Haftung als Gesamtschuldner – Finanzielle Überforderung des Lebenspartners ist sittenwidrig
Banken und Kreditinstitute verlangen immer häufiger, dass nicht nur der Kreditnehmer selbst den betrieblichen oder privaten Darlehensvertrag unterschreiben muss, sondern sichern sich zusätzlich durch den Einbezug des Ehegatten oder Lebenspartners in die Haftung ab. Diese unterzeichnen nichtsahnend und sind sich zumeist nicht darüber bewusst, welche Folgen im Ernstfall daraus erwachsen können. Fällt der Kreditnehmer aus, muss der Partner für die Schulden aufkommen – außer es handelt sich um einen Fall der sittenwidrigen finanziellen Überforderung des Partners. Lesen Sie selbst.
Der Fall aus der Praxis
Der ehemalige Lebenspartner der Klägerin erwarb mit notariellem Kaufvertrag vom 27.04.2001 eine vermietete Eigentumswohnung zum Preis von 302.000 DM. Zur Finanzierung des Kaufpreises schloss er am 08.05.2001 mit der beklagten Bank einen Darlehensvertrag mit einem Zinssatz von 6,45% p. a. Die Tilgung des Darlehens sollte durch einen noch anzusparenden Bausparvertrag erfolgen. Die Klägerin unterzeichnete die vorformulierte Vertragsurkunde als „Darlehensnehmerin“. Ihr Nettoeinkommen gab sie in der gemeinsamen Selbstauskunft mit 3.000 DM bei dreizehn Monatsgehältern pro Jahr an. Als monatliche Belastung gab sie 450 DM für einen schon bestehenden Kredit sowie ca. 1.100 DM für Miet- und Nebenkosten an.
Entsprechend den Vertragsbedingungen bestellte der ehemalige Lebensgefährte der Klägerin zugunsten der Bank an der von ihm allein erworbenen Eigentumswohnung eine Grundschuld in Höhe des Darlehensbetrages zzgl. Zinsen und Nebenkosten. Die „Darlehensbedingungen“ enthielten u. a. folgenden Passus:
„Die unter Verwendung des Vordrucks der Bank einzuräumende Grundschuld dient zur Sicherung aller gegenwärtigen und künftigen Ansprüche der Bank aus dem Darlehensverhältnis einschließlich etwaiger Ansprüche wegen ungerechtfertigter Bereicherung, Schadenersatz und Nichtabnahme des Darlehens sowie aus anderen – auch künftigen – Geschäftsverbindungen.“
„Mehrere Darlehensnehmer haften als Gesamtschuldner.“
Auf Anweisung der Klägerin und ihres damaligen Lebenspartners wurde der Kredit an den Verkäufer der Eigentumswohnung ausgezahlt. Die Darlehensraten wurden vom Lebensgefährten allein getragen.
Die Klägerin war der Meinung, dass die Mitunterzeichnung des formularmäßigen Darlehensvertrages für sie eine von Anfang an finanziell krass überfordernde und somit eine sittenwidrige Schuldmitübernahme darstelle.
Das sagt der Richter
Das Gericht folgte dieser Argumentation und entschied den Rechtsstreit für die Klägerin. Rechtlich sei die Verpflichtung, die die Klägerin in dem Darlehensvertrag vom 08.05.2001 eingegangen ist, nur als reine Mithaftung und nicht als eigene Darlehensschuld zu qualifizieren. Auch wenn im Vertragstext die Klägerin als Darlehensnehmerin bezeichnet werde, sei in der Regel nur derjenige Mitdarlehensnehmer, der für den Darlehensgeber erkennbar ein eigenes sachliches und/oder persönliches Interesse an der Kreditaufnahme habe sowie im Wesentlichen gleichberechtigt über die Auszahlung bzw. Verwendung der Darlehensvaluta bzw. bestimmten Teilen davon mitentscheiden dürfe.
Die Klägerin hätte kein solches Interesse an der Darlehensaufnahme gehabt. Der Kredit sollte nach dem übereinstimmenden Willen der Vertragsparteien zur Finanzierung der vom ehemaligen Lebenspartner der Klägerin allein erworbenen Eigentumswohnung dienen. Auch sei er nur zu diesem Zweck verwendet worden. Gegen eine Mitdarlehensnehmerschaft der Klägerin spreche auch, dass der Kredit allein vom ehemaligen Lebenspartner bedient worden sei.
Die Klägerin sei durch die Mithaftungsübernahme von Anfang an finanziell in krasser Weise überfordert worden. Eine solche Überforderung eines Bürgen oder Mithaftenden bei nicht unerheblichen Bankschulden liege grundsätzlich vor, wenn dieser voraussichtlich nicht einmal die Zinslast aus dem pfändbaren Teil des laufenden Einkommens und Vermögens bei Eintritt des Sicherungsfalles dauerhaft allein tragen kann. In diesem Fall sei nach der allgemeinen Lebenserfahrung ohne Hinzutreten weiterer Umstände widerleglich zu vermuten, dass der dem Hauptschuldner persönlich besonders nahestehende Bürge bzw. Mithaftende die ihn vielleicht bis an das Lebensende übermäßig finanziell belastende Personalsicherheit allein aus emotionaler Verbundenheit mit dem Hauptschuldner gestellt und der Kreditgeber dies in sittlich anstößiger Weise ausgenutzt hat.
Die Klägerin war nicht in der Lage, die vertraglich festgelegte Zinslast in Höhe von rund 1.600 DM aus ihrem laufenden Einkommen und Vermögen auf Dauer allein zu tragen. Es sei daher nach allgemeiner Lebenserfahrung davon auszugehen, dass allein bzw. überwiegend aus emotionaler Verbundenheit der Klägerin zu ihrem früheren Lebensgefährten ihr Schuldbeitritt erfolgt sei. Die Bank habe diese tatsächliche Vermutung nicht widerlegt bzw. entkräftet.
Durch die Bestellung der Grundschuld sei die krasse finanzielle Überforderung der Klägerin nicht aufgehoben, da durch diese auch künftige gemeinsame Kredite der ehemaligen Lebenspartner sowie alle künftigen Forderungen der beklagten Bank gegen den ehemaligen Lebensgefährten der Klägerin gesichert seien. Es handele sich daher nicht um eine Ausfallhaftung, die von § 138 BGB nicht erfasst werde.
Bei den formularmäßigen Darlehensbedingungen handelt es sich um eine Allgemeine Geschäftsbedingungen, die gemäß dem Darlehensvertrag auch die künftigen Forderungen der Bank sichern sollten, die vom früheren Lebensgefährten der Klägerin begründet werden. Nach dem Wortlaut sei nicht klar, ob diese Klausel nur Ansprüche gegen die Klägerin und deren ehemaligen Lebenspartner als Gesamtschuldner oder auch gegen den Lebensgefährten allein erfasst. Für Letzteres spreche, dass alleine der Lebenspartner der echte Mitdarlehensnehmer und Sicherungsgeber ist. Ferner sprechen die Darlehensbedingungen nur von einer gesamtschuldnerischen Haftung mehrerer Darlehensnehmer. Nach § 305c Abs. 2 BGB gehen etwaige verbleibende Zweifel zulasten der beklagten Bank. Ferner sagt die Auslegungsregel, dass bei Mehrdeutigkeit einer Klausel, diejenige Auslegung zugrunde zu legen sei, die zur Unwirksamkeit der Klausel führt, d. h. es muss davon ausgegangen werden , dass mit der Grundschuld auch künftige Ansprüche der Klägerin gesichert werden, die sich alleine gegen den Lebensgefährten der Klägerin richten.
Gemäß § 138 BGB verstoße somit der Schuldbeitritt der Klägerin vom 08.05.2001 gegen die guten Sitten und sei damit nichtig.
Die Anwendung des § 138 Abs. 1 BGB auf eine Vereinbarung einer Mithaftung werde auch nicht durch eine bloße Möglichkeit einer Restschuldbefreiung nach der Insolvenzverordnung ausgeschlossen (BGH, Urteil vom 16.06.2009, Az.: XI ZR 539/07).
Das bedeutet die Entscheidung
Eine Mitunterzeichnung des Darlehensvertrages durch einen Ehegatten oder Lebenspartner als „Darlehensnehmer“ führt nicht in jedem Fall zur Übernahme der Verpflichtung als eigene Darlehensschuld. Ob eine solche Verpflichtung oder nur eine reine Mithaftung vorliegt, muss im Einzelfall durch Auslegung des Vertrags ermittelt werden.
Eine reine Mithaftung ist wegen Verstoßes gegen § 138 Abs. 1 BGB sittenwidrig, wenn die mithaftende Person von Anfang an finanziell in krasser Weise überfordert wird. Bei weiteren Sicherheiten ist § 138 Abs. 1 BGB dann ausgeschlossen, wenn die Haftung auf eine reine Ausfallhaftung reduziert wird.
Heißer Tipp
Wenn Sie als Ehegatte oder Lebenspartner für eine Schuld Ihres Partners zur Anschaffung einer Immobilie als Kapitalanlage als Mithaftende(r) fungieren sollen, müssen Sie vorher unbedingt sorgfältig prüfen, ob die Mithaftung Sie nicht eine krasse finanzielle Überforderung darstellt. Weisen Sie Ihren Partner darauf hin, dass eine solche Mithaftung sittenwidrig und damit nichtig ist.
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