Arbeitsunfall: Auch das Zubinden der Sicherheitsschuhe kann versichert sein
Verunglückt ein Versicherter der gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV) beim Zubinden seiner Sicherheitsschuhe, muss die Berufsgenossenschaft unter bestimmten Umständen die Folgen entschädigen – und zwar auch, wenn dies zu Hause passiert. Ein freiwillig unfallversicherter selbständiger Handwerker bekam jetzt in der zweiten Instanz vom Landessozialgericht München Recht.
Der Fall
Der selbständige Schlosser stand auf dem Weg zu seinem Auftraggeber morgens mit dem Rücken zur Treppe seines privaten Mehrfamilienhauses und verlor beim Hinhocken (um die Sicherheitsschuhe zuzubinden) das Gleichgewicht, so dass er rückwärts die Treppe hinunter fiel. Dabei erlitt er eine gravierende Rückenverletzung (LWS- und BWS-Distorsion). Der Versicherte meldete den Unfall pflichtgemäß bei seiner Berufsgenossenschaft. Diese lehnte eine Entschädigung ab, da kein Arbeitsunfall vorliege. Der Schlosser legte Widerspruch ein und beantragte ausdrücklich, seinen Unfall anzuerkennen. Der Unfall sei während der Arbeitszeit geschehen, es habe auch ein beruflicher Moment (Anziehen der Arbeitssicherheitsschuhe) mitgewirkt. Er habe am Unfalltag sein Fahrzeug mit Werkzeug und Material aus seiner als Werkstatt dienenden Garage beladen. Nach dem Beladen sei er lediglich in das Treppenhaus gegangen, um dort die Arbeitssicherheitsschuhe anzuziehen, um danach zu seinem Kunden zu fahren. Die Berufsgenossenschaft lehnte eine Zahlung weiterhin ab, so dass der Handwerker Klage – erfolglos – beim Sozialgericht erhob.
Das Urteil
In der Berufungsinstanz beim Landessozialgericht bekam der Handwerker Recht. Das Anziehen der Sicherheitsschuhe stehe in unmittelbarem Zusammenhang mit seiner beruflichen Tätigkeit. Denn der Mann benötige aus Sicherheitsgründen die mit Stahlkappen versehenen Schuhe für seine Arbeit auf Baustellen. Es stehe ihm deshalb frei, ob er die Schuhe erst auf der Baustelle oder bereits vor dem Einsteigen in sein Fahrzeug anziehe. Außerdem müsse auch berücksichtigt werden, dass der Versicherte seiner Garage Werkzeug lagert, das er bereits morgens in sein Auto geladen wollte. Es handele sich hier eben nicht um eine unversicherte Vorbereitungshandlung. Da es ein Arbeitsunfall war, unterliegt er dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung, die zur Entschädigung verpflichtet ist.
LSG Bayern, Urteil vom 21.07.2015; Az.:
Urteil gilt auch für „normale“ Beschäftigte
Die Richter stellten in der Urteilsbegründung auch klar, dass die Entscheidung auch für angestellte Beschäftigte gilt. Jede Verrichtung, die aufgrund ihrer Handlungstendenz der Ausübung der versicherten Tätigkeit dient, ist der unfallversicherten Tätigkeit zuzurechnen – und zwar unabhängig davon, dass ein Unfall nur an der konkreten Arbeitsstätte oder innerhalb der üblichen Arbeitszeit passieren muss.
Sicherheitsschuhe sind für bestimmte Tätigkeiten ein Muss
Das LSG betonte darüber hinaus, dass es die Sicherheitsschuhe für die spätere Arbeit des Klägers auf der Baustelle unerlässlich waren. Die Schuhe erfüllten hier auch ausnahmsweise die Eigenschaft eines Arbeitsgerätes (vgl. § 8 Abs. 2 Nr. 5 SGB VII). Zwar werde Kleidung allgemein nicht als Arbeitsgerät in diesem Sinne angesehen, weil sie nur gelegentlich der unfallgeschützten Tätigkeit zur Schonung der Alltagskleidung getragen wird. Ein „Arbeitsgerät“ kann aber im Allgemeinen dann angenommen werden, wenn es für die Tätigkeit "erforderlich" oder "üblich" ist. Zu dieser Kategorie gehören selbstverständlich Sicherheitsschuhe, die - wie hier - zum Schutz vor Verletzungen vorgeschrieben sind.
Sicherheitsklassen bei Sicherheitsschuhen beachten
Die Berufsgenossenschaften, aber auch das Arbeitsschutzgesetz schreiben für die Ausübung bestimmter Tätigkeiten die Benutzung persönlicher Schutzausrüstungen (PSA) wie Sicherheitsschuhe verbindlich vor. Diese Schuhe müssen bestimmten Anforderungen und Sicherheitsklassen nach der DGUV-Regel 112-991 (bis 2014 GUV Regel 191) und der DIN EN ISO 20345 entsprechen.
Praxistipp
Engelbert Strauss gibt hier einen breiten Überblick über Schuhwerk, welches die jeweiligen Sicherheitsklassen für Arbeitsschuhe erfüllt.
Die Kosten der Sicherheitsschuhe muss in den vorgeschriebenen Fällen der Arbeitgeber übernehmen. Er kann allerdings ein bestimmtes Fabrikat, dass die Sicherheitsanforderungen erfüllt, festlegen.
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