Zigarettenschmuggel: Steuerhehlerei kann vor Beendigung der Steuerhinterziehung begangen werden
Steuerhehlerei vor Beendigung der vorangegangenen Steuerhinterziehung möglich
Entgegen der allgemeinen Auffassung, dass Sachhehlerei grundsätzlich eine abgeschlossene Vortat erfordert, hat der Bundesgerichtshof (BGH) jetzt entschieden, dass der Straftatbestand der Steuerhehlerei in Form der Absatzhilfe auch vor Beendigung der vorangegangenen Steuerhinterziehung erfüllt werden kann.
Der Fall aus der Praxis
Der Angeklagte war an Geschäften mit unversteuert nach Deutschland verbrachten Zigaretten beteiligt. Nachdem die 10.000 Stangen Zigaretten bereits ins Inland verbracht worden waren, sprang der ursprünglich vorgesehene Abnehmer ab. Daraufhin wandte sich der Organisator hilfesuchend an den bis dahin am Geschehen unbeteiligten Angeklagten und bat um Hilfe bei der Suche nach einer Lagerfläche und der Vermittlung eines Abnehmers. mit der Bitte, er brauche Lagerfläche und einen Abnehmer.
Der Angeklagte nahm daraufhin Kontakt mit O. auf, der an der Abnahme der Zigaretten interessiert war. Der Angeklagte, die Transporteure, O. und ein Partner von O. trafen sich an einer Raststätte. Das Geschäft kam zustande. Der Partner von O. dirigierte den Lastwagen mit den Zigaretten in eine Lagerhalle des O. Der Angeklagte erhielt für die Vermittlung des Geschäfts aus der Lieferung 1.500, mit logistischer Hilfe eines Partners von O. von ihm dann weiterverkaufte Stangen Zigaretten zu einem Vorzugspreis. Das Landgericht hatte hinsichtlich der gesamten Lieferung gewerbsmäßige Steuerhehlerei gemäß § 374 Abgabenordnung (AO) in Form von Absatzhilfe angenommen.
Der Angeklagte ging in Revision. Die Anwälte des Angeklagten begründeten die Revision wie folgt: Soweit der Angeklagte vor Übernahme der 1.500 Stangen gehandelt habe, seien die Zigaretten insgesamt noch nicht "zur Ruhe gekommen", die Steuerhinterziehung also noch nicht beendet gewesen. Daher könne er insoweit auch keine Steuerhehlerei begangen haben, es liege vielmehr Beihilfe zur Steuerhinterziehung vor.
Das sagt das Gericht
Der Bundesgerichtshof (BGH) verwarf die Revision. Es seien keine den Angeklagten belastende Rechtsfehler ersichtlich. Als der Angeklagte Kontakt mit O. aufgenommen habe, sei die Steuerhinterziehung zwar bereits vollendet, jedoch noch nicht beendet gewesen, weil die Zigaretten bereits im Inland, aber noch nicht "zur Ruhe gekommen" waren. Richtig sei, dass es unterschiedlich beurteilt werde, ob Steuerhehlerei nur nach Beendigung der Vortat begangen werden könne. Steuerhehlerei in Form der Absatzhilfe könne auch vor Beendigung der vorangegangenen Steuerhinterziehung begangen werden. Zwar entspreche es allgemeiner Auffassung, dass Sachhehlerei grundsätzlich eine abgeschlossene Vortat erfordere. Jedoch könne für Sachhehlerei sogar eine nur versuchte Tat als Vortat dann ausreichen, wenn diese den Vortäter bereits in den Besitz der Sache gebracht hat. Dieser Gesichtspunkt sei hier nicht einschlägig, weil die vorangegangene Steuerhinterziehung nicht unmittelbar an die rechtswidrige Erlangung von Sachherrschaft angeknüpft habe. Doch wenn sogar eine nur versuchte Vortat Grundlage der Sachhehlerei sein könne, zeige dies, dass nicht allein auf das formale Stadium der Vortat abzustellen sei, sondern dass auch die tatsächlichen Verhältnisse in den Blick zu nehmen seien. Gründe für die Annahme, dass dies nur für Sachhehlerei, aber nicht für Steuerhehlerei gelten würde, seien nicht ersichtlich (BGH, Urteil vom 09.02.2012, Az.: 1 StR 438/11).
Steuerhinterziehung und Steuerhehlerei fallen unter die Steuerstraftaten
Sowohl bei der Steuerhehlerei als auch bei der Steuerhinterziehung handelt es sich um sogenannte Steuerstraftaten, die im Regelfall mit einer Geldstrafe oder einer Freiheitsstrafe geahndet werden. Dazu zählen die folgenden Delikte:
- Steuerhinterziehung, § 370 AO (s. u.)
- Bannbruch, § 372 AO (verbotswidriger Im- -oder Export zollpflichtiger Gegenstände)
- Gewerbsmäßiger, gewaltsamer und bandenmäßiger Schmuggel, § 373 AO
- Steuerhehlerei, § 374 AO (s. u.)
- Wertzeichenfälschung, §§ 148, 149 StGB
§ 374 Steuerhehlerei
(1) Wer Erzeugnisse oder Waren, hinsichtlich deren Verbrauchsteuern oder Einfuhr- und Ausfuhrabgaben im Sinne des Artikels 4 Nr. 10 und 11 des Zollkodexes hinterzogen oder Bannbruch nach § 372 Abs. 2, § 373 begangen worden ist, ankauft oder sonst sich oder einem Dritten verschafft, sie absetzt oder abzusetzen hilft, um sich oder einen Dritten zu bereichern, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
…
§ 370 Steuerhinterziehung
(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer
1. den Finanzbehörden oder anderen Behörden über steuerlich erhebliche Tatsachen unrichtige oder unvollständige Angaben macht,
2. die Finanzbehörden pflichtwidrig über steuerlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis lässt oder
3. pflichtwidrig die Verwendung von Steuerzeichen oder Steuerstemplern unterlässt
und dadurch Steuern verkürzt oder für sich oder einen anderen nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt.
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