Fristlose Kündigung wegen Gleichsetzung betrieblicher Zustände mit dem "Dritten Reich"
Nach einer gestern veröffentlichten Entscheidung des Hessischen Landesarbeitsgerichts (LAG) kann eine fristlose Kündigung gerechtfertigt sein, wenn ein Arbeitnehmer gegenüber seinem Arbeitgeber in öffentlicher Gerichtssitzung erklärt "er lüge wie gedruckt; wie er mit Menschen umgehe, da komme er sich vor wie im Dritten Reich“. Hintergrund war, dass ein 47- jährige Fahrer nach mehr als 30 -jähriger Beschäftigung gegen seinen Arbeitgeber wegen einer ihm ausgesprochenen Kündigung Klage erhoben hatte. Im Kammertermin vor dem Arbeitsgericht am 20.02.2007 äußerte er in Anwesenheit des Arbeitgebers und seiner Prozessbevollmächtigten: "Die Beklagte lügt wie gedruckt. Wie sie mit Menschen umgeht, da komme ich mir vor wie im Dritten Reich". Einer Aufforderung des Richters, den Saal zu verlassen oder sachlich weiter zu verhandeln, folgte der Mitarbeiter nicht. Der Arbeitgeber nahm die Äußerung zum Anlass, dem Mitarbeiter erneut fristlos zu kündigen. Das Arbeitsgericht hat die dagegen gerichtete Klage abgewiesen.
Die Berufung des Klägers hatte keinen Erfolg, die Kündigung sei wirksam. Grobe Beleidigungen des Arbeitgebers und/oder seiner Vertreter oder Repräsentanten könnten eine außerordentliche fristlose Kündigung an sich rechtfertigen. Das Grundrecht der Meinungsfreiheit müsse regelmäßig zurücktreten, wenn sich die Äußerungen als Angriff auf die Menschenwürde oder als eine Formalbeleidigung oder eine Schmähung darstellten. Der Vergleich betrieblicher Verhältnisse und Vorgehensweisen mit dem nationalsozialistischen Terrorsystem und erst recht mit den in Konzentrationslagern begangenen Verbrechen bilde in der Regel einen wichtigen Grund zur Kündigung. Die Gleichsetzung noch so umstrittener betrieblicher Vorgänge und der Vergleich des Arbeitgebers oder der für ihn handelnden Menschen mit dem vom Nationalsozialismus begangenen Verbrechen und den Menschen, die diese Verbrechen begingen, stelle eine grobe Beleidigung der damit angesprochenen Personen dar. Der gekündigte Mitarbeiter habe auch die Chance vertan, seine Schmähkritik auf Hinweis des Kammervorsitzenden umgehend oder wenigstens später zurückzunehmen. Für die Gesamtabwägung sei auch von Bedeutung gewesen, dass der Kläger bereits in einem früheren Rechtsstreit mit seinem Arbeitgeber im Jahre 2004 das Hessische Landesarbeitsgericht als „korrupt" beschimpft und es als "schlimmer als die Kommunisten" bezeichnet habe (Hessisches LAG, Urteil vom 14.09.2010; Az.: 3 Sa 243/10).
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