Umgang mit Low Performern: Nicht jede Kündigung wegen Schlechtleistung ist zulässig
Kündigung wegen Schlechtleistung setzt Leistungsvergleich mit Kollegen voraus
Viele Arbeitgeber tun sich im Umgang mit Low Performern schwer. Es herrscht Unsicherheit in der Frage, unter welchen Voraussetzungen die Leistungsschwäche eines Mitarbeiters eine Kündigung wegen Schlechtleistung rechtfertigt. Nach einer Entscheidung des Landesarbeitsgerichts (LAG) München (Az.: 3 Sa 764/10) kann ein Arbeitgeber einem Mitarbeiter jedenfalls nicht einfach mit der Begründung kündigen, dieser würde zu viele Fehler machen.
Der Fall aus der Praxis
Eine Arbeitnehmerin ist in einem Unternehmen in der Versandabteilung tätig. Sie ist für die Erfassung nationaler und internationaler Frachtdaten zuständig. Nachdem sie einige Fehler begangen hatte (Frachtgut falsch bezeichnet, Zollgut nicht als solches deklariert) erhielt sie die Kündigung. Der Arbeitgeber begründete die Kündigung mit dem Argument, dass die Arbeitnehmerin Fehler gemacht habe, die andere Arbeitnehmer nicht machten. Vor der betrieblichen Umorganisation habe sie anstandslos gearbeitet. Es fehle ihr somit nicht am Fachwissen, sondern an der Bereitschaft, dieses Fachwissen entsprechend einzusetzen.
Die Arbeitnehmerin erhob Kündigungsschutzklage. Sie begründete die Klage damit, dass auch andere Mitarbeiter Fehler machen würden. Bei den vom Arbeitgeber geschilderten Vorfällen handele es sich um Bagatellen. Zudem sei dem Betrieb durch ihr Verhalten kein Schaden zugefügt worden.
Das sagt das Gericht
Die Kündigungsschutzklage hatte Erfolg. Nach Meinung des Gerichts sei das vom Arbeitgeber beanstandete Arbeitsverhalten der Mitarbeiterin zwar als qualitative Minderleistung zu werten. Dennoch sei die Kündigung nicht gerechtfertigt. Bei der Bewertung, ob eine qualitative Minderleistung vorliege, komme es darauf an, ob der Arbeitnehmer dasjenige tue, was er solle, und zwar so gut, wie er könne. Die Leistungspflicht sei nicht starr, sondern dynamisch. Sie orientiere sich an der Leistungsfähigkeit des Arbeitnehmers. Ein objektiver Maßstab sei nicht anzusetzen. Der Umstand, dass der Arbeitnehmer unterdurchschnittliche Leistungen erbringe, müsse nicht zwangsläufig bedeuten, dass er seine persönliche Leistungsfähigkeit nicht ausschöpfe. Allerdings könne die langfristige deutliche Überschreitung der durchschnittlichen Fehlerquote ein Anhaltspunkt dafür sein, dass der Arbeitnehmer seine vertraglichen Pflichten verletze. Dazu müsse der Arbeitgeber jedoch Tatsachen darlegen, aus denen ersichtlich sei, dass die Leistung des Arbeitnehmers deutlich hinter denen vergleichbarer Mitarbeiter zurückgeblieben sei. Notwendig sei also eine Vergleichsmöglichkeit mit der Vergleichsgruppe. Einen solchen Vergleich habe der Arbeitgeber im Streitfall nicht angestrengt (LAG München, Urteil vom 03.03.2011, Az.: 3 Sa 764/10).
Das bedeutet die Entscheidung
Eine Kündigung wegen Schlechtleistung setzt also voraus, dass die Durchschnittsleistung der vergleichbaren anderen Arbeitnehmer über einen längeren Zeitraum vom Arbeitgeber dokumentiert wird. Nur so kann festgestellt werden, ob der gekündigte Mitarbeiter die durchschnittliche Fehlerhäufigkeit über einen längeren Zeitraum erheblich überschritten hat. Liegt eine überdurchschnittliche Häufigkeit vor, so kann diese je nach Fehlerzahl, Art und Schwere der Folgen eine Kündigung rechtfertigen.
Wichtiger Hinweis
Vor dem Ausspruch einer Kündigung wegen Schlechtleistung sollte der Arbeitgeber mit dem Low Performer ein Personalgespräch führen und die Gründe für die Leistungsschwäche erörtern. Aufgrund des geltenden Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes ist immer auch an eine anderweitige Beschäftigungsmöglichkeit für den Low Performer zu denken bzw. eine Abmahnung auszusprechen
Low Performer sind leistungsschwach
Als Low Performer werden leistungsschwache Mitarbeiter bezeichnet, die Minderleistungen erbringen. Eine Minderleistung liegt vor, wenn die tatsächlich erbrachte Leistung (Ist-Leistung) von der arbeitsvertraglich geschuldeten Leistung (Soll-Leistung) negativ abweicht. Diese Abweichung kann im Verhalten oder in der Person des Arbeitnehmers begründet sein. In dem Verhalten des Mitarbeiters ist die Minderleistung begründet, wenn der Mitarbeiter kann, aber nicht will. Auf die Person ist die Minderleistung zurückzuführen, wenn der Mitarbeiter will, aber nicht kann.
Kündigung wegen Schlechtleistung kann verhaltensbedingt oder personenbedingt erfolgen
Die Kündigung gegenüber einem Arbeitnehmer wegen Schlechtleistung bzw. Minderleistung kann nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) als verhaltensbedingte oder als personenbedingte Kündigung gerechtfertigt sein (BAG, Urteil vom 03.06.2004, Az.: 2 AZR 386/03):
- Eine verhaltensbedingte Kündigung setzt voraus, dass dem Arbeitnehmer eine Pflichtverletzung vorzuwerfen ist. Eine längerfristige deutliche Unterschreitung der durchschnittlichen Arbeitsleistung kann ein Anhaltspunkt dafür sein, dass der Arbeitnehmer weniger arbeitet als er könnte („der Arbeitnehmer kann, will aber nicht“).
- Eine personenbedingte Kündigung kommt in Betracht, wenn bei einem über längere Zeit erheblich leistungsschwachen Arbeitnehmer auch für die Zukunft mit einer schweren Störung des Vertragsgleichgewichts zu rechnen ist („der Arbeitnehmer will, kann aber nicht“).
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