06.07.2004 beanstandete die untere Rechtsaufsichtsbehörde den Beschluss der Gemeinde, den Pachtvertrag mit der Gesellschaft abzuschließen. Die Gemeinde war der Ansicht, dass der Vertrag deshalb unwirksam sei. Sie beantragte deshalb gerichtlich die Räumung des gepachteten Gutes durch die GbR, ohne zuvor einen Schlichtungsversuch unternommen zu haben. Die Gesellschaft weigerte sich, das Gutshaus zu räumen und berief sich auf die vertraglich fixierte Schlichtungsvereinbarung. Die Klage der Gemeinde sei unzulässig, weil sie zunächst einen Schlichtungsversuch vor dem Schiedsgericht hätte unternehmen müssen. Die Kommune entgegnete, die besagte Klausel im Vertrag sei zu unbestimmt und deshalb unwirksam.
Das sagt der Richter
Das Gericht gab der Gesellschaft Recht. Nach Meinung der Bundesrichter handelt es sich bei der streitgegenständlichen Vertragsklausel um eine wirksame Schlichtungsvereinbarung. Die Vereinbarung bringe klar zum Ausdruck, dass im Fall von Meinungsverschiedenheiten vor Anrufung eines Gerichts ein Schlichtungsversuch zu unternehmen sei. Die Schlichtungsvereinbarung sei auch wirksam. Die Parteien seien sich nach dem Inhalt des Vertrags darüber einig gewesen, dass die Schlichtungsvereinbarung auch bei Unwirksamkeit der übrigen Vertragsvereinbarungen zur Anwendung kommen solle. Die Schiedsvereinbarung sei auch hinreichend bestimmt, obwohl keine Schlichtungsstelle benannt sei (BGH, Urteil vom 29.10.2008, Az.: XII ZR 165/06).
Das bedeutet die Entscheidung
Bei Vorliegen einer wirksamen vertraglichen Schlichtungsvereinbarung wird bei Streitigkeiten eine Klage als unzulässig abgewiesen, wenn nicht zuvor die Schlichtungsstelle angerufen wurde. Eine in einem Pachtvertrag enthaltende Schlichtungsvereinbarung ist nicht schon deshalb unwirksam, weil der Vertrag unwirksam ist. Eine solche Vereinbarung ist auch nicht wegen fehlender Bestimmtheit unwirksam, wenn keine konkrete Schlichtungsstelle benannt ist. In einem solchen Fall kann auf die gesetzlich vorgesehenen Schiedsstellen zur Schlichtung von Streitigkeiten zurückgegriffen werden. Wie Sie rechtlich korrekt die personelle Besetzung der Schiedseinrichtung festlegen, zeigt Ihnen die Mustervereinbarung: Besetzung einer Schlichtungsstelle .
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