Nicht jeder Aufhebungsvertrag hat eine Arbeitslosengeldsperre zur Folge
Sperrzeit bei Aufhebungsvertrag: wann tritt sie ein?
Ein Aufhebungsvertrag kann eine 12-wöchige Arbeitslosengeldsperre nach sich ziehen, wenn der Arbeitnehmer für sein Verhalten keinen wichtigen Grund hatte.
Schließt eine ordentlich unkündbare Arbeitnehmerin einen Aufhebungsvertrag mit Abfindung, ist eine Sperrzeit unzulässig. Das hat das Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg entschieden.
Der Fall aus der Praxis
Eine ordentlich unkündbare Arbeitnehmerin hatte nach fast 40-jähriger Betriebszugehörigkeit einen Aufhebungsvertrag mit ihrem Arbeitgeber geschlossen, weil im Wege betrieblicher Umstrukturierungsmaßnahmen ihr Arbeitsplatz wegfallen sollte. Laut Vertrag sollte sie eine Abfindung in Höhe von 47.000 € erhalten. Die zuständige Arbeitsagentur stellte in der Folge den Eintritt einer Sperrzeit beim Arbeitslosengeld für die Dauer von 12 Wochen gemäß § 144 Abs. 1 Nr. 1 SGB III fest. Die Arbeitnehmerin habe ihr Beschäftigungsverhältnis gelöst und dadurch vorsätzlich oder grob fahrlässig die Arbeitslosigkeit herbeigeführt. Nach Auffassung der Behörde sei es der unkündbaren Mitarbeiterin zumutbar gewesen, das Beschäftigungsverhältnis fortzusetzen und eine eventuelle Kündigung des Arbeitgebers abzuwarten. Die Arbeitnehmerin klagte gegen die Entscheidung der Arbeitsagentur.
Das sagt der Richter
Mit Erfolg. Das LSG Baden-Württemberg war der Meinung, dass die Verhängung einer Sperrzeit im Streitfall nicht gerechtfertigt gewesen sei. Zwar habe die Klägerin mit Abschluss des Aufhebungsvertrags sehenden Auges ihre Arbeitslosigkeit herbeigeführt. Dieses Verhalten sei jedoch nicht vorwerfbar, weil sie dafür einen wichtigen Grund gehabt habe. Die Kündigung bzw. die Modalitäten des Aufhebungsvertrags hätten die Kriterien des § 1a des Kündigungsschutzgesetzes (KSchG) beachtet. Insbesondere sei die dort vorgesehene Abfindungshöhe von 0,5 Monatsgehältern pro Beschäftigungsjahr nicht überschritten worden. Ob die Kündigung arbeitsrechtlich rechtmäßiger Weise hätte erfolgen dürfen, sei daher in Übereinstimmung mit der arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung nicht mehr zu überprüfen. Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin und ihr ehemaliger Arbeitgeber den Aufhebungsvertrag so gefasst hätten, um zulasten der Versichertengemeinschaft eine Leistungsberechtigung der Klägerin zu manipulieren, seien nicht ersichtlich (LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 16.02.2011, Az.: L 3 AL 712/09).
Das bedeutet die Entscheidung
Ein Mitarbeiter ist ordentlich unkündbar, wenn ihm gegenüber eine Kündigung unter Einhaltung der Kündigungsfrist nicht möglich ist, weil ein Tarifvertrag oder der Arbeitsvertrag vorsehen, dass der Arbeitnehmer ab einer gewissen Betriebszugehörigkeit oder ab einem bestimmten Lebensalter nicht mehr ordentlich kündbar sein soll. Eine solche Regelung ist im öffentlichen Dienst in § 53 Abs. 3 des Bundesangestelltentarifvertrags (BAT) sowie § 34 Abs. 2 des Tarifvertrags für den öffentlichen Dienst (TVöD) enthalten.
Das sagt § 1a KSchG
§ 1a Abfindungsanspruch bei betriebsbedingter Kündigung
(1) Kündigt der Arbeitgeber wegen dringender betrieblicher Erfordernisse nach § 1 Abs. 2 Satz 1 und erhebt der Arbeitnehmer bis zum Ablauf der Frist des § 4 Satz 1 keine Klage auf Feststellung, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst ist, hat der Arbeitnehmer mit dem Ablauf der Kündigungsfrist Anspruch auf eine Abfindung. Der Anspruch setzt den Hinweis des Arbeitgebers in der Kündigungserklärung voraus, dass die Kündigung auf dringende betriebliche Erfordernisse gestützt ist und der Arbeitnehmer bei Verstreichenlassen der Klagefrist die Abfindung beanspruchen kann.
(2) Die Höhe der Abfindung beträgt 0,5 Monatsverdienste für jedes Jahr des Bestehens des Arbeitsverhältnisses. § 10 Abs. 3 gilt entsprechend. Bei der Ermittlung der Dauer des Arbeitsverhältnisses ist ein Zeitraum von mehr als sechs Monaten auf ein volles Jahr aufzurunden.
In diesen Fällen droht eine Sperre
Nach § 144 Abs. 1 Satz 1 SGB III tritt eine Sperrzeit ein, wenn der Arbeitslose sich versicherungswidrig verhalten hat, ohne dafür einen wichtigen Grund zu haben. Versicherungswidriges Verhalten liegt vor, wenn
- der Arbeitslose das Beschäftigungsverhältnis gelöst oder durch ein arbeitsvertragswidriges Verhalten Anlass für die Lösung des Beschäftigungsverhältnisses gegeben und dadurch vorsätzlich oder grob fahrlässig die Arbeitslosigkeit herbeigeführt hat (Sperrzeit bei Arbeitsaufgabe),
- der bei der Agentur für Arbeit als arbeitssuchend gemeldete Arbeitnehmer (§ 38 Abs. 1 SGB III) oder der Arbeitslose trotz Belehrung über die Rechtsfolgen eine von der Agentur für Arbeit unter Benennung des Arbeitgebers und der Art der Tätigkeit angebotene Beschäftigung nicht annimmt oder nicht antritt oder die Anbahnung eines solchen Beschäftigungsverhältnisses, insbesondere das Zustandekommen eines Vorstellungsgespräches, durch sein Verhalten verhindert (Sperrzeit bei Arbeitsablehnung),
- der Arbeitslose trotz Belehrung über die Rechtsfolgen die von der Agentur für Arbeit geforderten Eigenbemühungen nicht nachweist (Sperrzeit bei unzureichenden Eigenbemühungen),
- der Arbeitslose sich weigert, trotz Belehrung über die Rechtsfolgen, an einer Maßnahme nach § 46 SGB III oder einer Maßnahme zur beruflichen Ausbildung oder Weiterbildung oder einer Maßnahme zur Teilhabe am Arbeitsleben teilzunehmen (Sperrzeit bei Ablehnung einer beruflichen Eingliederungsmaßnahme),
- der Arbeitslose die Teilnahme an einer in § 144 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 SGB III genannten Maßnahme abbricht oder durch maßnahmewidriges Verhalten Anlass für den Ausschluss aus einer dieser Maßnahmen gibt (Sperrzeit bei Abbruch einer beruflichen Eingliederungsmaßnahme),
- der Arbeitslose einer Aufforderung der Agentur für Arbeit, sich zu melden oder zu einem ärztlichen oder psychologischen Untersuchungstermin zu erscheinen (§ 309 SGB III), trotz Belehrung über die Rechtsfolgen nicht nachkommt oder nicht nachgekommen ist (Sperrzeit bei Meldeversäumnis),
- der Arbeitslose seiner Meldepflicht nach § 38 Abs. 1 SGB III nicht nachgekommen ist (Sperrzeit bei verspäteter Arbeitssuchendmeldung).
Wichtiger Hinweis
Ein Lösung des Beschäftigungsverhältnisses durch den Arbeitnehmer i. S. d. § 144 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB III (Sperrzeit bei Arbeitsaufgabe) liegt regelmäßig beim Abschluss eines Aufhebungsvertrages, aber auch bei der Vereinbarung eines Abwicklungsvertrages vor.
Wichtiger Grund schließt Sperre aus
Hatte der Arbeitnehmer einen wichtigen Grund für die Lösung des Beschäftigungsverhältnisses durch den Abschluss eines Aufhebungs- oder Abwicklungsvertrag nach § 144 Abs. 1 Satz 1 SGB III, so tritt keine Sperrzeit beim Arbeitslosengeld ein. Ein wichtiger Grund liegt vor, wenn dem Mitarbeiter (Arbeitslosen) unter Abwägung seiner Interessen und der Interessen der Versichertengemeinschaft ein anderes Verhalten nicht zugemutet werden konnte. Das ist z. B. der Fall, wenn dem Mitarbeiter (Arbeitslosen) die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses arbeitsrechtlich nicht zumutbar ist (z. B. wegen eines Fehlverhaltens des Arbeitgebers) oder wenn wichtige persönliche Gründe vorliegen (z. B. gesundheitliche Gründe oder erforderlicher Wohnortwechsel nach Heirat).
Drohende betriebliche Kündigung gilt als wichtiger Grund
Vereinbart ein Arbeitnehmer mit seinem Arbeitgeber einen Aufhebungsvertrag, um eine betriebsbedingte Kündigung durch den Arbeitgeber zu vermeiden, so wird nach der Durchführungsanweisung der Bundesagentur für Arbeit zu § 144 SGB III ein wichtiger Grund angenommen, wenn
- der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis betriebsbedingt gekündigt hätte,
- die betriebsbedingte Kündigung unter Einhaltung der Kündigungsfrist erfolgt wäre,
- sich die Höhe der Abfindung auf einen Betrag von mindestens 0,25 bis maximal 0,5 Monatsgehälter pro Beschäftigungsjahr beläuft und
- das Arbeitsverhältnis ordentlich unkündbar ist.
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