Bildschirmverordnung aufgehoben - Neue Arbeitsstättenverordnung regelt jetzt den EDV-Arbeitsplatz
Gerade in kleineren Unternehmen und Betrieben ist nicht immer bekannt, dass sich die rechtlichen Grundlagen zur Gestaltung der Arbeitsplätze - auch in Hinblick auf Arbeiten am Bildschirm – gravierend verändert haben.
Ursächlich dafür ist die grundlegende Novellierung der Arbeitsstättenverordnung (ArbStättV). Das Bundeskabinett hatte die neue Arbeitsstättenverordnung Anfang November 2016 beschlossen, sie gilt seit dem 03.12.2016. Ziel der Verordnung ist es, die Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten in und an Arbeitsstätten zu gewährleisten. Außerdem sollen die Arbeitsabläufe menschengerecht gestaltet werden.
Arbeitsstättenverordnung gilt seit mehr als 40 Jahren
Die ArbStättV existiert seit 1975, 2004 wurde sie grundlegend geändert und an das Konzept und die Struktur der EG-Arbeitsstättenrichtlinie angepasst. Damals wurden die konkreten Anforderungen (Maß und Zahl) aus der ArbStättV entfernt und durch die Festlegung allgemeiner Schutzziele ersetzt. Als Folge dieser Änderungen wurde die ArbStättV von ursprünglich 58 Paragrafen auf acht Paragrafen und einen Anhang mit speziellen Anforderungen an Arbeitsstätten reduziert. Die erforderlichen Konkretisierungen für die praktische Umsetzung der Anforderungen der ArbStättV in den Betrieben erfolgt seither durch ein technisches Regelwerk zur Verordnung. Das Technische Regelwerk wird vom Ausschuss für Arbeitsstätten (ASTA) nach § 7 ArbStättV ermittelt.
Inhalte der BildscharbV bleiben aber grundsätzlich bestehen
Bei der Novellierung der ArbStättV wurde die bisherige Bildschirmarbeitsverordnung (BildscharbV) jetzt in die Arbeitsstättenverordnung aufgenommen, sie tritt gleichzeitig außer Kraft. Die Inhalte der Verordnung wurden im Grundsatz übernommen, ergänzt wurden allerdings Regelungen zu Telearbeitsplätzen und mobilen Arbeitsmitteln an stationären Arbeitsplätzen.
Neue Vorgaben für das Home Office
Telearbeitsplätze sind laut neuer ArbStättV vom Arbeitgeber fest eingerichtete Arbeitsplätze im Privatbereich der Beschäftigten (neudeutsch auch Home Office genannt), für die der Arbeitgeber eine mit den Beschäftigten vereinbarte wöchentliche Arbeitszeit vereinbart und die Dauer der Einrichtung festgelegt hat.
Aufpassen
Der Telearbeitsplatz ist vom Arbeitgeber rechtlich erst dann eingerichtet, wenn Arbeitgeber und Beschäftigte die Bedingungen der Telearbeit arbeitsvertraglich oder im Rahmen einer sonstigen Vereinbarung festgelegt haben und die benötigte Ausstattung des Telearbeitsplatzes mit Mobiliar, Arbeitsmitteln einschließlich Kommunikationseinrichtungen durch den Arbeitgeber oder eine von ihm beauftragte Person im Privatbereich des Beschäftigten bereitgestellt und installiert ist.
Neu aufgenommen wurden auch tragbare Bildschirmgeräte wie Laptops, Tablets oder ähnliches. So dürfen tragbare Bildschirmgeräte ohne Trennung zwischen Bildschirm und externem Eingabemittel (insbesondere Geräte ohne Tastatur) laut Anhang 6.4 der neuen ArbStättV nur an Arbeitsplätzen betrieben werden, an denen die Geräte lediglich kurzzeitig verwendet werden oder an denen die Arbeitsaufgaben mit keinen anderen Bildschirmgeräten ausgeführt werden können.
Die strittige „Sichtverbindung nach außen“
Um die Neuregelung der ArbStättV wurde schon seit 2014 erbittert gestritten. Arbeitgeber störten sich insbesondere an den rigiden Vorgaben des ersten Verordnungsentwurfs für die Sichtverbindung des Arbeitsplatzes nach außen. Diese waren allerdings bis 2004 noch in der damaligen Arbeitsstättenverordnung enthalten. Die neue ArbstättV gibt jetzt in Anhang 3.4 vor, dass der Arbeitgeber als Arbeitsräume in der Regel nur solche Räume betreiben darf, die möglichst ausreichend Tageslicht erhalten und eine Sichtverbindung nach außen besitzen. Dies gilt allerdings nicht für Räume,
- bei denen betriebs-, produktions- oder bautechnische Gründe Tageslicht oder einer Sichtverbindung nach außen entgegenstehen,
- in denen sich Beschäftigte zur Verrichtung ihrer Tätigkeit regelmäßig nicht über einen längeren Zeitraum oder im Verlauf der täglichen Arbeitszeit nur kurzzeitig aufhalten müssen, insbesondere Archive, Lager-, Maschinen- und Nebenräume, Teeküchen,
- die vollständig unter Erdgleiche liegen, soweit es sich dabei um Tiefgaragen oder ähnliche Einrichtungen, um kulturelle Einrichtungen, um Verkaufsräume oder um Schank- und Speiseräume handelt,
- in Bahnhofs- oder Flughafenhallen, Passagen oder innerhalb von Kaufhäusern und Einkaufszentren oder
- Räume mit einer Grundfläche von mindestens 2.000 Quadratmetern, sofern Oberlichter oder andere bauliche Vorrichtungen vorhanden sind, die Tageslicht in den Arbeitsraum lenken.
Pausen- und Bereitschaftsräume, Unterkünfte und Kantinen sollen laut Absatz 2 möglichst ausreichend mit Tageslicht beleuchtet sein und eine Sichtverbindung nach außen besitzen.
Praxistipp
Räume, die bis zum 3. Dezember 2016 eingerichtet worden sind oder mit deren Einrichtung begonnen worden war und die die Anforderungen nach Absatz 1 Satz 1 oder Absatz 2 des Anhangs 3.4 nicht erfüllen, dürfen weiterhin ohne eine Sichtverbindung nach außen betrieben werden. Dies gilt allerdings nur solange, bis sie wesentlich erweitert oder umgebaut werden!
Belastungen am Bildschirm sollen reduziert werden
Die Arbeit an Bildschirmarbeitsplätzen ist laut amtlicher Begründung zur neuen ArbStättV so zu organisieren und zu gestalten, dass
- Belastungen der Beschäftigten an Bildschirmgeräten vermieden oder
- so weit wie möglich verringert werden.
Die Tätigkeiten der Beschäftigten während des Arbeitstages an Bildschirmarbeitsplätzen sind so zu organisieren, dass die Arbeit regelmäßig durch "andere Tätigkeiten" (Mischarbeit) oder durch Erholungszeiten unterbrochen wird. Diese "anderen Tätigkeiten" oder "Erholungszeiten" sind als Ausgleich gedacht und dienen dazu, die einseitige Belastung der Beschäftigten (Belastung der Augen, Zwangshaltungen usw.) zu verringern und Fehlbelastungen zu vermeiden.
ASTA soll Anforderungen an Bildschirmarbeitsplätze weiter konkretisieren
Die Anforderungen an Bildschirmarbeitsplätze sollen vom ASTA in einem untergesetzlichen Regelwerk - das den Stand der Technik repräsentiert – weiter konkretisiert werden. Für die Arbeitgeber bedeutet die Übernahme der BildscharbV in die ArbStättV laut Bundesregierung eine erhebliche Vereinfachung und Erleichterung, da die Vorgaben bezüglich
- des Einrichtens und Betreiben von Bildschirmarbeitsplätzen in Arbeitsstätten und
- die Durchführung der Gefährdungsbeurteilung sowie die erforderlichen Maßnahmen
abgestimmt in der ArbStättV zusammengefasst werden. Damit sollen und können zum Beispiel ergonomische und psychische Aspekte der Bildschirmarbeit "integral" mit Aspekten der Beleuchtung, der Akustik (Lärmentwicklung) und dem Flächen- und Raumbedarf in Arbeitsstätten bereits beim Einrichten und Betreiben umfassend berücksichtigt werden.
Praxistipp
Bei der Gestaltung von Bildschirmarbeitsplätzen ist es gerade für kleine und mittlere Unternehmen sinnvoll, mit erfahrenen Anbietern entsprechender technischer Lösungen zusammenzuarbeiten und zu planen. Hier finden Sie das ergonomisch gelungene Praxisbeispiel einer Leitwarte.
Allgemeine Anforderungen an Bildschirmarbeitsplätze
In Anhang 6. 1 der neuen ArbStättV werden die allgemeinen Anforderungen an den EDV-Arbeitsplatz eindeutig benannt:
- Bildschirmarbeitsplätze sind so einzurichten und zu betreiben, dass die Sicherheit und der Schutz der Gesundheit der Beschäftigten gewährleistet sind. Die Grundsätze der Ergonomie sind auf die Bildschirmarbeitsplätze und die erforderlichen Arbeitsmittel sowie die für die Informationsverarbeitung durch die Beschäftigten erforderlichen Bildschirmgeräte entsprechend anzuwenden.
- Der Arbeitgeber hat dafür zu sorgen, dass die Tätigkeiten der Beschäftigten an Bildschirmgeräten insbesondere durch andere Tätigkeiten oder regelmäßige Erholungszeiten unterbrochen werden.
- Für die Beschäftigten ist ausreichend Raum für wechselnde Arbeitshaltungen und -bewegungen vorzusehen.
- Bildschirmgeräte sind so aufzustellen und zu betreiben, dass die Oberflächen frei von störenden Reflexionen und Blendungen sind.
- Arbeitstische oder Arbeitsflächen müssen eine reflexionsarme Oberfläche haben und so aufgestellt werden, dass die Oberflächen bei der Arbeit frei von störenden Reflexionen und Blendungen sind.
- Arbeitsflächen sind entsprechend der Arbeitsaufgabe so zu bemessen, dass alle Eingabemittel auf der Arbeitsfläche variabel angeordnet werden können und eine flexible Anordnung des Bildschirms, des Schriftguts und der sonstigen Arbeitsmittel möglich ist. Die Arbeitsfläche vor der Tastatur muss ein Auflegen der Handballen ermöglichen.
- Auf Wunsch der Beschäftigten muss der Arbeitgeber eine Fußstütze und einen Manuskripthalter zur Verfügung zu stellen, wenn eine ergonomisch günstige Arbeitshaltung auf andere Art und Weise nicht erreicht werden kann.
- Die Beleuchtung muss der Art der Arbeitsaufgabe entsprechen und an das Sehvermögen der Beschäftigten angepasst sein; ein angemessener Kontrast zwischen Bildschirm und Arbeitsumgebung ist zu gewährleisten. Durch die Gestaltung des Bildschirmarbeitsplatzes sowie der Auslegung und der Anordnung der Beleuchtung sind störende Blendungen, Reflexionen oder Spiegelungen auf dem Bildschirm und den sonstigen Arbeitsmitteln zu vermeiden.
- Werden an einem Arbeitsplatz mehrere Bildschirmgeräte oder Bildschirme betrieben, müssen diese ergonomisch angeordnet sein. Die Eingabegeräte müssen sich eindeutig dem jeweiligen Bildschirmgerät zuordnen lassen.
- Die Arbeitsmittel dürfen nicht zu einer erhöhten, gesundheitlich unzuträglichen Wärmebelastung am Arbeitsplatz führen.
Der Anhang 6.2 enthält konkrete Anforderungen an Bildschirme und Bildschirmgeräte. U. a. müssen
- die Text- und Grafikdarstellungen auf dem Bildschirm entsprechend der Arbeitsaufgabe und dem Sehabstand scharf und deutlich sowie ausreichend groß sein. Der Zeichen- und der Zeilenabstand müssen angemessen sein (Zeichengröße und Zeilenabstand müssen auf dem Bildschirm individuell eingestellt werden können),
- das auf dem Bildschirm dargestellte Bild muss flimmerfrei sein und keine Verzerrungen aufweisen,
- die Helligkeit der Bildschirmanzeige und der Kontrast der Text- und Grafikdarstellungen auf dem Bildschirm müssen von den Beschäftigten einfach eingestellt werden können und den Verhältnissen der Arbeitsumgebung individuell angepasst werden können.
- die Bildschirmgröße und -form müssen der Arbeitsaufgabe angemessen sein.
Aufpassen
Die von den Bildschirmgeräten ausgehende elektromagnetische Strahlung (EMV) muss so niedrig gehalten werden, dass die Sicherheit und die Gesundheit der Beschäftigten nicht gefährdet werden. Daher ist es wichtig, ausschließlich CE-konforme Bildschirme zu verwenden.
Bildschirme müssen frei und leicht dreh- und neigbar sein sowie über reflexionsarme Oberflächen verfügen (reflektierende Oberflächen dürfen nur dann verwendet werden, wenn dies aus zwingenden aufgabenbezogenen Gründen erforderlich ist). Diese Anforderungen gelten auch für Tastaturen.
Laut Anhang 6.3 Tastaturen müssen Tastaturen die folgenden Eigenschaften aufweisen:
- sie müssen vom Bildschirm getrennte Einheiten sein,
- sie müssen neigbar sein,
- die Oberflächen müssen reflexionsarm sein,
- die Form und der Anschlag der Tasten müssen den Arbeitsaufgaben angemessen sein und eine ergonomische Bedienung ermöglichen,
- die Beschriftung der Tasten muss sich vom Untergrund deutlich abheben und bei normaler Arbeitshaltung gut lesbar sein.
Wichtiger Hinweis
Alternative Eingabemittel (zum Beispiel Eingabe über den Bildschirm, Spracheingabe, Scanner) dürfen laut ArbStättV nur eingesetzt werden, wenn dadurch die Arbeitsaufgaben leichter ausgeführt werden können und keine zusätzlichen Belastungen für die Beschäftigten entstehen.
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