Kündigung wegen aufgedeckter Straftaten abgelehnt - Chefermittlerin darf bleiben
Schlappe für die Deutsche Bahn AG: Nach einem Urteil des Arbeitsgerichts (ArbG) Berlin hat das Unternehmen im Zuge der Aufräumarbeiten nach der Datenaffäre ihre Chefermittlerin zu Unrecht gefeuert.
Der Fall aus der Praxis
Eine Diplom-Ökonomin war seit Juli 2000 bei der Deutschen Bahn AG im Vorstandsressort "Compliance" in leitender Stellung für die nationalen Ermittlungen zuständig. Um etwaige Korruptionsfälle aufzudecken, wurde ein Dienstleister mit Überwachungsmaßnahmen beauftragt, wie z. B. einem groß angelegten Abgleich von Mitarbeiter- und Lieferantendaten. Nachdem diese Maßnahme aufgedeckt und in der Öffentlichkeit auf heftige Kritik gestoßen war, kündigte das Unternehmen der Mitarbeiterin fristlos, hilfsweise fristgerecht. Die gekündigte Ermittlerin fühlte sich als Bauernopfer und erhob Kündigungsschutzklage.
Das sagt der Richter
Das Gericht erklärte die Kündigung für unwirksam. Es fehle bereits an einem Kündigungsgrund. Die Deutsche Bahn AG habe vorgetragen, dass die Mitarbeiterin die fraglichen Überwachungsmaßnahmen unter Verletzung von Datenschutzbestimmungen veranlasst habe. Dieser Vorwurf sei nicht nachvollziehbar. Es habe grundsätzlich zu den Aufgaben der Ermittlerin gehört, bei einem Straftatverdacht Überwachungsmaßnahmen zu veranlassen. Entsprechende Maßnahmen seien zum damaligen Zeitpunkt vom Unternehmen offenbar auch erwünscht gewesen. Dass eine Überwachung im streitigen Umfang angesichts der massiven öffentlichen Kritik als nicht mehr opportun erscheine, könne der Mitarbeiterin nicht vorgehalten werden. Außerdem setze die Kündigung eines leitenden Mitarbeiters im Bereich Compliance wegen von ihm veranlasster Überwachungsmaßnahmen nicht nur einen objektiven, sondern auch einen subjektiven Rechtsverstoß voraus. Dazu habe das Unternehmen nicht ausreichend vorgetragen. Es hätte insbesondere darlegen müssen, dass die Mitarbeiterin, die keine juristische Ausbildung absolviert hat, sich über etwaige Bedenken ihrer juristisch geschulten Mitarbeiter hinweggesetzt hätte. Dagegen spreche, dass die Bahn AG offenbar ein Rechtsgutachten eingeholt hatte, dass die Zulässigkeit von bestimmten Überwachungsmaßnahmen bestätigte (ArbG Berlin, Urteil vom 18.02.2010, Az.: 38 Ca 12879/09).
Das bedeutet die Entscheidung
Auch wenn die Berufungsverhandlung noch aussteht - mit dieser Entscheidung hat das Gericht internen Fahndern den Rücken gestärkt. Bei begründetem Verdacht von Korruption dürfen sie zu gezielten Kontrollen greifen. Auch der Einsatz von Detektiven oder die Überwachung des E-Mail-Verkehrs ist dabei nicht ausgeschlossen. Darüber hinaus kann auch die Notwendigkeit bestehen, personenbezogene Daten von Mitarbeitern in Bezug auf Dritte, z. B. Angehörige oder Auftragskunden, abzugleichen. Allerdings gibt der Gesetzgeber in diesen Fällen einen Rahmen vor, der äußerst eng gesteckt ist.
Wichtiger Hinweis
Mit Einführung des neuen § 32 Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) hat der Gesetzgeber eine besondere Bestimmung zur Erhebung, Verarbeitung und Nutzung von Beschäftigtendaten geschaffen. Diese umfasst auch Papierakten und handschriftliche Aufzeichnungen.
Arbeitgeber oder deren Beauftragte dürfen personenbezogene Daten eines Beschäftigten nur noch erheben, verarbeiten oder nutzen, wenn dies
- für die Entscheidung über die Begründung eines Beschäftigungsverhältnisses oder nach Begründung des Beschäftigungsverhältnisses für dessen Durchführung oder Beendigung erforderlich ist oder
- im Hinblick auf die Durchführung eines Arbeitsverhältnisses der üblichen Aufgabensicherung der Personalabteilungen dient oder
- für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses relevant ist.
Vorsicht
Grundsätzlich dürfen auch weiterhin entsprechende Maßnahmen weder der Art noch dem Umfang nach unangemessen sein. Eine Abwägung nach Schwere des Eingriffs und dem Aufdeckungsinteresse ist und bleibt deshalb nicht unentbehrlich. Es ist deshalb stets das mildeste Mittel zu wählen, das am wenigsten in das informationelle Selbstbestimmungsrecht der Mitarbeiter eingreift.
Checkliste zum Download
Zur Aufdeckung von Straftaten im Unternehmen gelten besondere Voraussetzungen. Welche das sind, erfahren Sie durch einen Blick in unsererCheckliste Datennutzung zur Aufdeckung von Straftaten.
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