Change-Management: Die Klarheit des Wandels
Change Management: Je klarer, desto wirksamer
Leben heißt Wandel. Täglich stürmen Veränderungen auf uns ein, täglich wollen/müssen wir Ziele erreichen. Mergers und Reengineering, Change-Projekte und Marktoffensiven, neue IT, ehrgeizige Jahresziele, neuer Kollege, neue Aufgaben und Geschäftsfelder: Die einen reüssieren im Wandel und erreichen ihre Ziele, die anderen scheitern. Was macht den Unterschied?
Klarheit ist Wahrheit
Motivation, Commitment, Beharrlichkeit, Volition, Planung, Organisation, Dringlichkeit, kritische Masse – es gibt viele Parameter des Change Managements. Ein zentraler Parameter ist so trivial, dass er ständig unterschlagen (oder verdrängt?) wird: Klarheit, Orientierung. Wenn zum Beispiel zwei Drittel einer Abteilung die neue IT nicht annehmen und immer noch „schwarz“ mit dem alten System, mit Bypässen oder Handzetteln arbeiten – trotz aller Schulungen und Motivationsbemühungen – dann sind eben nicht Schulung und Motivation dran schuld, sondern die mangelnde Orientierung. Das sagen die noch unbeteiligten Betroffenen auch, wenn man ihnen unvoreingenommen zuhören würde.
Klar und schnell
Sie sagen: „Was soll denn das bringen? Das alte System war viel besser. Da arbeite ich mich dann drei Wochen ein und nächstes Quartal ist doch wieder alles anders. Und überhaupt: Dafür braucht man ja ein IT-Studium!“ Das sind alles implizite offene Fragen, die der zuständige Vorgesetzte nie umfassend geklärt hat. Er scheitert mit dem Wandel nicht, weil er inkompetent wäre, sondern weil er unklar ist. Er unterstellt in einer Stresssituation eine Ambiguitätstoleranz seiner Mitarbeiter, die es rein physiologisch nicht geben kann. Er sollte seinen Leuten Klarheit schenken. Warum tut er es nicht?
Unsicherer Chef, unsichere Mitarbeiter
Einfache Antwort: Weil er selber ohne Orientierung unterwegs ist. Auch seine Vorgesetzten lassen ihn im Nebel der Ungewissheit. Im BWL-Studium lernen wir, dass es Entscheidungen unter Unsicherheit gibt – das ist ein kognitives Konstrukt. Wie wir affektiv mit Unsicherheit umgehen, lehrt die Uni (noch) nicht. Das müssen wir von den Best in Class lernen, den Change-Genies. Zum Beispiel von der Abteilungsleiterin, die ihren Change-verunsicherten MitarbeiterInnen sagt: „Da müsst ihr euch jetzt zwei Wochen lang reinknien – aber danach laufen zwei Drittel eurer Arbeitsprozesse deutlich schneller und einfacher.“ Das ist klar kommuniziert in Aufwand und Nutzen. Klarer jedenfalls als die sowohl aufwandsindolente wie nutz(en)lose Ansage ihres Kollegen in seiner Abteilung: „Wir müssen die Arbeitsprozesse umkrempeln! Bis Monatsende muss das stehen!“ Warum bleibt dieser wenig change-kompetente Vorgesetzte so vage?
Unklarheit ist Angstsymptom
Weil er fürchtet, der Überbringer schlechter Nachrichten zu sein: „Die fangen doch an zu motzen, wenn ich denen sage, was das für einen Aufwand macht!“ Als ob „die” das nicht selber herausfinden würden! Deshalb machte Churchill das schlauer: „All I have to offer you is blood, sweat and tears.“ Schlechte Nachrichten sind schlecht – aber wenigstens klar. Unklare Ansagen sind bequemer – aber eben schlecht für den Erfolg. Im Wandel und bei der Verfolgung unserer Ziele haben wir ständig die Wahl zwischen Bequemlichkeit und Klarheit. Die Maxime für alle, die Klarheit wählen, lautet: Nicht schönreden! Bei den Fakten bleiben! In den sauren Apfel beißen! Was wählen Sie?
Und wenn es keine Klarheit gibt?
Dann schafft man welche. Genau das ist die Aufgabe eines Vorgesetzten, eines Change Agents oder jedes Menschen, der seine Neujahrsvorsätze umsetzen möchte: Man verschafft sich so viel Klarheit wie möglich, zum Beispiel durch Abklärung:
- Was kostet das?
- Was bringt es?
- Wieviel Zeit brauchen wir dafür?
- Welche Info?
- Welche Unterstützung?
- Woher holen?
- Welche Fähigkeiten fehlen uns noch?
Aber wirklich komplexe Vorhaben lassen sich eben nicht letztgültig klären? Doch, lassen sie.
Klar, dass das unklar ist
Wenn trotz aller Abklärung immer noch ein (großer) Rest Unsicherheit bleibt, können, nein müssen wir uns sagen: „Ich bin mir immer noch unsicher – aber wenigstens das ist sicher!“ Das ist paradox und trivial – aber es hilft! Weil es die diffuse unbewusste Unsicherheit ins Bewusstsein holt – und damit den Entscheider wieder entscheidungsfähig und handlungsmächtig macht: A oder B? Wenn ich mir trotz Analyse und Vorbereitung nicht sicher sein kann, ist eines so gut wie das andere – und ich verlasse mich auf mein Bauchgefühl.
Ex-post-Absicherung
Es gibt Sicherheit und Orientierung, wenn man sich sagen kann: Anderen in dieser unsicheren Situation geht es nicht anders. Ich bin zwar verunsichert, aber das ist völlig normal. Ich habe mein Bestes getan in Vorbereitung, Analyse, Informationsbeschaffung und Netzwerkbildung. Natürlich bin ich etwas überfordert, aber Abwarten wäre jetzt die schlechtere Option – so viel ist schon mal sicher. Diese Gedanken trösten und geben Sicherheit. Oder wie Cicero sagte: Vacare culpa magnum est solacium. Es ist ein großer Trost, frei zu sein von Schuld. Schuldfreiheit gibt in unsicheren Situationen mehr Sicherheit als eine Datensicherheit, die es in unsicheren Situationen ex definitionem nicht geben kann: „Ich habe alles getan!“ Das ist der größte Trost. „Und jetzt entscheide ich!“ Und schütze mich vor der zukünftig zu erwartenden Meckerei der Besserwisser: „Leute, jeder vernünftige Mensch hätte unter der damaligen Datenlage so entschieden.“
Klar ist sicher
Die größte Sicherheit in unsicheren Situationen verleiht der Action Bias, der besonders stark ausgeprägt ist bei vielen Unternehmern, Managern und Führungskräften. Wie der Entwicklungschef eines Mittelständlers einmal sagte: „Ich bin mir nicht sicher, ob wir unsere ehrgeizigen Entwicklungsziele dieses Jahr erreichen – aber Anpacken ist im Zweifelsfall immer besser als Abwarten.“ Soviel ist sicher.
Hier finden Sie weitere Beiträge zu unserem Projekt Kurswechsel: Frischer Wind für Business und Karriere.
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