Auf dem Postweg verschwundene Klageschrift hat die Klägerseite nicht zu vertreten
Ein Arbeitnehmer hat es nicht zu vertreten, wenn seine Klageschrift auf dem Postweg verloren geht und somit verspätet oder überhaupt nicht bei Gericht eingeht. Nach Auffassung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) ist in einem solchen Fall ein Antrag auf nachträgliche Klage zulässig.
Der Fall aus der Praxis
Eine Arbeitnehmerin klagte mit ihrer am 28.07.2008 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage gegen die Befristung ihres Arbeitsverhältnisses und forderte ihre vorläufige Weiterbeschäftigung. Zugleich beantragte sie die nachträgliche Zulassung ihrer Klage. Sie begründete ihren Antrag wie folgt: Sie habe ihrem Rechtsanwalt bereits am 11.06.2008 einen Klageauftrag erteilt. Dieser habe die Klage am 13.06.2008 ordnungsgemäß an das Arbeitsgericht adressiert und ausreichend frankiert in den Briefkasten geworfen. Aufgrund der anwaltlich verfügten Wiedervorlage der Akte am 11.07.2008 habe ihr Anwalt festgestellt, dass noch keine Ladung zur Güteverhandlung eingegangen sei. Daher habe er am 14.07.2008 bei der Eingangsregistratur des Arbeitsgerichts angerufen und erfahren, dass die Klage dort nicht eingegangen sei.
Das sagt der Richter
Das Gericht hat entschieden, dass der Antrag auf nachträgliche Klagezulassung zulässig ist. Wenn ein Arbeitnehmer trotz Anwendung aller ihm nach Lage der Umstände zuzumutenden Sorgfalt verhindert sei, die Befristungskontrollklage innerhalb von drei Wochen zu erheben, so sei diese gemäß § 17 Satz 2 des Teilzeit- und Befristungsgesetzes (TzBfG) in Verbindung mit § 5 Abs. 1 Satz 1 des Kündigungsschutzgesetzes (KSchG) nachträglich zuzulassen. Die nachträgliche Zulassung müsse beantragt werden sobald klar sei, dass die reguläre Klageerhebung gescheitert ist. Bei der Beurteilung, wann ein Prozessbeteiligter oder sein Bevollmächtigter bei ordnungsgemäßer Verfolgung der Rechtssache Kenntnis von der Fristversäumung hätte haben können, seien die verfassungsrechtlichen Vorgaben zu beachten. Nach dem durch Art. 19 Abs. 4 und Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) garantierten Anspruch auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes dürfe den Parteien der Zugang zu einer in der Verfahrensordnung vorgesehenen Instanz nicht in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigenden Weise erschwert werden. Es gehe also um die Frage, was einem Kläger oder seinem Prozessvertreter hinsichtlich der Kontrolle zumutbar sei, ob die Klageschrift auch tatsächlich bei Gericht eingegangen ist. Wurde eine Postsendung richtig adressiert und ausreichend frankiert, so treffe den Anwalt grundsätzlich keine Pflicht, sich nach dem Eingang des Schriftsatzes bei Gericht zu erkundigen. Er dürfe vielmehr auf eine ordnungsgemäße Briefbeförderung vertrauen. Nur wenn Anhaltspunkte vorlägen, dass etwas fehlgeschlagen sein könnte, bestehe eine Pflicht zur Weitererkundigung (BAG, Urteil vom 06.10.2010, Az.: 7 AZR 569/09).
Das bedeutet die Entscheidung
Nach § 4 Satz 1 KSchG muss ein Arbeitnehmer innerhalb einer Frist von drei Wochen nach Zugang der schriftlichen Kündigung Klage beim Arbeitsgericht erheben, wenn er geltend machen will, dass die Kündigung sozial ungerechtfertigt oder aus anderen Gründen unwirksam ist. Wird die Kündigung nicht rechtzeitig innerhalb der Drei-Wochen-Frist angegriffen, gilt sie nach § 7 KSchG als von Anfang an wirksam. Nur wenn ein Arbeitnehmer trotz Anwendung aller ihm nach Lage der Umstände zuzumutenden Sorgfalt verhindert war, die Klage innerhalb dieser Frist zu erheben, kommt ausnahmsweise eine nachträgliche Zulassung der Kündigungsschutzklage gemäß § 5 Abs. 1 KSchG in Betracht.
Checkliste zum Download
Welche Voraussetzungen vorliegen müssen, damit ein Antrag auf nachträgliche Klagezulassung Erfolg hat, erfahren Sie anhand unserer Checkliste Nachträgliche Klagezulassung.
Wichtiger Hinweis
Auch eine Befristungskontrollklage muss gemäß § 17 Satz 1 TzBfG innerhalb von drei Wochen nach dem vereinbarten Ende des befristeten Arbeitsvertrags beim Arbeitsgericht eingehen. Nach § 17 Satz 2 TzBfG gelten die §§ 5 bis 7 KSchG entsprechend.
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