Kosten für künstliche Befruchtung sind steuerlich absetzbar
Das Finanzgericht (FG) Niedersachsen hat einem Ehepaar recht gegeben, das die Kosten für eine Kinderwunschbehandlung mit Spendersamen als außergewöhnliche Belastung in der Einkommensteuererklärung geltend machte.
Der Fall aus der Praxis
Ein Ehepaar hegte seit langem einen Kinderwunsch. Der Ehemann war aufgrund einer inoperablen Sterilität nicht in der Lage, Nachwuchs zu zeugen. Nach mehreren vergeblichen Versuchen der Eigensamenübertragung, entschlossen sich die Eheleute zu einer sogenannten heterologen Insemination, bei der eine künstliche Befruchtung mittels Spendersamens durchgeführt wird. Die Kosten hierfür beliefen sich inklusive Medikamente und Fahrtkosten auf über 20.000 €. Die Krankenkasse übernahm diese Kosten nicht. Die Eheleute machten den Betrag in ihrer Einkommensteuererklärung beim Finanzamt als außergewöhnliche Belastung geltend. Das Finanzamt erkannte die Kosten nicht als außergewöhnliche Belastungen an und verwies auf die hierzu ergangene, ablehnende höchstrichterliche Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH). Danach stellt die künstliche Befruchtung der Eizellen der gesunden Ehefrau mit Fremdsamen keine (zwangsläufige) Heilbehandlung dar, da der kranke Ehemann nicht behandelt wird und die behandelte Frau gesund ist. Die Kinderlosigkeit als Folge der Sterilität stelle dagegen für sich keine Krankheit dar. Das Ehepaar klagte gegen die Entscheidung des Finanzamtes.
Das sagt der Richter
Das Finanzgericht (FG) gab den Eheleuten recht. Der Argumentation des BFH, dass Kinderlosigkeit im Falle eines zeugungsunfähigen Mannes grundsätzlich keine Krankheit sei, könne nur bedingt gefolgt werden. Habe eine vorab versuchte homologe Befruchtung nicht zum Erfolg geführt, könne eine Weiterführung der Behandlung nach ärztlich zulässigen und medizinisch indizierten Methoden durchaus als Heil- bzw. Therapiemaßnahme angesehen werden. Diese habe zum Ziel, die durch die Krankheit Sterilität indizierte Folge der Kinderlosigkeit abzumildern. Die dafür erforderlichen Aufwendungen seien deshalb auch zwangsläufig entstanden und nach § 33 des Einkommensteuergesetzes (EStG) zu berücksichtigen (Niedersächsisches FG, Urteil vom 05.05.2010, Az.: 9 K 231/07).
Das bedeutet die Entscheidung
Mit dieser Entscheidung setzt das Niedersächsische FG die künstliche Befruchtung unabhängig von der Herkunft des Samenspenders steuerlich auf eine Ebene. Eine Differenzierung danach, ob die Unfruchtbarkeit der Frau oder die Zeugungsunfähigkeit des Mannes Ursache für die Kinderlosigkeit ist, findet nicht statt.
Wichtiger Hinweis
Es ist nicht unwahrscheinlich, dass sich im Hinblick auf den in der obigen Entscheidung zum Ausdruck gebrachten Gleichbehandlungsgrundsatz alsbald auch eine Änderung der BFH-Rechtsprechung erfolgen wird.
Praxistipp
Betroffene Steuerpflichtige sollten deshalb ihre Aufwendungen als außergewöhnliche Belastung geltend machen und bei ablehnender Entscheidung durch die Finanzverwaltung unter Hinweis auf die Entscheidung des Niedersächsischen FG Einspruch einlegen.
Checkliste zum Download
Darüber hinaus haben verheiratete Steuerpflichtige die Möglichkeit, einen Teil der Kosten von der Krankenkasse ersetzt zu bekommen. Welche Voraussetzungen für eine Kostenübernahme erfüllt sein müssen, erfahren Sie anhand unserer Checkliste Kostenübernahme künstliche Befruchtung.
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