Schmerzensgeld – Beim Arzt ist Nichtbeachtung wissenschaftlicher Literatur grober Behandlungsfehler
Patientin leidet nach der Operation drei Tage an Übelkeit
Ein Arzt ist verpflichtet, sich auf seinem Fachgebiet regelmäßig weiterzubilden. Wissenschaftlich gesicherte Erkenntnisse, die in einer führenden Fachzeitschrift veröffentlicht werden, muss er zeitnah im Berufsalltag umsetzten. Versäumt er diese Pflicht, kann dies laut Oberlandesgericht (OLG) Koblenz zu einem groben Behandlungsfehler führen und einen Schmerzensgeldanspruch des Patienten auslösen. Im Ausgangsfall hatte sich die Klägerin im März 2005 in einem Krankenhaus einem gynäkologischen Eingriff unterziehen müssen. Vor der Operation hatte sie darauf hingewiesen, dass sie die üblichen Narkosemittel nicht vertrage. Infolge der Intubationsnarkose litt sie im Anschluss an die Operation drei Tage an heftiger Übelkeit mit Erbrechen. Wegen dieser und anderer Operationsfolgen klagte sie gegen das Krankenhaus und den operierenden Arzt auf Schmerzensgeld. Das Landgericht Mainz wies die Klage ab.
Grober Behandlungsfehler der Anästhesie festgestellt
Die Berufung der Klägerin gegen dieses Urteil hatte nur in einem Punkt Erfolg. Der Senat konnte weder einen Aufklärungsfehler noch einen Behandlungsfehler bei der konkreten Operation feststellen. Die Klage gegen den operierenden Arzt wurde daher auch abgewiesen. Die Richter führen in ihrer Entscheidung jedoch aus, die Anästhesie sei nicht mit der erforderlichen Sorgfalt durchgeführt worden, daher hafte das ebenfalls beklagte Krankenhaus auf Schmerzensgeld. Wegen der bekannten Überempfindlichkeit gegen die üblichen Narkosemittel hätte der Klägerin ein weiteres, die Übelkeit minderndes oder gar völlig unterdrückendes Medikament verabreicht werden müssen. Dass dieser Wirkstoff die Beschwerden lindere, sei mit wissenschaftlich gesicherten Erkenntnissen bereits im Jahre 2004 in einer anerkannten Fachzeitschrift veröffentlicht worden. Dem Anästhesisten hätte daher im März 2005 bekannt sein müssen, dass die Gabe eines dritten Medikaments erforderlich gewesen sei. Die Zeitspanne zwischen Publikation und Operation sei so lang, dass das Versäumnis als grober Behandlungsfehler zu werten sei (OLG Koblenz, Urteil vom 20.06.2012; Az: 5 U 1450/11).
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