Erbenhaftung: So haften Erben für Nachlassverbindlichkeiten
Nicht jeder Erbfall ist ein Volltreffer: So haften Erben für Nachlassverbindlichkeiten
Erben kann reich machen. 2011 vermachten Verstorbene in Deutschland ihren Hinterbliebenen, Freunden und Bekannten ein Vermögen in Höhe von insgesamt rund 211 Milliarden €. Einer aktuellen Studie zufolge werden bis zum Jahr 2020 2,6 Billionen € an die „Generation Erben“ vererbt.
Doch diese Zahlen täuschen, denn viele der Erben werden wenig erhalten und wenige Erben werden viel erhalten. Manche werden sogar überhaupt nichts bekommen – außer Schulden. Nicht jede Erbschaft bringt dem Erben also einen uneingeschränkten finanziellen Vorteil in Form eines Vermögenszuwachses. Unzählige Erblasser hinterlassen ihren Erben hohe Verbindlichkeiten – mit fatalen Folgen. War der Erblasser nämlich überschuldet, so haftet grundsätzlich der Erbe – auch mit seinem Privatvermögen - für die Schulden. Dieser Rechtsfolge kann sich der Erbe jedoch entziehen, denn das Gesetz eröffnet ihm für den Fall, dass die Nachlassverbindlichkeiten den Wert des Erbes übersteigen, genügend Möglichkeiten, der unbeschränkten Haftung mit dem eigenen Vermögen zu entgehen.
Vermögen des Erblassers geht im Erbfall als Ganzes auf den Erben über
Im Erbfall geht das gesamte Vermögen des Erblassers gemäß § 1922 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) im Wege der Universalsukzession (§ 1967 BGB) auf den oder die Erben über. Der Übergang als Ganzes erfasst auch die Nachlassverbindlichkeiten, d. h. geerbt werden nicht nur das Vermögen, sondern auch die Schulden des Erblassers. Der Erbe tritt in die Schuldnerstellung des Erblassers. § 1967 BGB bekräftigt die Haftung des Erben. Danach haftet der Erbe für die Nachlassverbindlichkeiten unbeschränkt und auch mit seinem eigenen Vermögen (unbeschränkte Erbenhaftung).
Zu den Nachlassverbindlichkeiten zählen zunächst die sogenannten Erblasserschulden. Darunter sind vertragliche oder gesetzliche Verbindlichkeiten zu verstehen, die der Erblasser noch zu Lebzeiten eingegangen ist. Davon zu unterschieden sind die sogenannten Erbfallschulden. Dabei handelt es sich um Verbindlichkeiten, die mit dem Erbfall entstehen, z. B. im Testament angeordnete Vermächtnisse oder Auflagen, die der Erbe zu erfüllen hat.
In zwei Fällen (siehe unten) ist die Erbenhaftung auf den Nachlass beschränkt (beschränkte Erbenhaftung):
- Vor Annahme der Erbschaft, weil es sich zu diesem Zeitpunkt bei dem Vermögen des Erben und dem Nachlass noch um getrennte Vermögensmassen handelt.
- Nach Annahme der Erbschaft im Falle der Anordnung von Nachlassverwaltung oder bei der Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens
Bei hohen Nachlassverbindlichkeiten gilt: Letzte Ausfahrt Ausschlagung
Ist der Nachlass überschuldet, so besteht für den Erben gemäß §§ 1943, 1944 BGB die Möglichkeit, die Erbschaft binnen einer Frist von sechs Wochen auszuschlagen. Die Ausschlagung ist formbedürftig, d. h. der Erbe ist verpflichtet, die Erklärung der Ausschlagung entweder beim Nachlassgericht zu Protokoll oder in öffentlich beglaubigter Form abzugeben.
Wichtiger Hinweis
Sowohl die Annahme als auch die Ausschlagung einer Erbschaft können nicht auf einen Teil der Erbschaft beschränkt werden und nicht unter einer Bedingung erfolgen.
Schlägt der Erbe die Erbschaft aus, so gilt er als von Anfang an als Nichterbe, sodass auch kein Grund für eine Haftung besteht. Beachten Sie, dass nach Ablauf der sechswöchigen Frist nach § 1944 Abs. 1 BGB die Erbschaft grundsätzlich als angenommen gilt.
Annahme der Erbschaft schließt Haftungsbeschränkung nicht aus
Auch nach der Annahme der Erbschaft besteht für den Erben noch die Möglichkeit, die Erbenhaftung zu beschränken. Nach Erheben der sogenannten Dreimonatseinrede im Sinne des § 2014 BGB ist er berechtigt, die Befriedigung von Nachlassverbindlichkeiten für einen Zeitraum von bis zu drei Monaten nach Annahme der Erbschaft zu verweigern. Während dieser Zeit hat der Erbe die Möglichkeit, sich in Ruhe einen sorgfältigen Überblick über den Nachlass zu verschaffen. Ergibt die Prüfung eine Überschuldung des Nachlasses, so kann der Erbe seine Haftung auf den übernommenen Nachlass beschränken.
Praxis-Tipp
Eine dauerhafte Haftungsbeschränkung auf den Nachlass und damit den Schutz des eigenen Vermögens kann der Erbe außerdem herbeiführen, indem er beim Nachlassgericht eine Nachlassverwaltung beantragt. Mit diesem Schritt verliert der Erbe zwar die Verfügungsbefugnis über das Vermögen des Erblassers, begrenzt aber zugleich seine Haftung auf die Höhe des Nachlasses und muss sich nicht mehr mit den Verbindlichkeiten des Erblassers auseinandersetzen. Diese Aufgabe übernimmt dann der Nachlassverwalter, der dafür sorgt, dass die Gläubiger zu ihrem Geld kommen. Sollte nach Tilgung sämtlicher Schulden Vermögen übrig sein, so erhält der Erbe die Summe vom Nachlassverwalter ausbezahlt.
Überschuldeter Nachlass zwingt zum Nachlassinsolvenzverfahren
Gelangt der Erbe zu dem Schluss, dass der Nachlass überschuldet ist, so muss er unverzüglich beim zuständigen Amtsgericht (Wohnsitz des Erblassers) die Durchführung eines Nachlassinsolvenzverfahrens beantragen. Nur auf diese Weise ist sichergestellt, dass er für die Verbindlichkeiten des Erblassers nicht mit seinem eigenen Vermögen haften muss. Die Verpflichtung hinsichtlich der Antragstellung besteht im Übrigen auch für den Fall, dass der Erbe die Überschuldung des Nachlasses lediglich vermutet. Verletzt er diese Pflicht, so ist er den Gläubigern für den daraus entstehenden Schaden verantwortlich und haftet mit dem eigenen Vermögen. Sofern das Nachlassinsolvenzverfahren mangels ausreichenden Vermögens abgelehnt wird, bleibt dem Erben die Dürftigkeitseinrede.
Dürftigkeitseinrede und Aufgebotsverfahren beschränken Erbenhaftung
Sind die Nachlassverbindlichkeiten so hoch, dass die Aktiva die Kosten der gerichtlichen Nachlassverwaltung oder des Nachlassinsolvenzverfahrens nicht decken, so kann der Erbe gegenüber den Nachlassgläubigern die sogenannte Dürftigkeitseinrede gemäß § 1990 BGB geltend machen und dadurch die Haftung auf den Nachlass beschränken.
Eine weitere Option der Haftungsbeschränkung ist das sogenannte Aufgebotsverfahren. Es bietet dem Erben die Möglichkeit, die Nachlassgläubiger zur Anmeldung ihrer Forderungen aufzufordern. Auf diesem Weg kann man sich in jedem Fall einen Überblick über die Frage einer möglichen Überschuldung des Nachlasses verschaffen. Gegenüber Nachlassgläubigern, die sich in diesem Aufgebotsverfahren mit ihren Forderungen nicht gemeldet haben und die durch gerichtliches Urteil ausgeschlossen wurden, kann der Erbe seine Haftung auf den übernommenen Nachlass beschränken.
Erben haften nur beschränkt für Mietforderungen des Erblassers
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat die Rechte von Erben gestärkt. Die Bundesrichter entschieden, dass vererbtes Vermögen für die Begleichung offener Mieten ausreichen muss. Die Haftung auf den Nachlass lässt sich ebenfalls beschränken.
Der Fall
Der Vater der Beklagten war Mieter einer Wohnung in Nürnberg. Er verstarb im Oktober 2008. Der Kläger macht aus abgetretenem Recht der Vermieterin gegen die Beklagte als Erbin ihres Vaters Ansprüche aus dem zum 31.01.2009 beendeten Mietverhältnis geltend. Er verlangte Zahlung der Miete für die Monate November 2008 bis Januar 2009 sowie Schadenersatz wegen unvollständiger Räumung, nicht durchgeführter Schönheitsreparaturen und Beschädigung der Mietsache, insgesamt rund 7.700 € nebst Zinsen und vorgerichtlichen Anwaltskosten. Da der Nachlass des Verstorbenen wertlos war, weigerte sich die Beklagte, der Forderung des Klägers nachzukommen und erhob die Dürftigkeitseinrede nach § 1990 Abs. 1 Satz 1 BGB.
Das sagt das Gericht
Mit Erfolg. Die Bundesrichter wiesen die Klage ab. Werde eine Wohnung vom Erben fristgerecht gekündigt, so zählten auch die Mieten, die nach dem Tod des Mieters anfielen zu den sogenannten Nachlassverbindlichkeiten. Erben könnten dann die Haftung auf den Nachlass beschränken und hafteten darüber hinaus nicht mit ihrem eigenen Vermögen. § 564 Satz 1 BGB (siehe „Das sagt das BGB“) begründe keine persönliche Haftung des Erben. Weder aus dem Wortlaut noch aus der systematischen Stellung der Vorschrift lasse sich entnehmen, dass dem Erben im Hinblick auf das Wohnraummietverhältnis des Erblassers eine mit einer persönlichen Haftung verbundene Sonderstellung zugewiesen sein solle (BGH, Urteil vom 23.01.2013, Az.: VIII ZR 68/12).
Das sagt das BGB
§ 564 Fortsetzung des Mietverhältnisses mit dem Erben, außerordentliche Kündigung
Treten beim Tod des Mieters keine Personen im Sinne des § 563 in das Mietverhältnis ein oder wird es nicht mit ihnen nach § 563a fortgesetzt, so wird es mit dem Erben fortgesetzt. In diesem Fall ist sowohl der Erbe als auch der Vermieter berechtigt, das Mietverhältnis innerhalb eines Monats außerordentlich mit der gesetzlichen Frist zu kündigen, nachdem sie vom Tod des Mieters und davon Kenntnis erlangt haben, dass ein Eintritt in das Mietverhältnis oder dessen Fortsetzung nicht erfolgt sind.
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