Kündigungsschutz gemäß Kündigungsschutzgesetz gilt nur für inländische Betriebe
Kein Weiterbeschäftigungsanspruch – Kündigungsschutz gilt nicht für ungarischen Betrieb
Ein gekündigter Arbeitnehmer kann sich nur dann auf den Kündigungsschutz nach dem Kündigungsschutzgesetz berufen, wenn er für einen in Deutschland gelegenen Betrieb tätig ist. Das Landesarbeitsgericht (LAG) Hamburg hat entschieden, dass der Erste Abschnitt des Kündigungsschutzgesetzes nur für deutsche Standorte gilt, sodass bei der Prüfung der sozialen Rechtfertigung einer Kündigung nach Stilllegung des inländischen Betriebs die Möglichkeit einer Weiterbeschäftigung in einem ausländischen Betrieb des Unternehmens unberücksichtigt bleibt.
Der Fall aus der Praxis
Ein Arbeitnehmer ist bei einer Kapitalgesellschaft ungarischen Rechts mit Hauptsitz in Budapest beschäftigt. Das Unternehmen beschäftigte in Deutschland in mehreren Büros Mitarbeiter, darunter auch den Arbeitnehmer. Die Gesellschaft beschloss, alle ausländischen Büros in Europa außerhalb Ungarns zu schließen und kündigte deshalb die Arbeitsverhältnisse sämtlicher Mitarbeiter in Deutschland - auch der Arbeitnehmerin - aus betriebsbedingten Gründen. Der Arbeitnehmer wehrte sich mit einer Kündigungsschutzklage und forderte seine Weiterbeschäftigung, weil die Kündigung aus seiner Sicht sozial ungerechtfertigt sei. Es hätte der Durchführung einer Sozialauswahl bedurft. Außerdem hätte er in Budapest weiterbeschäftigt werden können, weil nicht davon auszugehen sei, dass die Mitarbeiter des Unternehmens in Budapest nunmehr zusätzliche Dienstleistungen ohne Mehrarbeit würden verrichten können.
Der Arbeitgeber entgegnete, dass eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit nur in Bezug auf Betriebe, die in Deutschland gelegen seien, zu berücksichtigen sei. Der Erste Abschnitt des Kündigungsschutzgesetzes gelte nur für inländische Betriebe. Er sei nicht verpflichtet, einen Arbeitsplatz in Budapest anzubieten.
Das sagt das Gericht
Das Gericht entschied den Rechtsstreit zugunsten des ungarischen Arbeitgebers. Die betriebsbedingte Kündigung sei nicht gemäß § 1 Abs. 2 Satz 1 Kündigungsschutzgesetz (KSchG) sozial ungerechtfertigt, weil sie durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers im Betrieb entgegenstehen, bedingt sei. Der Arbeitgeber habe die unternehmerische Entscheidung getroffen, aus wirtschaftlichen Gründen alle Büros in Deutschland zu schließen. Eine derartige Entscheidung führe zum Wegfall sämtlicher Arbeitsplätze in Deutschland. Diese Entscheidung sei auch nicht offenbar unsachlich oder willkürlich. Soweit der Arbeitnehmer argumentiere, dass die übrigen Standorte in Europa nicht geschlossen worden seien, sei dieser Vortrag in diesem Zusammenhang unerheblich. Denn im Rahmen der Frage der sozialen Rechtfertigung nach § 1 Abs. 2 S. 1 KSchG komme es allein darauf an, ob Gründe einer Weiterbeschäftigung im Betrieb entgegenstehen. Als Betrieb im kündigungsschutzrechtlichen Sinne könnten im Streitfall jedoch nur die in Deutschland gelegenen Büros zusammengefasst werden. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts sei der Erste Abschnitt des Kündigungsschutzgesetzes nur auf in Deutschland gelegene Betriebe anwendbar. Dieser Rechtsprechung sei zuzustimmen. Sie ergebe sich aus der Entwicklung des Kündigungsrechts und führe zu sachgerechten Ergebnissen. Der deutsche Gesetzgeber könne einem ausländischen Unternehmen schließlich keine arbeitsrechtlichen Maßnahmen auferlegen, die sich aus dem nationalen Kündigungsschutzrecht ergäben (LAG Hamburg, Urteil vom 11.05.2011, Az.: 5 Sa 1/11).
Sozialauswahl entbehrlich
Das Gericht betonte in seinen Urteilsgründen, dass die Kündigung auch nicht wegen fehlender Sozialauswahl sozial ungerechtfertigt war, denn die Sozialauswahl ist stets betriebsbezogen durchzuführen. In die Auswahlentscheidung sind deshalb ausschließlich vergleichbare Arbeitnehmer einzubeziehen, die in demselben Betrieb wie der unmittelbar kündigungsbedrohte Beschäftigte tätig sind. Als Betrieb im Sinne des Kündigungsschutzes nach dem Kündigungsschutzgesetz können nur die deutschen Standorte des ungarischen Unternehmens zusammengefasst werden. Die ungarische Kapitalgesellschaft als Arbeitgeber hat hier allen Beschäftigten in Deutschland gekündigt, sodass auch keine Sozialauswahl erforderlich war.
Kündigungsschutzgesetz nicht anwendbar - Kein Kündigungsschutz in Kleinbetrieben
Der Kündigungsschutz nach dem Kündigungsschutzgesetz (KSchG) gilt für alle Betriebe, Unternehmen und Verwaltungen des privaten und öffentlichen Rechts. Ausgenommen vom Kündigungsschutz nach §§ 1 bis 14 KSchG sind die Beschäftigten sogenannter Kleinbetriebe, in denen nicht mehr als die von § 13 Abs. 1 KSchG geforderte Mindestzahl von zehn Arbeitnehmern beschäftigt sind (Schwellenwert).
Kündigungsschutz greift erst nach sechsmonatiger Wartezeit
Ein Arbeitnehmer muss zuerst die gesetzlich geforderte Wartezeit von sechs Monaten erfüllen, bevor die Regelungen des Kündigungsschutzgesetzes Anwendung finden. Mit anderen Worten muss der Arbeitnehmer nach § 1 Abs. 1 KSchG zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung länger als sechs Monate in demselben Betrieb bzw. Unternehmen beschäftigt sein.
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