Kirchliche Kindergärtnerin darf wegen Mitgliedschaft in einer anderen Religionsgemeinschaft gekündigt werden
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat gestern entschieden, dass die Kündigung der bei der evangelischen Kirche angestellten Kindergärtnerin (Frau Siebenhaar) wegen Mitgliedschaft in anderer Religionsgemeinschaft gerechtfertigt war. Die Beschwerdeführerin arbeitete als Erzieherin in einem Kindergarten der Evangelischen Kirche in Pforzheim. Auf ihr Arbeitsverhältnis sind laut Arbeitsvertrag die Arbeitsrechtsregelungen für Mitarbeiter der evangelischen Landeskirche anwendbar. Diese enthalten u. a. eine Bestimmung, die den Mitarbeiter zu Loyalität gegenüber der evangelischen Kirche verpflichtet und eine Mitgliedschaft oder Mitarbeit in Organisationen untersagt, deren Grundauffassung oder Tätigkeit im Widerspruch zum Auftrag der Kirche stehen. Der Arbeitgeber wurde im Dezember 1998 anonym über die Mitgliedschaft der Beschäftigten in der Religionsgemeinschaft "Universale Kirche / Bruderschaft der Menschheit" informiert. Dort gebe sie Einführungskurse in deren Lehre. Nachdem der Arbeitgeber die Frau zu der Angelegenheit befragt hatte, kündigte er – mit Zustimmung der Mitarbeitervertretung – fristlos.
Das Arbeitsgericht wies die Beschwerde gegen die Kündigung zurück, das Landesarbeitsgericht gab ihr teilweise statt. Das BAG hob das Urteil wiederum auf. Es betonte in der Begründung vor allem, dass die Frau nicht nur Einführungskurs angeboten habe, sondern auch als Kontaktperson auf Anmeldeformularen für "Grundkurse für höheres geistiges Lernen" angegeben sei. Die evangelische Kirche habe als Arbeitgeber berechtigterweise davon ausgehen können, dass diese Aktivitäten die Arbeit im Kindergarten beeinträchtigen und die Glaubwürdigkeit der Kirche in Frage stellen würden. Eine daraufhin erhobene Verfassungsbeschwerde von Frau Siebenhaar wurde vom Bundesverfassungsgericht nicht zur Entscheidung angenommen. Die Arbeitnehmerin klagte bezüglich ihrer fristlose Kündigung 2002 beim EGMR und berief sich dabei insbesondere auf eine Verletzung der Religionsfreiheit im Sinne von Artikel 9 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK).
Der Gerichtshof entschied jetzt, dass keine Verletzung vorlag. Konkret gehe es um die Frage ob die von den deutschen Arbeitsgerichten vorgenommene Abwägung zwischen dem Recht der Beschäftigten auf Religionsfreiheit einerseits und den Konventionsrechten der evangelischen Kirche andererseits der Frau einen ausreichenden Kündigungsschutz gewährt hatte. Der Gerichtshof unterstrich, dass die Eigenständigkeit von Religionsgemeinschaften gegen unzulässige staatliche Einmischung nach Art. 9 EMRK i. V. m. Art. 11 EMRK (Vereinigungsfreiheit) geschützt ist. Mit seinen Arbeitsgerichten und einem für die Überprüfung von deren Entscheidungen zuständigen Verfassungsgericht erfülle Deutschland im Grundsatz die positive Verpflichtung des Staates gegenüber Klägern in arbeitsrechtlichen Streitfällen. Die deutschen Arbeitsgerichte hätten alle wesentlichen Gesichtspunkte des Falls berücksichtigt und eine sorgfältige Abwägung der Interessen vorgenommen, so die Richter. Nach Auffassung der Gerichte kam die Kündigung einer notwendigen Maßnahme gleich, um die Glaubwürdigkeit der Kirche zu wahren. Dieses Interesse habe schwerer gewogen als das rechtliche Interesse der Frau, ihre Stelle zu behalten. Die Tatsache, dass die urteilenden Gerichte den Interessen der evangelischen Kirche nach sorgfältiger Abwägung ein größeres Gewicht eingeräumt hatten, stehe nicht an sich in Konflikt mit der Konvention (EGMR, Urteil vom 03.02.2011; Az.: 18136/02).
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