Kündigung ohne Abmahnung ist grundsätzlich unwirksam
Keine ordentliche Kündigung des Arbeitsvertrags ohne vorherige Abmahnung
Bedient sich ein Arbeitnehmer im Gespräch mit einer Kollegin der Nazi-Floskel "Jawohl mein Führer", so stellt dieses Verhalten einen Grund für eine verhaltensbedingte Kündigung dar. Das Landesarbeitsgericht (LAG) Rheinland-Pfalz hat entschieden, dass auch die Kündigung des Arbeitsvertrags aufgrund eines Nazi-Vergleichs regelmäßig eine Abmahnung voraussetzt.
Arbeitgeber kündigt Arbeitsvertrag ohne Abmahnung
Der Fall aus der Praxis
Der Bereichsleiter eines Lebensmitteldiscounters wurde von Seiten des Verkaufssekretariats an fehlende Umsatzmeldungen erinnert. Im Rahmen des diesbezüglich mit dem Bereichsleiter geführten Telefongesprächs unterstrich die Mitarbeiterin des Sekretariats, dass der Verkaufsleiter die Meldungen schnellstmöglich fordere. Der Bereichsleiter kommentierte dies mit der Bemerkung: "Jawohl, mein Führer". Als der Arbeitgeber von dem Vorfall Kenntnis erlangte, kündigte er das Arbeitsverhältnis mit dem Bereichsleiter ordentlich verhaltensbedingt. Der Bereichsleiter erhob Kündigungsschutzklage.
Abmahnung vor Kündigung objektiviert die negative Prognose
Das sagt das Gericht
Mit Erfolg. Nach Meinung des Gerichts liege zwar ein Grund vor, der an sich geeignet sei, eine verhaltensbedingte Kündigung zu rechtfertigen. Dieser Grund führe jedoch im Rahmen der Interessenabwägung unter besonderer Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls, insbesondere auch des Verhältnismäßigkeitsprinzips, nicht zum Überwiegen der Interessen des Arbeitgebers an der Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Für eine verhaltensbedingte Kündigung gelte das Prognoseprinzip. Der Zweck der Kündigung sei nicht eine Sanktion für eine Vertragspflichtverletzung, sondern die zukünftige Vermeidung des Risikos weiterer erheblicher Pflichtverletzungen. Eine negative Prognose liege vor, wenn aus der konkreten Vertragspflichtverletzung und der daraus resultierenden Vertragsstörung geschlossen werden könne, der Arbeitnehmer werde auch zukünftig den Arbeitsvertrag nach einer Kündigungsandrohung erneut in gleicher oder ähnlicher Weise verletzen. Deshalb setze eine Kündigung wegen einer Vertragspflichtverletzung regelmäßig eine vorausgegangene einschlägige Abmahnung voraus. Diese diene der Objektivierung der negativen Prognose. Liege eine ordnungsgemäße Abmahnung vor und verletze der Arbeitnehmer erneut seine vertraglichen Pflichten, könne regelmäßig davon ausgegangen werden, es werde auch zukünftig zu weiteren Vertragsverstößen kommen (LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 20.01.2011, Az.: 11 Sa 353/10).
Abmahnung gilt als Gelbe Karte des Arbeitsrechts
Der Arbeitgeber rügt mit einer Abmahnung die Verletzung einer arbeitsvertraglichen Pflicht durch den Arbeitnehmer und droht zugleich mit arbeitsrechtlichen Konsequenzen für den Fall, dass der Arbeitnehmer wiederholt gegen die arbeitsvertraglichen Verpflichtungen verstößt.
Wichtiger Hinweis
Die Abmahnung hat eine Warn- und Hinweisfunktion. Sie muss dem Arbeitnehmer klar zu erkennen geben, welches konkrete Verhalten der Arbeitgeber rügt. Die Pflichtverletzung muss explizit benannt sein, damit der Arbeitnehmer die Möglichkeit erhält, seinen Pflichtverstoß zu erkennen und sein Verhalten für die Zukunft zu ändern (Hinweisfunktion). Darüber hinaus muss die Abmahnung den Arbeitnehmer unmissverständlich dahingehend warnen, dass bei einem erneuten Pflichtverstoß der Inhalt oder der Bestand des Arbeitsvertrags bedroht ist. Der Arbeitgeber muss für den Wiederholungsfall konkret mit einer Kündigung oder einer Änderungskündigung drohen (Warnfunktion).
In diesen Fällen ist eine Abmahnung vor der Kündigung entbehrlich
Auch im Arbeitsrecht gilt: Keine Ausnahme ohne Regel. Mit anderen Worten muss nicht jeder verhaltensbedingten Kündigung zwingend eine Abmahnung vorangehen. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) ist eine Abmahnung entbehrlich, wenn das einmalige Fehlverhalten so schwerwiegend war, dass es das Vertrauensverhältnis zum Arbeitgeber unwiderruflich zerstört hat oder der Arbeitnehmer bewusst und fortgesetzt schwere Vertragsverletzungen begeht. Als Faustformel können Sie sich merken, dass eine Abmahnung immer dann entbehrlich ist, wenn sie weder geeignet noch in der Lage ist, die Störung des Vertrauensverhältnisses zu beseitigen. Beispiele aus der Rechtsprechung für die Entbehrlichkeit einer Abmahnung vor dem Ausspruch einer Kündigung sind:
- Vermögensdelikte zulasten des Arbeitgebers (z. B. Diebstahl, Unterschlagung, Betrug),
- Tätlichkeiten gegenüber dem Arbeitgeber,
- grobe Beleidigungen von Vorgesetzten oder Arbeitgebern,
- unsittliches Verhalten gegenüber Mitarbeitern,
- Verrat von Betriebsgeheimnissen,
- schwere Verstöße gegen das Wettbewerbsverbot oder
- wenn der Arbeitnehmer bereits mehrfach und eindeutig zum Ausdruck gebracht hat, dass er sein Verhalten auch durch eine Abmahnung nicht ändern wird.
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