Großhirn an Bord - das Erfolgsrezept bei Konflikten
Diesen Artikel gibt es übrigens auch als Podcast. Klicken Sie einfach auf den Kopfhörer.
„Wer keine Hitze verträgt, hat in der Küche nichts verloren“, dieses Rezept soll der 33. amerikanische Präsident Harry Trumann mal empfohlen haben. Und in der Tat: in deutschen Küchen geht es hitzig zu. Zwischen Pfannen, Töpfen und Kasserollen wird immer noch ein ausnehmend rüder Umgangston gepflegt. Der Erfolg dieses Modells ist überschaubar. Die Branche sucht händeringend Jungköche, die den Brei verderben könnten, aber wird nur selten fündig.
Die Grundzutat heißt Gelassenheit
Erfolgsrezepte mag es in deutschen Küchen also ganz sicher einige zu finden geben, aber eher für Lachstatar und Lammhaschee, und eindeutig weniger für sinnvolle, heißt zielführende Kommunikation im Konfliktfall. Das Anbrüllen von Azubis, Mitarbeitern und sonst wie vermeintlich Minderbemittelten ist in der normalen Geschäftswelt schon länger nicht mehr en vogue. Da werden wir unser Erfolgsrezept für konfliktlösende Kommunikation schon selber zusammenstellen müssen.
Als Grundzutat braucht es vor allem eines: Gelassenheit. Bevor ich Ihnen Tipps gebe, wie man gelassen bleibt, auch wenn man am liebsten aus der Haut fahren möchte, ein paar Erklärungen vorneweg, was mit Ihnen passiert, wenn Sie den Emotionen im Konfliktfall freien Lauf lassen. Dazu müssen wir einen Umweg über das Krokodil nehmen.
© Sandra Schulze
Was wir mit den Krokodilen gemeinsam haben
Aus evolutionärer Sicht sind Krokodile ein absolutes Erfolgsmodell. Es atmet, isst, trinkt, schläft und hat Sex – und das seit 250 Millionen Jahren. Die Basisfunktionen laufen störungsfrei und mit hoher Zuverlässigkeit.
Verantwortlich dafür ist das Stammhirn des Krokodils, das auf bestimmte Reize bestimmte Verhaltensroutinen einleitet. Neben dem Stammhirn bleibt im spitzen Schädel eines Krokos kaum mehr Platz für etwas anderes. Weswegen es auch ziemlich wenig Spaß macht, sich mit Krokodilen über den letzten Leitartikel im Feuilleton der FAZ zu unterhalten.
Falls Sie jetzt entgeistert den Kopf schütteln und meinen, dass wir doch längst über das Krokodil hinaus sind – ach, dann machen Sie einfach eine langes, langes Meeting ohne Getränke, Pausen und Essen. Damit können Sie die Krokodile an den Besprechungstisch locken und deren Gedanken drehen sich nur noch darum, wann es endlich etwas zu essen gibt. Denn auch beim modernen Menschen hat das Stammhirn seine Berechtigung. Irgendjemand muss ja dafür sorgen, dass wir vor lauter Nachdenken nicht das Atmen, Essen und Schlafen vergessen. So weit, so gut.
Moderner Alltag, steinzeitliche Reaktionen
© Sandra Schulze |
Evolutionär später kamen dann die Säugetiere und unsere Steinzeitvorfahren und mit ihnen das limbische System – der Gefühlsknaller, bei dem es um sämtliche Emotionen geht, die das Leben so zu bieten hat. Eine Art Notfallsystem in unserem Gehirn, das immer dann einspringt, wenn wir uns bedroht fühlen. Das Limbische System ist ein eher rauer Geselle: Fliehen, Angreifen oder tot stellen sind seine Mittel, Konflikten zu begegnen. Und keines davon steht im aktuellen Managementhandbuch „Konflikte lösen leicht gemacht“.
Flucht, Angriff und Starre sind großartige Mechanismen, wenn es darum geht, einer Herde wütender Wollnashörner zu begegnen. Aber ein ziemlich fürchterlicher Umstand, wenn ein Steinzeitmensch gerade Verhandlungen mit einem Zulieferer führt, den Betriebsrat auf der Matte stehen hat oder einen unzufriedenen Kunden am liebsten ungespitzt in den Boden rammen möchte. |
Das mag sich alles recht theoretisch und abgehoben anhören, aber Fakt ist, Sie alle haben in Ihrem Arbeitsleben schon mal limbische Steinzeitsysteme in voller Ausprägung erlebt. Am offensichtlichsten ist das, wenn es zu Brüllattacken kommt und zwei sich zornesrot die Meinung geigen. Da bekriegen sich dann die vermeintlich so zivilisierten Anzugträger im Steinzeitmodus „Angriff“. Das limbische System lässt grüßen.
Kommandozentrale oder Spaziergang
Gerät der Mensch in eine existentielle Notsituation, wirft unser limbisches System alle Höflichkeit über Bord, schickt das Großhirn spazieren und übernimmt das Kommando.
© Sandra Schulze
Und das ist für wirklich lebensbedrohliche Situationen hervorragend, damit hat das limbische System unsere Gattung vom Aussterben bewahrt. Aber Wollnashörner sind ausgestorben und wir reagieren in den meisten Fällen – wo es eben nicht um’s Überleben geht – immer noch so wie die Steinzeitmenschen. Egal ob wir das laut mit Anbrüllen oder ganz leise tun. Der Mitarbeiter, der ein kritisches Gespräch ohne Regung hinter sich bringt, hat sein Großhirn mit einiger Wahrscheinlichkeit spazieren geschickt. Nur, dass er die Variante tot stellen bevorzugt, um sich der aus seiner Sicht bedrohlichen Situation zu entziehen. Das ist aber nicht nur für ihn ein Problem, sondern auch für Sie. Denn Sie wollen wissen, was in der Abteilung schief läuft, und nicht nur einen großhirn- und stimmlosen Vor-sich-hin-Starrer vor sich sitzen haben. Dass der moderne Mensch des Großraumbüros in längst überholt geglaubte Verhaltensweisen zurückfällt, kommt häufiger vor, als man sich das vorstellen mag. Auf manchen Firmenfluren wimmelt es nur so von spazieren gehenden Großhirnen, die darauf warten, dass ihre Chefs im Meeting nicht mehr ums Überleben kämpfen.
Humor, die besondere Zutat für das Erfolgsrezept
Wenn Sie sich jetzt fragen, wie verhindert man, dass bei Konflikten die Großhirne spazieren gehen und wir einen Blackout haben, kann ich Sie beruhigen - es gibt Abhilfe. Der Punkt, an dem es anzusetzen gilt, ist das limbische System. Das entscheidet im menschlichen Hirn darüber, ob wir uns bedroht fühlen oder nicht. Unglücklicherweise ist das limbische System recht empfindlich eingestellt. Das heißt, es löst Großalarm in Situationen aus, die unangenehm sein mögen, aber niemals Existenz bedrohend. Dann reagieren wir mit Steinzeitmethoden auf moderne Bürokonflikte. Ziel führend ist das nicht.
Angst macht dumm
Wir brauchen im Arbeitsleben weniger den Steinzeitkämpfer, sondern vielmehr unser Großhirn zum Planen, Verhandeln und Denken. Im Großhirn sind alle kreativen Lösungen zum Konflikt lösen gespeichert, unser Wissen und unsere Erfahrung. Bei Konflikten sind Wut und Aggression keine Hilfe, denn Angst macht dumm.
Also müssen wir unserem limbischen System in kritischen Situationen signalisieren, dass es gerade nicht um Leben und Tod geht. Humor ist hier die erste Wahl! Wem es gelingt, sich selbst nicht zu wichtig zu nehmen, und eine liebevolle Selbstironie zu pflegen, der kann sich selbst Fehler verzeihen und der verträgt auch fremde Angriffe leichter. Und ist mit dem gesamten Großhirn einfach auch klüger.
Humor-Stolperer helfen im Alltag
Ein innerlich geseufztes „Niemand erkennt mein Genie“ lässt einen Schmunzeln, wenn man mal wieder drauf und dran ist, sich über die Unverschämtheiten des Gegenüber zu echauffieren. Wir brauchen Humor-Stolperer im Alltag, um uns in den kritischen Situationen immer wieder zu erinnern und mit einem Schmunzeln wuttechnisch unser limbisches System herunterzufahren.
© Jochen Wieland |
Ein Button mit der Aufschrift „Niemand erkennt mein Genie“, innen am Aufschlag des Sakko angebracht, kann da schon Wunder wirken. Schmunzeln oder ein innerliches Lächeln in einer als gefährlich empfundenen Situation ist wie eine entspannende Massage für das limbische System Es signalisiert, dass da draußen kein Wollnashorn herandonnert. Wer schmunzelt, fürchtet nicht gerade um sein Leben. |
Ein solcher Humor-Stolperer kann alles sein, was Sie selbst im schlimmsten Ärger zu einem Lächeln bringt. Mein Stolperer in Konfliktsituationen ist ein kitschiges Faschingsdiadem.
Das setze ich mir immer dann auf den Kopf, wenn ich glaube, dass es die Welt mal wieder ganz gemein mit mir meint und mein Genie nicht erkennt. Und, glauben Sie mir, es ist ziemlich schwierig, mit einem derart lächerlichen Teil auf dem Kopf ernsthaft sauer zu sein. Inzwischen liegt das Diadem in meinem Büroregal und schon ein Blick genügt, um den aufkeimenden Ärger zu mäßigen. |
© Sandra Schulze |
Ich lächle und schüttle mich einmal, anstatt mich aufzuregen. Und da kommt auch schon mein Großhirn angelaufen und löst mit mir den Konflikt. Gelassenheit und ein entspanntes limbisches System sind DIE Grundzutaten für das Erfolgsrezept zum Lösen von Konflikten.
Hier finden Sie weitere Beiträge zu unserem diesjährigen Projekt Erfolgsrezepte.
- Kommentieren
- 11592 Aufrufe