Diplomatische Immunität bewahrt ausbeuterischen Arbeitgeber vor Klage auf Schmerzensgeld
Diplomatische Immunität: Schmerzensgeld-Klage gegen Arbeitgeber unzulässig
Das Landesarbeitsgericht (LAG) Berlin-Brandenburg (Az.: 17 Sa 1468/11) hat die Klage auf Schmerzensgeld einer indonesischen Hausangestellten gegen einen saudischen Diplomaten abgewiesen, der ihr Arbeitgeber war. Die Frau hatte angegeben, von dem Diplomaten und seiner Familie in Berlin anderthalb Jahre lang ausgebeutet und misshandelt worden zu sein.
Der Fall aus der Praxis
Ein saudischer Diplomat soll seine indonesische Hausangestellte dazu angehalten haben, an sieben Tagen in der Woche bis zu 20 Stunden am Tag zu arbeiten, ohne das vereinbarte Arbeitsentgelt zu bezahlen und Unterkunft und Verpflegung zu gewähren. Die Frau soll über einen Zeitraum von 19 Monaten ausgebeutet, regelmäßig körperlich misshandelt und gedemütigt worden sein. Stellvertretend für sie klagen Anwälte und eine Frauenrechtlerin auf 70.000 € und Schmerzensgeld. Das Deutsche Institut für Menschenrechte finanziert den Prozess. Der Diplomat berief sich auf seine Immunität vor gerichtlicher Inanspruchnahme und wies die gegen ihn erhobenen Vorwürfe als unberechtigt zurück.
Das sagt das Gericht
Das Gericht erklärte die Klage für unzulässig. Nach Auffassung der Richter genießen Diplomaten nach § 18 Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) Immunität und können während der Dauer der Immunität auch bei – tatsächlich oder angeblich – schweren Rechtsverletzungen nicht gerichtlich in Anspruch genommen werden. Die diplomatische Immunität sei seit langem völkerrechtlich anerkannt und unverzichtbar für die Pflege und Sicherung der zwischenstaatlichen Beziehungen. Jede Beeinträchtigung der Diplomatenimmunität gefährde die diplomatischen Beziehungen der Bundesrepublik Deutschland, an deren Sicherung ein überragendes Gemeinwohlinteresse bestehe. Einem Missbrauch der Immunität könne deshalb nur mit diplomatischen Mitteln begegnet werden. Darin liege weder ein Eingriff in das grundgesetzlich geschützte Eigentum i. S. d. Artikel 14 Grundgesetz (GG) noch werde das Rechtsstaatsprinzip nach Artikel 20 Abs. 3 GG verletzt. Der gegen den Diplomaten gerichtete Anspruch werde durch die Immunität nicht beeinträchtigt. Er könne lediglich während der Immunität nicht im Inland geltend gemacht werden, was im Interesse ungestörter diplomatischer Beziehungen der Bundesrepublik Deutschland hinzunehmen sei (LAG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 09.11.2011, Az.: 17 Sa 1468/11).
Wichtiger Hinweis
Als diplomatische Immunität wird der Schutz von Diplomaten vor strafrechtlicher, zivilrechtlicher oder administrativer Verfolgung in einem fremden Staat bezeichnet. Auch mitreisende Familienangehörige von Diplomaten genießen im Empfangsstaat Immunität.
Schutz der Menschenrechte contra diplomatische Immunität
Das Landesarbeitsgericht hat die Revision der Klägerin zum Bundesarbeitsgericht (BAG) zugelassen. Klägerin ist das Deutsche Institut für Menschenrechte, das stellvertretend für die indonesische Hausangestellte eine Musterklage angestrengt hat. Es geht dabei um die grundsätzliche Frage, ob ein Diplomat wegen Menschenrechtsverletzungen belangt werden kann. Das Institut für Menschenrechte kündigte an, in Revision zu gehen.
Das sagt das Gesetz
§ 18 GVG
Die Mitglieder der im Geltungsbereich dieses Gesetzes errichteten diplomatischen Missionen, ihre Familienmitglieder und ihre privaten Hausangestellten sind nach Maßgabe des Wiener Übereinkommens über diplomatische Beziehungen vom 18. April 1961 (Bundesgesetzblatt. 1964 II S. 957 ff.) von der deutschen Gerichtsbarkeit befreit. Dies gilt auch, wenn ihr Entsendestaat nicht Vertragspartei dieses Übereinkommens ist; in diesem Falle findet Artikel 2 des Gesetzes vom 6. August 1964 zu dem Wiener Übereinkommen vom 18. April 1961 über diplomatische Beziehungen (Bundesgesetzblatt. 1964 II S. 957) entsprechende Anwendung.
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