Schwarzfahren ist kein Kündigungsgrund: Entlassung eines Soldaten unwirksam
Gericht verneint Kündigungsgrund - Shwarzfahren rechtfertigt keine Entlassung
Wird ein Soldat wegen Schwarzfahrens aus der Bundeswehr entlassen, so geschieht dies rechtswidrig, weil Schwarzfahren nach einer Entscheidung des Verwaltungsgerichts Minden kein Kündigungsgrund ist (Az.: 10 K 180/10).
Der Fall aus der Praxis
Die Bundeswehr hatte im Juni 2009 einen Zeitsoldaten entlassen, nachdem dieser von sich aus mitgeteilt hatte, einen Bahnfahrkarte für Wehrpflichtige verfälscht und für mehrere - ihm als Zeitsoldat nicht zustehende - kostenlose Fahrten in seine Heimatstadt benutzt zu haben. Der Zeitsoldat begründete sein Verhalten damit, dass er wegen einer fehlerhaften Anlageberatung viel Geld verloren habe und sich deshalb manche Heimfahrten nicht mehr habe leisten können. Die Bundeswehr wandte sich an die Staatsanwaltschaft. Diese stellte das Verfahren gegen den Zeitsoldaten wegen geringer Schuld und geringen Schadens ein.
Der für den Zeitsoldaten zuständige Kompaniechef hatte sich gegen eine Entlassung ausgesprochen – der Zeitsoldat gehöre zu seinen Spitzenkräften und zeichne sich durch großes Engagement sowie hohe Zuverlässigkeit aus. Deshalb sei die Ahndung seines Fehlverhaltens durch eine Disziplinarmaßnahme völlig ausreichend. Die zuständige Stelle der Bundeswehr verfügte dennoch die Entlassung des Zeitsoldaten wegen der Schwere der Tat und einer großen Nachahmungsgefahr und bestätigte diese Entscheidung auch im Beschwerdeverfahren.
Nachdem der Zeitsoldat einen Rechtsanwalt mit der Wahrnehmung seiner Rechte beauftragt hatte, verstarb er Anfang 2010. Dem Vernehmen nach handelte es sich um Selbstmord. Die Eltern des Zeitsoldaten führten das Verfahren fort, um eine Rehabilitierung ihres Sohnes zu erreichen.
Das sagt das Gericht
Das Gericht entschied den Rechtsstreit zugunsten der Eltern und hob die Entlassung des Soldaten auf. Die Belassung des Zeitsoldaten im Dienst hätte voraussichtlich weder die militärische Ordnung noch das Ansehen der Bundeswehr ernstlich gefährdet. Angesichts der Gesamtpersönlichkeit des Soldaten hätte es ausgereicht, seine Verfehlungen disziplinarisch zu ahnden, zumal das Vertrauensverhältnis zu den Dienstvorgesetzten in seiner Einheit nicht zerstört gewesen sei (VG Minden, Urteil vom 04.10.2011, Az.: 10 K 180/10).
Erschleichen von Leistungen - Schwarzfahren ist kein Kavaliersdelikt
Die absichtliche Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel ohne gültigen Fahrschein wird umgangssprachlich als Schwarzfahren bezeichnet. Diese Beförderungserschleichung ist einer der vier Straftatbestände des „Erschleichens von Leistungen“ des § 265a Strafgesetzbuch (StGB).
Das sagt das Gesetz
§ 265a Erschleichen von Leistungen
(1) Wer die Leistung eines Automaten oder eines öffentlichen Zwecken dienenden Telekommunikationsnetzes, die Beförderung durch ein Verkehrsmittel oder den Zutritt zu einer Veranstaltung oder einer Einrichtung in der Absicht erschleicht, das Entgelt nicht zu entrichten, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft, wenn die Tat nicht in anderen Vorschriften mit schwererer Strafe bedroht ist.
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Wichtiger Hinweis
In allen Fällen handelt es sich also um Massenleistungen, bei denen es dem Gesetz um den Vermögensschutz jener Veranstalter geht, denen eine angemessene Kontrolle aufgrund des massenhaften Kundenaufkommens nicht oder nur stichprobenartig möglich ist.
Wiederholungstäter begehen unter Umständen Hausfriedensbruch
Bei wiederholtem Schwarzfahren droht ein Hausverbot des betroffenen Beförderungsunternehmens, sodass dann zusätzlich der Straftatbestand des Hausfriedensbruchs nach 123 StGB verwirklicht ist. Ein solches Hausverbot kann beliebig verfügt werden. Im öffentlich-rechtlichen Bereich ist ein erteiltes Hausverbot ein Verwaltungsakt und muss deshalb zu seiner Wirksamkeit die formellen und inhaltlichen Voraussetzungen eines Verwaltungsaktes erfüllen.
In bestimmten Fällen drohen Betrug und Urkundenfälschung
Behauptet ein Schwarzfahrer bei einer Kontrolle wahrheitswidrig, dass er bereits kontrolliert worden sei oder zeigt er einen falschen, nicht gültigen oder nur für bestimmte Zonen gültigen Fahrschein vor, so kann er sich wegen Betruges nach § 263 StGB strafbar machen. Bei einer falschen Fahrkarte kann darüber hinaus der Tatbestand der Urkundenfälschung nach § 267 StGB erfüllt sein.
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