Dem Geheimnis der Wohlgerüche auf der Spur
Nur wenige Unternehmen haben bislang ein unternehmenseigenes Duftkonzept entwickelt. Dabei lassen sich die Menschen durch gute Gerüche nicht nur betören, man kann durch sie auch das Arbeitsklima verbessern und die Kauflust schüren.
Meinen letzten Urlaub habe ich im Süden verbracht. Am Strand: überall Kinder, die Sandburgen bauten. Die Jungs bauten, na klar, Ritterburgen. Zwei Mädchen, so vier oder fünf, hatten eine sehr spezielle Konstruktion erschaffen. „Was ist das?”, fragte ich sie. „Ein Einkaufszentrum.” – „Und das hier, ist das die Zufahrtsstraße?”
„Nein, das ist der Catwalk, wo die Models die Mode vorführen.” – „Aha! Welche Geschäfte gibt es denn so in eurem Einkaufszentrum?” – „H & M, Zara, Benetton, Douglas, Starbucks, McDonalds …” – „Gibt es bei euch auch dieses Geschäft mit den halb nackten Jungs und der lauten Musik, in dem es so komisch riecht?” Mir fiel der Name nicht ein. „Hollister!“, kam es wie aus der Pistole geschossen.
Man kann den Geruch bei Hollister unangenehm finden und das Unternehmen für sein unethisches Verhalten rügen. Dennoch ist der Marke mit ihrem Duftmarketing eine einzigartige Positionierung gelungen. Nur wenige Unternehmen haben bislang ein unternehmenseigenes Duftkonzept (Corporate Scent) entwickelt. Dabei haben Duftkompositionen im Geschäft mit der Attraktivität eine lange Tradition.
Duftmanipulierer bei der Arbeit
Zu Zeiten der Ägypter trug man Duftkörbchen auf dem Kopf, deren Odeur sich durch die Körperwärme ausbreitete. Und bis vor gar nicht allzu langer Zeit ließen die Damen ihre körperbedufteten Spitzentaschentücher fallen, um dem Herrn ihrer Wahl ein Zeichen zu geben. So nutzten sie den größten Duftmanipulierer aller Zeiten: Mutter Natur.
Die Natur erzeugt Duftstoffe, über die Pflanzen, Tieren und auch Menschen auf biochemischem Weg miteinander kommunizieren. Manche Pheromone haben eine Alarm- oder Markierungsfunktion. Versammlungspheromone können Insekten zu einem interessanten Fressplatz lotsen.
Sexual-Pheromone sorgen dafür, dass es zwischen Geschlechtspartnern funkt. Und Pheromone, die über die Kopfhaut eines Babys ausströmen, sorgen für den Wunsch nach weiteren Kindern. Ist ja fürs Überleben auch besser, wenn man Geschwister hat.
Meister des süßen Dufts
Viele Essenzen sind nicht nur Verführer oder Stimmungsmacher, man sagt ihnen auch eine antiseptische, gesundheitsfördernde oder spirituell reinigende Wirkung nach. Von Aromatherapie wird dann gesprochen. Grundsätzlich löst jeder Geruch in uns Gefühle aus: Furcht, Ekel, Vorsicht, Zweifel, Entspannung, Frohsinn, Behagen, Verlangen. Nicht zuletzt ist ein gutes Raumklima essenziell für gute Arbeitsergebnisse – und dazu gehört eben auch Wohlgeruch.
Die Nase hat eine Standleitung ins Gehirn. Und sie schläft nie. Mit jedem Atemzug werden die in der Luft schwebenden Duftmoleküle aufgenommen und analysiert. Ist eine potenzielle Gefahr zu erkennen, schlägt unser Oberstübchen augenblicklich Alarm. So werden wir sofort unruhig, wenn wir Feuer riechen. Sogar Indizien für einige Krankheiten kann die Nase erschnüffeln.
Sie entscheidet auch maßgeblich darüber mit, ob uns jemand sympathisch oder unsympathisch ist. Und sie hilft uns bei der passenden Partnerwahl. „Den kann ich nicht riechen“, sagen wir etwa. Sogar die Empfängnis funktioniert über Duftkommunikation. Der Geruchsforscher Hanns Hatt fand heraus, dass die weibliche Eizelle einen zarten Maiglöckchenduft verströmt und so von den Spermien via Riechrezeptoren geortet werden kann. Auch Nivea-Produkte riechen interessanterweise nach Maiglöckchen.
Wie das Duftalphabet funktioniert
Wir riechen über Rezeptoren in der Nase, 350 an der Zahl. Im Vergleich zu vielen Tieren ist diese Ausstattung spärlich, doch sie scheint unserem Gehirn fürs Überleben zu reichen. „Anschaulich gesagt“, so Professor Hatt, „hat das Duftalphabet 350 Buchstaben – daraus können sie beinahe jedes beliebige Duftwort machen, ob als Parfümeur oder in der Natur.
Diese Duftwörter können allerdings auch nur zehn oder nur einen Buchstaben haben, wie zum Beispiel reines Vanillin. … Wenn ich einen Duft rieche, speichere ich mit der Duftkombination gleichzeitig meine momentane emotionale Situation ab, dazu Bilder, Töne und so weiter – all das wird als Paket abgespeichert. Und immer wenn ich mit einem Duft dieses Duftmuster auslöse und wieder erkenne, werden automatisch auch die anderen sinnlichen Eindrücke mit wachgerufen.
Jeder Mensch verbindet mit jedem Duft eine andere Erinnerung. So kann es sein, dass der eine Mensch beim Riechen eines Duftes Angst empfindet, weil er diesen Duft erstmals im Rahmen einer Angstsituation wahrgenommen hat, während ein anderer Mensch im Gegenteil Freude, Vertrauen, eine angstlösende Wirkung erfährt, weil er gegenteilige Erfahrungen mit diesem Duft verbindet.“
Experten für Duftkommunikation bei der Arbeit
Ein Paradebeispiel für multisensorische Kommunikation ist das Klimahaus in Bremerhaven. Es nimmt uns mit auf eine Reise rund um die Welt entlang des achten östlichen Längengrades und berichtet von Orten, die man auf dieser Reise berührt. Die insgesamt neun Reisestationen streifen acht Länder auf fünf verschiedenen Kontinenten.
Hierbei erhält der Besucher nicht nur Einblicke in das Leben und Arbeiten vor Ort, auch Temperatur und relative Luftfeuchtigkeit entsprechen den dargestellten Orten. In der Station Antarktis sind es klirrende minus sechs Grad. In der Station Kamerun hingegen schlägt einem tropische Hitze entgegen, während man bei Nacht durch einen afrikanischen Regenwald mit seinen exotischen Gerüchen und Geräuschen wandert.
Die Olfaktorik-Expertin Elke Kies erzählt: Bei diesem Projekt sollten wir nicht nur etwas Exotik in die Ausstellung bringen, sondern auch problematische Gerüche umsetzen. Die erste beduftete Station des Ausstellungsrundgangs ist die Schweiz. Hier war nach dem unweigerlichen Wiesengeruch auch ein „Kuhpups“ an einer Melkstation gefordert, also ein Güllegeruch im Nahbereich, nur für wenige Atemzüge wahrnehmbar. Dieser Geruch ist in vielen Regionen der Schweiz ganzjährig dominant. Eine 1:1-Umsetzung in der Ausstellung hätte wohl die Besucher zur Umkehr bewogen – aber die von uns gewählte Lösung war optimal.
Das Buch zum Artikel:
Touch. Point. Sieg.: Kommunikation in Zeiten der digitalen Transformation von Anne M. Schüller.
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