Selbstbestimmungsrecht: Kirchenaustritt rechtfertigt fristlose Kündigung
Austritt aus der Katholischen Kirche kostet Sozialpädagogen den Arbeitsplatz
Die katholische Kirche genießt zurzeit nicht den besten Ruf als Arbeitgeber. Gerichtsentscheidungen wie das nachstehend aufgeführte Urteil des Bundesarbeitsgerichts tragen sicherlich nicht dazu bei, diesen Zustand zu verbessern.
Ein Arbeitnehmer, der als katholischer Christ eingestellt worden ist, sollte später jedenfalls nicht seinen Kirchenaustritt erklären. Denn dann schützen auch eine Dienstzeit von fast 20 Jahren und ein aus Gewissensgründen erfolgter Austritt aus der katholischen Kirche nicht vor der fristlosen Kündigung.
Der Fall
Der Kläger ist seit 1992 beim beklagten Caritasverband als Sozialpädagoge in einer Kindertagesstätte beschäftigt, in der Schulkinder bis zum 12. Lebensjahr nachmittags betreut werden. Die Religionszugehörigkeit der Kinder ist ohne Bedeutung. Religiöse Inhalte werden in der Kindertagesstätte nicht vermittelt. Im Februar 2011 trat der Kläger aus der katholischen Kirche aus. Gegenüber seinem Arbeitgeber begründete er den Kirchenaustritt mit den zahlreichen Missbrauchsfälle in katholischen Einrichtungen, die Vorgänge um die „Piusbruderschaft“ und die Karfreitagsliturgie. Daraufhin erhielt er die fristlose Kündigung. Der Sozialpädagoge erhob Kündigungsschutzklage.
Das sagt das Gericht
Ohne Erfolg. Nach Auffassung der Bundesrichter habe der Kläger durch seinen Austritt gegen seine arbeitsvertraglichen Loyalitätspflichten verstoßen. Deshalb sei es dem Caritasverband als Arbeitgeber nicht zumutbar gewesen, den Kläger als Sozialpädagogen weiterzubeschäftigen. Nach dem kirchlichen Selbstverständnis habe der Kläger unmittelbar „Dienst am Menschen“ geleistet und damit am Sendungsauftrag der katholischen Kirche teilgenommen. Ihm fehle infolge seines Kirchenaustritts nach dem Glaubensverständnis des Arbeitgebers die Eignung für eine Weiterbeschäftigung im Rahmen der Dienstgemeinschaft. Zwar habe auch die Glaubens- und Gewissensfreiheit des Klägers ein hohes Gewicht. Sie müsse aber im Streitfall hinter das Selbstbestimmungsrecht des Beklagten zurücktreten. Dieser könne hier von den staatlichen Gerichten nicht gezwungen werden, im verkündigungsnahen Bereich einen Mitarbeiter weiterzubeschäftigen, der nicht nur in einem einzelnen Punkt den kirchlichen Loyalitätsanforderungen nicht gerecht geworden sei, sondern sich insgesamt von der katholischen Glaubensgemeinschaft losgesagt habe. Dauer und Lebensalter des Klägers würden demgegenüber im Ergebnis nicht ins Gewicht fallen. Für Sozialpädagogen gebe es zudem auch außerhalb der katholischen Kirche und ihrer Einrichtungen Beschäftigungsmöglichkeiten (BAG, Urteil vom 25. April 2013, Az.: 2 AZR 579/12).
AGG gestattet Ungleichbehandlung wegen der Religion
Das BAG hat in der Kündigung auch keine Diskriminierung des Klägers nach §§ 7, 1 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG) gesehen. Die Ungleichbehandlung wegen seiner Religion sei nach § 9 Abs. 1, Abs. 2 AGG gerechtfertigt. (siehe „Das sagt das AGG“).
So funktioniert das Selbstbestimmungsrecht der Kirchen
Das Selbstbestimmungsrecht der Kirchen ist verfassungsrechtlich garantiert. Nach Art. 140 Grundgesetz (GG) in Verbindung mit Art. 137 Abs. 3 Satz 1 Weimarer Reichsverfassung (WRV) ordnet und verwaltet jede Religionsgesellschaft ihre Angelegenheiten innerhalb der Schranken der für alle geltenden Gesetze selbst. Dieses Recht haben neben den verfassten Kirchen auch die ihnen zugeordneten karitativen Einrichtungen. Das Selbstbestimmungsrecht ermöglicht es den Kirchen, den kirchlichen Dienst auch im Rahmen privatrechtlich begründeter Arbeitsverhältnisse entsprechend ihrem Selbstverständnis zu regeln.
Kirchen-Grundordnung sieht Kirchenaustritt als schwerwiegenden Loyalitätsverstoß
Nach der Grundordnung des kirchlichen Dienstes im Rahmen kirchlicher Arbeitsverhältnisse von 1993 ist der Austritt aus der katholischen Kirche ein schwerwiegender Loyalitätsverstoß, der eine Weiterbeschäftigung des Mitarbeiters nicht zulässt. Im Kündigungsschutzprozess haben die Arbeitsgerichte zwischen den Grundrechten der Arbeitnehmer - etwa auf Glaubens- und Gewissensfreiheit – und dem Selbstbestimmungsrecht der Religionsgesellschaft abzuwägen.
Das sagt das AGG
§ 1 Ziel des Gesetzes
Ziel des Gesetzes ist, Benachteiligungen aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität zu verhindern oder zu beseitigen.
§ 7 Benachteiligungsverbot
(1) Beschäftigte dürfen nicht wegen eines in § 1 genannten Grundes benachteiligt werden; dies gilt auch, wenn die Person, die die Benachteiligung begeht, das Vorliegen eines in § 1 genannten Grundes bei der Benachteiligung nur annimmt.
§ 9 Zulässige unterschiedliche Behandlung wegen der Religion oder Weltanschauung
(1) Ungeachtet des § 8 ist eine unterschiedliche Behandlung wegen der Religion oder der Weltanschauung bei der Beschäftigung durch Religionsgemeinschaften, die ihnen zugeordneten Einrichtungen ohne Rücksicht auf ihre Rechtsform oder durch Vereinigungen, die sich die gemeinschaftliche Pflege einer Religion oder Weltanschauung zur Aufgabe machen, auch zulässig, wenn eine bestimmte Religion oder Weltanschauung unter Beachtung des Selbstverständnisses der jeweiligen Religionsgemeinschaft oder Vereinigung im Hinblick auf ihr Selbstbestimmungsrecht oder nach der Art der Tätigkeit eine gerechtfertigte berufliche Anforderung darstellt.
(2) Das Verbot unterschiedlicher Behandlung wegen der Religion oder der Weltanschauung berührt nicht das Recht der in Absatz 1 genannten Religionsgemeinschaften, der ihnen zugeordneten Einrichtungen ohne Rücksicht auf ihre Rechtsform oder der Vereinigungen, die sich die gemeinschaftliche Pflege einer Religion oder Weltanschauung zur Aufgabe machen, von ihren Beschäftigten ein loyales und aufrichtiges Verhalten im Sinne ihres jeweiligen Selbstverständnisses verlangen zu können.
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