Einkaufsleiter vs. Supermarktkette: Vertragliche Kündigungsfrist von 18 Monaten ist zulässig
Für Einkaufsleiter einer Supermarktkette gilt vertragliche Kündigungsfrist von 18 Monaten
Eine zwischen einem Einkaufsleiter und einer Supermarktkette vereinbarte vertragliche Kündigungsfrist von 18 Monaten ist nach einer Entscheidung des Arbeitsgerichts (ArbG) Heilbronn zulässig, wenn sie für beide Vertragsparteien gilt.
Der Fall
Der Kläger, ein Diplom-Betriebswirt, war bei einer Supermarktkette als Einkaufsleiter für den Bereich "Einkauf International" zuständig. Er verhandelte Verträge mit Lieferanten in einer Gesamtgrößenordnung von mehreren hundert Millionen € aus. Der vorformulierte Arbeitsvertrag sah u. a. für beide Vertragsseiten eine Kündigungsfrist von 18 Monaten vor. Ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot war nicht vereinbart. Ende August 2011 kündigte der Kläger zum nächstmöglichen Zeitpunkt, woraufhin der Arbeitgeber ihn unter Fortzahlung der Bezüge freistellte und darauf hinwies, dass er auf die Einhaltung der Kündigungsfrist von 18 Monaten bestehe. Der Kläger war damit nicht einverstanden und zog vor Gericht. Die 18-monatige Kündigungsfrist verletze das in Art. 12 Abs. 1 Grundgesetz (GG) geschützte Recht der freien Berufswahl.
Das sagt das Gericht
Das Gericht teilte die Auffassung des Klägers nicht und erklärte, dass das Arbeitsverhältnis erst nach Ablauf der 18-monatigen Kündigungsfrist am 28.02.2013 ende. Die lange Kündigungsfrist sei rechtlich nicht zu beanstanden und damit wirksam. Eine derart lange Kündigungsfrist verstoße insbesondere gegen kein gesetzliches Verbot. Nach § 622 Abs. 6 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) könnten längere Fristen als die Mindestkündigungsfristen aus Abs. 1 und Abs. 2 der Norm vereinbart werden, sofern für den Arbeitnehmer keine längere Frist gelte als für den Arbeitgeber.
Darüber hinaus folge aus §§ 14 Abs. 2, 15 Abs. 3 Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG), dass der Gesetzgeber jedenfalls eine Bindung von bis zu 24 Monaten akzeptiere (siehe „Das sagt das Teilzeit- und Befristungsgesetz“).
Die lange Kündigungsfrist stelle auch keine unangemessene Benachteiligung des Klägers im Sinne von § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB dar. Zum einen sei der Kläger als Einkaufsleiter für den Arbeitgeber ein Verantwortungs- und Wissensträger von großer Bedeutung gewesen. Zum anderen beruhten die Lieferkonditionen im vom Kläger verantworteten Bereich auf langfristigen Verträgen mit einer Laufzeit von bis zu 18 Monaten. Ein früher Wechsel des Klägers zu einem Wettbewerber hätte vor diesem Hintergrund erhebliche Auswirkungen auf den Erfolg der Supermarktkette haben können, weil der Diplom-Betriebswirt seine Insiderkenntnisse zum Nachteil des Arbeitgebers hätte ausnutzen können (ArbG Heilbronn, Urteil vom 08.05.2012, Az.: 5 Ca 307/11).
Das sind die gesetzlichen Kündigungsfristen nach dem BGB
Die gesetzlichen Kündigungsfristen sind in § 622 BGB geregelt. Das Arbeitsverhältnis eines Arbeitnehmers kann gemäß § 622 Abs. 1 BGB mit einer Frist von vier Wochen zum Fünfzehnten oder zum Ende eines Kalendermonats ordentlich gekündigt werden. Für die arbeitgeberseitige Kündigung beträgt die Kündigungsfrist – abhängig von der Beschäftigungsdauer – gemäß § 622 Abs. 2 BGB:
Übersicht: Kündigungsfristen nach § 622 Abs. 2 BGB |
|
Beschäftigungsdauer |
Kündigungsfrist |
2 Jahre |
1 Monat |
5 Jahre |
2 Monate |
8 Jahre |
3 Monate |
10 Jahre |
4 Monate |
12 Jahre |
5 Monate |
20 Jahre |
7 Monate |
Bei der Berechnung der Beschäftigungsdauer werden Zeiten vor Vollendung des 25. Lebensjahres nicht mitgerechnet. |
Vertragsparteien können von gesetzlichen Kündigungsfristen abweichen
Die Arbeitsvertragsparteien haben jedoch abweichend von den gesetzlichen Kündigungsfristen aus § 622 BGB die Möglichkeit, im Arbeitsvertrag längere Kündigungsfristen zu vereinbaren. Grundsätzlich wird eine für den Arbeitgeber geltende längere Kündigungsfrist als ein Vorteil für den Arbeitnehmer angesehen, weil Letzterer im Falle einer Kündigung durch den Arbeitgeber mehr Zeit hat, einen neuen Arbeitsplatz zu finden.
Längere Kündigungsfristen, die für beide Seiten gelten, sind für den Arbeitnehmer eher von Nachteil, weil sie die Flexibilität hemmen und einen möglichen schnellen Arbeitsplatzwechsel verhindern. Deshalb kann sich in dieser Konstellation die Frage stellen, wann eine solche dem Beschäftigten auferlegte Bindung eine unangemessene Benachteiligung im Sinne des § 307 BGB bedeutet.
Wichtiger Hinweis
Arbeitgeber und Personalverantwortliche sollten bei der Vereinbarung längerer Kündigungsfristen den § 622 Abs. 6 BGB im Auge behalten. Danach muss eine Verlängerung der gesetzlichen Kündigungsfristen immer auch für den Arbeitgeber gelten:
6) Für die Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitnehmer darf keine längere Frist vereinbart werden als für die Kündigung durch den Arbeitgeber.
Das sagt das Teilzeit- und Befristungsgesetz
§ 14 Zulässige Befristung
…
(2) Die kalendermäßige Befristung eines Arbeitsvertrages ohne Vorliegen eines sachlichen Grundes ist bis zur Dauer von zwei Jahren zulässig; bis zu dieser Gesamtdauer von zwei Jahren ist auch die höchstens dreimalige Verlängerung eines kalendermäßig befristeten Arbeitsvertrages zulässig. Eine Befristung nach Satz 1 ist nicht zulässig, wenn mit demselben Arbeitgeber bereits zuvor ein befristetes oder unbefristetes Arbeitsverhältnis bestanden hat. Durch Tarifvertrag kann die Anzahl der Verlängerungen oder die Höchstdauer der Befristung abweichend von Satz 1 festgelegt werden. Im Geltungsbereich eines solchen Tarifvertrages können nicht tarifgebundene Arbeitgeber und Arbeitnehmer die Anwendung der tariflichen Regelungen vereinbaren.
§ 15 Ende des befristeten Arbeitsvertrages
…
3) Ein befristetes Arbeitsverhältnis unterliegt nur dann der ordentlichen Kündigung, wenn dies einzelvertraglich oder im anwendbaren Tarifvertrag vereinbart ist.
- Kommentieren
- 5273 Aufrufe