Faktorverfahren 2010 – Für welche Ehepaare sich die neue Steuerklasse tatsächlich lohnt
Das neue Faktorverfahren
Durch das Jahressteuergesetz 2009 wird ab 01.01.2010 auf Antrag ein neues Faktorverfahren für Ehepaare neben den Lohnsteuerklassenkombinationen IV/IV und III/V eingeführt.
Der Gesetzgeber beabsichtigt damit eine gerechtere Verteilung der Lohnsteuerabzüge und eine Verringerung der Hemmschwelle für die Aufnahme einer sozialversicherungspflichtigen Erwerbstätigkeit. Bei der klassischen Steuerklassenkombination III/V – die vor allem von Alleinverdiener-Ehepaaren gewählt wird – verhindert derzeit der hohe Lohnsteuerabzug beim Ehepartner mit der Steuerklasse V in der Regel die Aufnahme einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung. Das neue Faktorverfahren soll diesen Negativeffekt beseitigen.
So sah es bisher aus
Bislang konnten verheiratete Ehegatten bei unbeschränkter Steuerpflicht zwischen den Steuerklassenkombinationen IV/IV und III/V wählen. Das Einkommensteuergesetz sieht als Regelfall die Steuerklassenkombination IV/IV vor.
Wichtiger Hinweis
Die Steuerklasse IV ist im Grunde identisch mit der Steuerklasse I, die für ledige Arbeitnehmer gilt. Die Steuerklassenkombination IV/IV unterstellt beim Lohnsteuerabzug, dass die Bruttoarbeitslöhne beider Ehegatten nahezu dieselbe Höhe haben. Die Kombination III/V kann dagegen auf Antrag gewählt werden. Dabei darf derjenige Ehegatte, der sich nicht in Steuerklasse III befindet, entweder keinen Arbeitslohn beziehen oder es muss gleichzeitig bei ihm auf der Lohnsteuerkarte die Steuerklasse V eingetragen sein.
Bei der Kombination III/V wird beim Lohnsteuerabzug von einem Verhältnis der Bruttoarbeitslöhne in Höhe von 60 zu 40 ausgegangen. Der gemeinsame Lohnsteuerabzug soll diesbezüglich ungefähr identisch mit der Jahreseinkommensteuer beider Ehepartner sein.
Wichtiger Hinweis
Eine Steuerklassenwahl III/V ist daher immer bei einem Einkommensverhältnis von 60/40 zu empfehlen.
Dies gilt allerdings nur unterjährig für den Lohnsteuerabzug. Da bei der Entscheidung für die Klassen III/V gleichzeitig die Pflicht zur Abgabe einer Einkommensteuererklärung für das Jahr, für das die Steuerklassenkombination gewählt worden ist, entsteht, gleicht sich der Vorteil des niedrigeren Lohnsteuerabzugs beim Höherverdienenden mit der Veranlagung zur Einkommensteuer wieder aus – hier kommt es nämlich in der Regel zu einer Nachzahlung..
Das Faktorverfahren im Einzelnen
Seit Anfang 2010 kann jetzt das neue Faktorverfahren neben den bisherigen Alternativen gewählt werden. Dabei wird in der Regel von der Wahl IV/IV ausgegangen. Es wird ein Faktor errechnet, der auf die nach Steuerklasse IV ermittelten Lohnsteuerabzugsbeträge als Multiplikator anzuwenden ist. Die Steuerklassenkombination heißt dann IV Faktor/IV Faktor.
Der Faktor wird durch die Formel Faktor = Y : X vom Finanzamt mit drei Nachkommastellen ermittelt. Dabei entspricht
- Y der voraussichtlichen Jahreseinkommensteuer für beide Ehegatten und
- X der Jahressumme der voraussichtlichen Lohnsteuer bei Anwendung der Steuerklasse IV für jeden Ehegatten.
Beim Faktorverfahren werden die sich im Rahmen des Lohnsteuerermäßigungsverfahrens ergebenden Freibeträge bei der Ermittlung der voraussichtlichen Jahreseinkommensteuer (Y) berücksichtigt.
Aufpassen
Durch die Wahl des Faktorverfahrens entsteht auch hier eine Pflicht zur Abgabe der Einkommensteuerklärung.
Bei Anwendung der Steuerklasse IV im Lohnsteuerabzugsverfahren für beide Arbeitnehmer-Ehegatten wird der Steuervorteil des Ehegattensplittings noch nicht berücksichtigt – dieser findet durch den Faktor Anwendung. Das Faktorverfahren führt somit im Ergebnis zu einer Aufteilung des Lohnsteuerabzugsbetrags, wie es sich bei der getrennten Veranlagung ergeben würde.
Faktorverfahren hat Einfluss auf Kirchensteuer und Solidaritätszuschlag
Die aufgrund des Faktorverfahrens ermittelte Steuer dient auch als Bemessungsgrundlage für den „Soli“ und die Kirchensteuer. Bei Arbeitnehmern mit Kindern wird die Grundlage unter Berücksichtigung des Kinderfreibetrags und des Freibetrags für Betreuungs-, Erziehungs- und Ausbildungsbedarf errechnet. Erst dann wird der Faktor angewandt und damit die Bemessungsgrundlage für die Kirchensteuer und den Solidaritätszuschlag festgestellt
Wichtig – Freibeträge dürfen nicht mehr eingetragen werden
Beim normalen Lohnsteuerermäßigungsverfahren können sich Arbeitnehmer – wenn die Voraussetzungen vorliegen – auf ihrer Lohnsteuerkarte zusätzliche Freibeträge wie z.B. über dem Pauschbetrag liegende Werbungskosten eintragen lassen. Der Eintrag der Freibeträge ist beim Faktorverfahren ausgeschlossen. Dies gilt zumindest für den Zeitraum, für den das Faktorverfahren gewählt wird. Die Freibeträge werden allerdings bei der Ermittlung des Werts Y zur Faktorberechnung berücksichtigt und fließen auf diesem Weg in die Lohnsteuerabzugsberechnung ein.
Aufpassen
Wurde ein Freibetrag auf der Lohnsteuerkarte mit Steuerklasse VI (Arbeitslohn aus mehreren Dienstverhältnissen) eingetragen. da für den voraussichtlichen Arbeitslohn aus dem ersten Arbeitsverhältnis noch keine Lohnsteuer anfällt, kann dieser allerdings beibehalten werden. Der sich entsprechend ergebende Hinzurechnungsbetrag bleibt aber auch beim Faktorverfahren erhalten. Er wirkt daher auf die Berechnung des Faktors aus und muss auf der Lohnsteuerkarte für das erste Dienstverhältnis eingetragen und vom Arbeitgeber entsprechend berücksichtigt werden.
Antragstellung und Verfahren – So geht’s
Nach Ausstellung der Lohnsteuerkarten durch die Gemeinden im Oktober 2009 für das Jahr 2010 hatten Ehegatten die Möglichkeit, bis zum 31.12.2009 die Steuerklassenkombination IV Faktor/IV Faktor zu beantragen. Ein derartiger Antrag kann aber auch im laufenden Jahr 2010 erfolgen – spätestens bis zum 30.11.2010. Die Änderung wird mit Beginn des auf die Antragstellung folgenden Kalendermonats wirksam. Erlaubt ist ein Wechsel pro Kalenderjahr.
Das Faktorverfahren wird auf Antrag angewandt, wenn
- die Voraussetzungen für die Steuerklassen IV/IV oder III/V vorliegen und
- beide Ehepartner Arbeitslohn bezogen haben.
Tipp
Hat einer der Ehegatten nur in einem Teil des Kalenderjahres Arbeitslohn bezogen, ist die Option auch nur für diesen Zeitraum möglich.
Der Antrag ist beim Wohnsitzfinanzamt von beiden Ehegatten gemeinsam zu stellen. Eine Beantragung ist grundsätzlich formlos möglich (Ausnahme: Bei der Faktorermittlung sollen zugleich die im Rahmen des Lohnsteuerermäßigungsverfahrens ermittelten Freibeträge berücksichtigt werden).
Bei der Antragstellung müssen die Ehepartner die für die Berechnung erforderlichen Daten angeben. Dies betrifft vor allem eine Schätzung der voraussichtlichen Jahresbruttoarbeitslöhne aus den jeweils ersten Arbeitsverhältnissen – hier kann das Finanzamt allerdings ggf. Nachweise fordern. Gleichzeitig müssen die beiden jeweils ersten Lohnsteuerkarten vorgelegt werden.
Arbeitgeber muss Faktor berücksichtigen
Arbeitgeber müssen den auf der Lohnsteuerkarte eingetragenen Faktor in Kombination mit der Steuerklasse IV entsprechend anwenden und im Lohnkonto aufzeichnen.
In welchen Fällen das Faktorverfahren vorteilhaft ist
Grundsätzlich gilt, dass die Steuerklassenwahl III/V immer dann zu einem insgesamt geringeren Lohnsteuerabzug führt, wenn
- die Einkommensdifferenz mindestens 60 zu 40 beträgt oder
- größer ist.
Der Vorteil gilt allerdings nur unterjährig. Aufgrund der Pflichtveranlagung zur Einkommensteuer – also der Einkommensteuererklärung - kann es nämlich nach der Abgabe der Steuererklärung zu Nachzahlungsforderungen des Finanzamts kommen. So gesehen gewährt Ihnen das Finanzamt bei III/V über das Kalenderjahr gesehen einen zinslosen Kredit und schont so Ihre Liquidität. Anders sieht die Sache aus, wenn Sie einen Rückforderungsanspruch besitzen - hier haben Sie dem Fiskus einen zinslosen Kredit eingeräumt.
Faktorverfahren vermeidet Nachzahlungen
Beim Faktorverfahren entspricht der Lohnsteuerabzug in der Regel annähernd der Jahreseinkommensteuer. Wenn Sie also Nachzahlungen vermeiden wollen, sollten Sie ab einem Einkommensverhältnis von 60 zu 40 das Faktorverfahren wählen.
IV/IV kann immer noch interessant sein
Bei einem Einkommensverhältnis unterhalb des Verhältnisses 60 zu 40 sollten Sie weiterhin die IV/IV –Kombination wählen. Berücksichtigen Sie dabei, dass der Faktor (Y:X) unterhalb eines Einkommensverhältnisses 60 zu 40 meist nahe 1 ausfallen wird. Daher kann auch in diesen Fällen das Faktorverfahren eine sinnvolle Alternative darstellen. Die Vorteile des Splittingtarifs werden hier nämlich bereits beim monatlichen Lohnsteuerabzug und nicht erst im Rahmen der Jahreseinkommensteuererklärung berücksichtigt.
Übersicht: Diese Vorteile hat das Faktorverfahren
- Die jedem Ehegatten zustehenden steuerentlastenden Abzüge (insbesondere der Grundfreibetrag) werden bereits beim Lohnsteuerabzug berücksichtigt.
- Die Lohnsteuerverteilung entspricht der familienrechtlichen Verteilung der Steuerlast im Innenverhältnis der Ehegatten.
- Mit der Wahl des Faktorverfahrens können hohe Nachzahlungen (und ggf. auch Einkommensteuer-Vorauszahlungen) vermieden werden, die bei der Steuerklassenkombination III/V auftreten können.
- Der Antrag kann beim Finanzamt formlos (Vorlage der jeweils ersten Lohnsteuerkarte der Arbeitnehmer-Ehegatten) oder in Verbindung mit dem förmlichen Antrag auf Eintragung eines Freibetrags gestellt werden.
Sie können das Faktorverfahren selbst berechnen
Ob sich das neue Faktorverfahren für Sie lohnt, können Sie im Internet jetzt selbst nachrechnen. Das Bundesministerium der Finanzen und die obersten Finanzbehörden der Länder stellen jetzt auch eine Berechnungsmöglichkeit für den Faktor bereit. So ist es möglich, die steuerlichen Auswirkungen der jeweiligen Steuerklassenkombination zu vergleichen. Hier geht’s zum Online-Rechner!
Wichtiger Hinweis
Die gemachten Hinweise und Empfehlungen können verständlicherweise nur pauschal gegeben werden. Jede individuelle Besonderheit beim Steuerzahler kann ggf. zu anderen Ergebnissen führen.
- Kommentieren
- 14007 Aufrufe