Verantwortungsgrad entscheidet über Eingruppierung als Oberarzt
Mit großer Spannung hatten Oberärzte die Entscheidung des Bundesarbeitsgericht (BAG) zu den neuen tariflichen Eingruppierungsregeln erwartet. Das Ergebnis ist ernüchternd. Die Auslegung der Tätigkeitsmerkmale durch die Bundesrichter ist nicht nach dem Geschmack der Ärzteschaft.
Der Fall aus der Praxis
Ein Facharzt war in einem Universitätsklinikum beschäftigt. Auf Veranlassung der Klinikleitung wurde er ab Mai 2006 auf den Arztbriefen sowie in Stationsbesetzungsplänen als Oberarzt ausgewiesen. In der Folgezeit wurde er auf wechselnden Stationen eingesetzt, allerdings zu keinem Zeitpunkt als alleiniger Oberarzt. Nach den jeweiligen Organisationsplänen war vielmehr jeweils mindestens ein weiterer Oberarzt für die Station verantwortlich. Zum 31.12.2008 schied er aus dem Arbeitsverhältnis aus. Mit seiner Klage verlangte er die Zahlung rückständigen Lohns nach Maßgabe der Entgeltgruppe Ä3 TV Ärzte. Diese eigenständige Entgeltgruppe für Oberärzte ist erstmals mit den 2006 in Kraft getretenen Tarifverträgen zwischen dem Marburger Bund und der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) sowie der Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL) geschaffen worden. Der Arzt argumentierte, dass er nach Maßgabe der tariflichen Eingruppierungsregelungen als Oberarzt tätig gewesen sei. Der Arbeitgeber entgegnete, der Kläger sei lediglich als Facharzt tätig geworden und deshalb als "Nennoberarzt" anzusehen.
Das sagt der Richter
Die Klage hatte keinen Erfolg. Nach Meinung des Gerichts habe der Arzt keinen Anspruch darauf, in die für Oberärzte geltende Entgeltgruppe eingruppiert zu werden. Eine solche Eingruppierung setze voraus, dass eine Oberarzttätigkeit ausgeübt werde, die zumindest die Übertragung der alleinigen medizinischen Verantwortung für einen Teilbereich oder eine Abteilung der Klinik erfordere. Der Kläger habe keine Oberarzttätigkeit im Sinne der neuen Eingruppierungsregeln ausgeübt, weil er zu keinem Zeitpunkt allein für einen Teilbereich der Klinik verantwortlich gewesen sei, sondern ihm stets mindestens ein weiterer Oberarzt zur Seite gestanden habe (BAG, Urteil vom 09.12.2009, Az.: 4 AZR 841/08).
Das bedeutet die Entscheidung
Kernpunkt der Entscheidung ist die Auslegung der für Oberärzte geltenden Vergütungsgruppe Ä3 TV Ärzte. Aufgrund der Neuheit dieser Regelung waren viele Fragen offen. Vor allem bestanden Unsicherheiten bezüglich des Merkmals der „Verantwortlichkeit“ eines Oberarztes. Diesem Klärungsbedarf hat das Gericht nun Rechnung getragen.
BAG konkretisiert Eingruppierungsmerkmale
Das BAG hat in seiner Entscheidung die Voraussetzungen für eine Eingruppierung als Oberarzt wie folgt konkretisiert:
1. Die medizinische Verantwortungist einem Oberarzt nur dann übertragen, wenn er für den betreffenden Teilbereich die Alleinverantwortung trägt, ungeachtet der ohnehin bestehenden Letztverantwortung des Chefarztes. Außerdem muss er über ein Aufsichts- und eingeschränktes Weisungsrecht für das ihm unterstellte medizinische Personal in dem zugewiesenen Teilbereich verfügen. Zudem ist erforderlich, dass ihm nicht nur Assistenzärzte unterstellt sind, sondern in aller Regel auch mindestens ein Facharzt.
2. Als Teilbereicheiner Klinik gilt eine organisatorisch abgrenzbare Untergliederung, die zur Erfüllung eines medizinischen Zweckes auf Dauer mit Personen und Sachmitteln ausgestattet ist.
3. Die medizinische Verantwortung für den Teilbereich der Klinik muss dem Oberarzt in einer dem Arbeitgeber zurechenbaren Weise übertragen worden sein. Hierfür reicht eine vor Inkrafttreten der Tarifverträge ausgesprochene "Ernennung" zum "Oberarzt" in aller Regel nicht aus.
Wichtiger Hinweis
Der Oberarzt steht in seiner Abteilung an der Spitze der Hierarchie. Über ihm steht aber immer noch der Chefarzt. Dieser trägt die Verantwortung für die gesamte Klinik.
Checkliste zum Download
Anhand unserer Checkliste Voraussetzungen für die Eingruppierung als Oberarzt können Sie ersehen, welche Merkmale vorliegen müssen, um als Oberarzt eingruppiert zu werden.
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