Widerruf von Telearbeit ist kein Mobbing
Ein Arbeitnehmer kann eine Entschädigungsklage wegen Mobbing nicht auf eine mehrere Jahre zurückliegende Auseinandersetzung mit dem Arbeitgeber stützen. Das geht aus einem Urteil des Landesarbeitsgerichts (LAG) Berlin-Brandenburg zurück.
Der Fall aus der Praxis
Eine alleinerziehende Mutter von drei Kindern ist seit 1992 in einem Unternehmen als Senior Consultant beschäftigt und arbeitete aufgrund einer Vereinbarung seit 2001 überwiegend von zu Hause aus. In den Jahren 2002 und 2003 unternahmen zwei Vorgesetzte der Arbeitnehmerin insgesamt drei Versuche, diese Vereinbarung zu widerrufen. Im Dezember 2003 wurde schließlich eine Weiterführung der Telearbeit vereinbart, wobei die Mitarbeiterin verbindlich zusicherte, an zwei Tagen pro Woche im Büro anwesend zu sein. Ab Herbst 2007 traten bei ihr erhebliche Fehlzeiten auf. Seit dem 09.02.2009 ist sie durchgehend arbeitsunfähig krank. Mit ihrer Klage verlangte sie die Zahlung von Schmerzensgeld und Schadenersatz wegen Mobbing. Sie gab an, dass ihre Fehlzeiten auf posttraumatischen Belastungsstörungen beruhten, die auf Mobbing ihrer Vorgesetzten insbesondere im Zusammenhang mit dem Streit um die Telearbeit in den Jahren 2002 und 2003 zurückzuführen sei.
Das sagt der Richter
Die Klage hatte keinen Erfolg. Die Arbeitnehmerin habe keinen Anspruch auf Ersatz immateriellen oder materiellen Schadens wegen Mobbing, so das Gericht. Es sei nicht erkennbar, dass die von ihr beanstandeten Vorgänge Verletzungen der Pflicht des Arbeitgebers zur Rücksichtnahme auf ihre Persönlichkeit und Gesundheit darstellten. Insbesondere der wiederholte Versuch, die Telearbeitsvereinbarung mit der Mitarbeiterin zu widerrufen, stellte keine die Arbeitnehmerin herabwürdigende Behandlung dar. Sie habe vielmehr erkennbar dazu gedient, im Interesse einer effektiven Aufgabenerledigung die Präsenz der Arbeitnehmerin im Betrieb zu erhöhen. Ein Schikanecharakter oder eine Zermürbungstaktik sei darin nicht zu erkennen. Zudem müsse ein Arbeitgeber Personalmaßnahmen grundsätzlich „auch einmal versuchen dürfen“. Auch die von der Mitarbeiterin angeführten kritischen Äußerungen ihrer Vorgesetzten könnten den Mobbing-Vorwurf nicht stützen. Nicht jede unberechtigte Kritik, überzogene Abmahnung oder gar unwirksame Kündigung stelle gleichzeitig auch eine Persönlichkeitsverletzung dar. Im Übrigen hätten die vorgetragenen Vorgänge teils Jahre auseinandergelegen und eine Gesamtschau lasse nicht erkennen, dass die Vorgänge in einem inneren Zusammenhang gestanden haben. Es sei auch nicht ersichtlich, dass die Vorgänge dazu dienten oder auch nur geeignet waren, die Würde der Arbeitnehmerin zu verletzen (LAG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 18.06.2010, Az.: 6 Sa 271/10).
Das bedeutet die Entscheidung
Viele Arbeitgeber werden von Mitarbeitern des Mobbings bezichtigt, weil es bisweilen harsche und zum Teil unberechtigte Kritik hagelt. Dabei beabsichtigen die meisten Arbeitgeber durch ihr Verhalten lediglich, optimale Leistungsprozesse zu schaffen und persönliche Defizite des Mitarbeiters abzubauen. Es stellt sich deshalb die Frage, wo die Grenze zur Belästigung zu ziehen ist.
Mobbing setzt systematisches Handeln voraus
Der Vorwurf des Mobbing ist nur berechtigt, wenn es sich um fortgesetzte, miteinander verzahnte Maßnahmen handelt, die zugleich die Würde des Mitarbeiters herabsetzen. In Betracht können dauerhafte Einschüchterungen, Anfeindungen, Erniedrigungen, aber auch Beleidigungen kommen.
Allerdings muss auch berücksichtigt werden, dass nicht jedes konfliktträchtige Handeln eines Arbeitgebers den Tatbestand des Mobbing erfüllt.
Kein Mobbing liegt vor bei
- berechtigter Kritik am Verhalten oder an der Person des Arbeitnehmers,
- unhöflicher Kritik,
- einer (berechtigte) schlechten Leistungsbeurteilung oder
- einer verbalen Auseinandersetzung.
Wichtiger Hinweis
Zu beachten ist jedoch, dass die vorbenannten „Nadelstiche“, die einzeln betrachtet bedeutungslos sind, bei ständiger Wiederholung über einen bestimmten Zeitraum hinweg eine Mobbing-Situation schaffen können.
Checkliste zum Download
Welches Verhalten Arbeitgeber grundsätzlich vermeiden sollten, erfahren sie in unsererCheckliste Mobbing.
- Kommentieren
- 7221 Aufrufe