BGH gewährt Schadenersatz wegen überlanger Verfahrensdauer nur bei Rechtsbeugung
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat aktuell über die Frage entschieden, unter welchen Voraussetzungen eine Amtshaftung des Staates für Richter wegen überlanger Verfahrensdauer eines Zivilprozesses besteht. Im Ausgangsfall ging es um eine Klage auf Werklohnforderung, die der Subunternehmer einer Baufirma 1984 gegen diese erhoben hatte. Der Rechtsstreit zog sich über viele Jahre hin. Ursache dafür war zum einen der Umstand, dass das Landgericht in dieser Sache zunächst ein Grundurteil erlassen hat, das mit Berufung und Revision angegriffen wurde. Zum anderen musste das Gericht in einem sich anschließenden Betragsverfahren zur Höhe des Vergütungsanspruchs umfänglich Beweis erheben. Auch gegen das daraus folgende Urteil hatten beide Parteien Berufung eingelegt. Während dieses Berufungsverfahrens geriet die Baufirma in Insolvenz. Der Kläger machte den diesbezüglichen Ausfallschaden daraufhin gegenüber dem Land NRW mit der Begründung geltend, die Gerichte hätten das Verfahren pflichtwidrig nicht ausreichend gefördert. Das Landgericht wies die Klage ab, das Oberlandesgericht verurteilte das Land zur Zahlung von über 530.000 €.
Der Bundesgerichtshof hob das Urteil auf und verweist die Sache an das Oberlandesgericht zurück. Das Land müsse zwar für etwaiges dienstliches Fehlverhalten der mit der Bearbeitung und Entscheidung befassten Berufsrichter haften. Dies betreffe auch den Fall einer zögerlichen Sachbearbeitung. Der Zeitfaktor sei aber auch bei langer Verfahrensdauer nicht der allein entscheidende Maßstab für die Prüfung einer Pflichtwidrigkeit. Die Anstellungskörperschaft könne wegen eines Fehlurteils nur dann auf Schadensersatz in Anspruch genommen werden, wenn dem Richter eine Rechtsbeugung anzulasten ist. Dies bedeute in der Praxis, dass eine Inanspruchnahme für Fehlurteile nahezu ausscheide. Das so genannte Richterspruchprivileg beziehe sich nicht nur auf die Mängel, die in dem Urteil selbst liegen oder die unmittelbar bei seinem Erlass begangen werden. Vielmehr erfasse es alle Maßnahmen, die objektiv darauf gerichtet sind, die Rechtssache durch Urteil zu entscheiden. Führe die Anordnung einer Beweisaufnahme oder die Erteilung von Hinweisen und Auflagen zu einer Verlängerung des Verfahrens, sei dies ohne Belang. Dies gelt auch, wenn nach Auffassung des zur Entscheidung des Amtshaftungsprozesses berufenen Gerichts die Beweisaufnahme oder der Hinweis bzw. die Auflage überflüssig gewesen sind und ein der Klage stattgebendes sowie einen Vollstreckungsschaden vermeidendes Urteil deshalb früher hätte ergehen können. Außerdem folge aus dem verfassungsrechtlichen Grundsatz der richterlichen Unabhängigkeit, dass richterliches Verhalten bei der Prozessführung im Amtshaftungsprozess generell nur auf seine Vertretbarkeit hin zu überprüfen ist (BGH, Urteil vom 04.11 2010; Az.: III ZR 32/10).
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