Karriere mit Charakter: Fasten Sie falsche Komplimente
Vorsicht vor dem Loben nach dem Gießkannenprinzip
Erinnern Sie sich noch an Ihr erstes Führungskräfte-Seminar? Lob und Anerkennung für den Mitarbeiter seien wichtig, hieß es da. Das stimmt - wie jeder aus eigener Anschauung weiß. Wenn Sie den Grundsatz vom Loben verinnerlicht haben, machen Sie also alles richtig? Oder spenden Sie inzwischen bereits warme Worte wie ein Seifenspender die Seife?
Mitarbeiter, Kollegen und Chefs werden inflationär mit lobenden Floskeln eingehüllt? Sicher protestiert keiner von ihnen. Dennoch lohnt sich der Gedanke: Wäre hier weniger mehr? Der Verzicht an dieser Stelle zeigt ein Handeln auf, das nicht zuletzt frischen Wind in die eigene Karriere bringt.
Gezielt statt pauschal loben
Wenn Sie einmal das alltägliche und allzu routinierte Lob hinterfragen: Könnte es sein, dass Sie mehr Masse als Klasse bieten? Dass Sie Anerkennung zollen, ohne genau hinzusehen, was gerade lobenswert ist?
Richtig fasten heißt einzusparen, was ohne echte Grundlage daher kommt. Das pauschale und nutzlose Lob erkennen Sie daran, dass es immer passt. Oder besser: Zu passen scheint. Denn der Adressat erkennt den Unterschied zwischen achtlos-dahingesagt und spezifisch leicht. Statt ein „gut, weiter so“ zu allem, sagen Sie künftig vielleicht: „Wie haben Sie das Problem xy in den Griff gekriegt? Finde ich gut, v.a. die Lösung mit yz.“ Der Mitarbeiter speichert künftig nicht mehr ab, dass Sie als Chef denken, mit einem Kompliment sei alles abgegolten. Sondern er hat den Eindruck: Der Chef interessiert sich (neuerdings?!) wirklich für meine Arbeit. Besser kann es gar nicht laufen – für Sie beide.
Charakter zeigen – auch gegenüber Chefs
Glauben Sie, dass Menschen, die ihren Vorgesetzten häufig Honig ums Maul schmieren, nach oben kommen? Ich weiß, dieser Gedanke ist verbreitet. Und kurzfristige Beobachtungen bestätigen ihn häufig. Die Karriereforschung hat allerdings belegt, dass Lobhudelei mittel- und langfristig nichts bringt. Wer an etwas glaubt und für etwas steht, kommt wirklich voran. Insofern prüfen Sie ruhig beherzt, welche routiniert-positive Geste gegenüber Ihren Chefs Sie einsparen können. Streichen Sie diese sodann aus Ihrem Verhaltens-Repertoire.
Vorsicht:
Verändern Sie bitte Ihr Verhalten nicht über Nacht. Nach dem Motto: „Der Herr Burger hat mir gesagt, es geht auch ohne Komplimente. Dann sag ich dem Alten jetzt auch nichts Positives mehr, der geht mir in letzter Zeit ohnehin auf die Nerven“. Ich übertreibe etwas, um deutlich zu machen: Ändern Sie Ihr Verhalten gegenüber den Vorgesetzten nie abrupt. Schon gar nicht in einem so heiklen Punkt. Nicht nur Sie, auch Ihr Chef muss sich an den „neuen“, weniger lobenden Mitarbeiter erst gewöhnen. Und die alten, falschen Komplimente ersetzen Sie – durch etwas Besseres.
Handeln statt Herumgerede
Das Ziel für die Kommunikation nach oben ist ähnlich, wie ich es für den Umgang mit den Mitarbeitern beschrieben habe. Sie beschäftigen sich gründlicher als bisher mit Ihrem Chef. Ziel: Herausfinden, was er gut macht und was ihm wichtig ist. Die Ergebnisse sortieren Sie dann aus. Wenn er Sie beispielsweise als Klagemauer am dringendsten braucht, gewähren sie ihm diese Dienstleistung. Aber beschränken Sie sie auf ein erträgliches und v.a. geringeres Maß als bisher. Ebenso verfahren Sie mit allen weiteren Funktionen, die eigentlich nichts mit dem Unternehmenszweck zu tun haben.
Alle Ihre Funktionen jedoch, die dem Unternehmenserfolg in direkter Linie dienen, unterstützen Sie künftig stärker. Sie ersetzen damit Worte („Oh du vorbildlicher Chef…“) durch Taten. Damit stärken Sie die Position Ihres Vorgesetzten innerhalb der Unternehmenshierarchie. Statt durch falsche Komplimente sprechen Sie durch hilfreiches Handeln zu Ihrem Chef.
Sorgen Sie für echte Komplimente
Bleibt ein letztes, wichtiges Handlungsfeld. Machen Sie Ihren eigenen, klaren Wunsch nach ehrlicher Kommunikation deutlich. Nein, Sie selbst wollen keine falschen Komplimente mehr erhalten. Weder von Mitarbeitern, die sich einen Karrierevorteil davon versprechen. Noch von Vorgesetzten, die meinen, mit ein paar netten Sätzen seien alle Überstunden abgegolten. Die Mitarbeiter sollen sich im Sinne des Unternehmenszwecks einsetzen. Und Ihr Chef soll Sie als Mensch mit Körper und Psyche und daher Erholungsbedürfnis respektieren und anständig bezahlen.
Wichtig ist: Die Umsetzung dieses Gedankens funktioniert nicht, indem Sie sich auf eine möglichst klare Zurückweisung freundlicher Worte vorbereiten. Stattdessen investieren Sie, indem Sie in einer ruhigen Stunde reflektieren: Worauf kommt es hier wirklich an? Um welche aktuellen Ziele geht es in meiner Abteilung? Damit meine ich nicht die dringenden, sondern die wichtigen Aufgaben.
Und gegenüber dem Chef: Wie sieht meine Arbeitsbilanz aus? Was will ich erreichen? Begreifen Sie Ihre persönliche Karriere unabhängig vom aktuellen Unternehmen. Wenn Sie keinen Wechsel brauchen und beim heutigen Arbeitgeber voran kommen können, wunderbar. Aber denken Sie eine mögliche – eigene – Kündigung immer als eine Option mit. Das macht klar, dass es um Sie, um Ihre persönlichen Ziele, um Ihr Leben, um Ihre Gesundheit und Balance geht. Durch diese Vorbereitung gestärkt, akzeptieren Sie künftig Komplimente Ihres Chefs als das, was sie sind: Ein wohl angenehmes, aber akustisches Phänomen. Und lassen Sie sich durch sie nicht davon ablenken, was Sie wirklich brauchen: Erstens echte Anerkennung für das, was Sie leisten. Zweitens die Möglichkeit das zu tun, was Sie am besten können. Und drittens Chancen für attraktive zukünftige Aufgaben.
Falsche Komplimente fasten bringt daher nur Vorteile: Einen ehrlichen Umgang miteinander, eine Fokussierung auf die gemeinsamen Ziele und größere Chancen für Ihre Karriere.
Hier finden Sie weitere Beiträge zu unserem Projekt Kurswechsel: Frischer Wind für Business und Karriere.
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