Leitender Angestellter hat Anspruch auf Gratifikation aus betrieblicher Übung
Leitender Angestellter erhält Jubiläumszuwendung aus betrieblicher Übung
Auch leitende Angestellte können nach einer Entscheidung des Landesarbeitsgerichts (LAG) Berlin-Brandenburg (Az.: 13 Sa 255/11) einen Anspruch auf eine Gratifikation aus einer betrieblichen Übung geltend machen.
Der Fall aus der Praxis
Anlässlich seines 25. Dienstjubiläums verlangte der Vorsitzende des Gesamtsprecherausschusses der leitenden Angestellten von seinem Arbeitgeber die Zahlung einer Gratifikation. Der Arbeitgeber lehnte die Forderung mit der Begründung ab, dass der leitende Angestellte keinen Anspruch auf die Leistung habe. Der leitende Angestellte zog daraufhin vor Gericht und klagte auf Zahlung der Gratifikation. Das Arbeitsgericht (ArbG) Berlin gab ihm recht und verurteilte den Arbeitgeber zur Zahlung eines Bruttomonatsgehaltes nebst Zinsen. Der Arbeitgeber ging in Berufung. Ein Anspruch des leitenden Angestellten bestehe nicht, weil die Zahlungen vor Inkrafttreten der einschlägigen Gesamtbetriebsvereinbarung in unterschiedlicher Höhe erfolgt seien. Der Gesamtbetriebsrat des Unternehmens hatte 1999 eine Gesamtbetriebsvereinbarung über die Behandlung von Dienstjubiläen abgeschlossen, in der für 25 Jahre Dienst eine Sonderleistung in Höhe eines Monatsgehaltes vorgesehen war.
Das sagt das Gericht
Das Gericht teilte die Auffassung des Arbeitgebers nicht und entschied den Rechtsstreit zugunsten des leitenden Angestellten. Dieser habe einen Anspruch aus betrieblicher Übung auf Jubiläumszuwendungen in bisheriger Höhe von einem Bruttomonatsgehalt. Der Arbeitgeber sei weder durch individuelle Arbeitsverträge noch durch Betriebsvereinbarungen, Richtlinien nach dem Sprecherausschussgesetz, Tarifvertrag oder Gesetz zur Zahlung von Jubiläumszuwendungen verpflichtet gewesen. Gleichwohl habe er über Jahre hinweg Zuwendungen für 25. Betriebsjubiläen in Höhe eines Bruttomonatsgehaltes, insbesondere auch an leitende Angestellte geleistet. Die Zahlung aufgrund der Gesamtbetriebsvereinbarung habe nicht zu einer Bindung gegenüber den leitenden Angestellten geführt, weil das für die Gesamtbetriebsvereinbarung die gesetzliche Grundlage bildende Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) gemäß § 5 Abs. 3 BetrVG auf leitende Angestellte keine Anwendung finde.
Die Grundsätze der betrieblichen Übung fänden jedoch auch auf leitende Angestellte Anwendung. Denn leitende Angestellte seien Arbeitnehmer im allgemeinen arbeitsrechtlichen Sinn. Sie seien aufgrund eines privatrechtlichen Vertrages im Dienste eines anderen zur Leistung fremdbestimmter Arbeit in persönlicher Abhängigkeit verpflichtet. Der Anspruch auf Zahlung einer Zuwendung für das 25. Betriebsjubiläum in Höhe eines Bruttomonatsgehaltes sei damit zum Inhalt des Arbeitsvertrages des leitenden Angestellten geworden, weil der Arbeitgeber mittels betrieblicher Übung einseitig vertragliche Ansprüche geschaffen hatte (LAG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 24.06.2011, Az.: 13 Sa 255/11).
So definiert das Bundesarbeitsgericht die betriebliche Übung
Das Bundesarbeitsgericht (BAG) versteht unter einer betrieblichen Übung die regelmäßige Wiederholung bestimmter Verhaltensweisen des Arbeitsgebers, aus denen die Arbeitnehmer schließen können, ihnen solle eine Leistung oder Vergünstigung auf Dauer gewährt werden. Dem Verhalten des Arbeitgebers wird eine konkludente Willenserklärung entnommen, die vom Arbeitnehmer gemäß § 151 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) angenommen werden kann. Dadurch wird ein vertragliches Schuldverhältnis geschaffen, aus dem bei Eintritt der vereinbarten Anspruchsvoraussetzungen ein einklagbarer Anspruch auf die üblich gewordene Vergünstigung erwächst.
Wichtiger Hinweis
Eine allgemeinverbindliche Regel, ab welcher Anzahl von Leistungen der Arbeitnehmer erwarten darf, dass auch er die Leistung erhält, sobald er die Voraussetzungen erfüllt, gibt es nicht. Die Regel, dass eine dreimalige vorbehaltlose Gewährung zur Verbindlichkeit erstarkt, ist für jährlich an die gesamte Belegschaft geleistete Gratifikationen aufgestellt worden. Bei anderen Sozialleistungen ist auf Art, Dauer und Intensität der Leistungen abzustellen. Wie lange die Übung bestehen muss, damit die Arbeitnehmer berechtigt erwarten können, dass sie fortgesetzt werde, hängt davon ab, wie häufig die Leistungen erbracht worden sind. Dabei kommt es auf die Zahl der Anwendungsfälle im Verhältnis zur Belegschaftsstärke an. Ferner sind in die Bewertung der Relation von Anzahl der Wiederholungen und Dauer der Übungen auch Art und Inhalt der Leistung einzubeziehen. Bei für den Arbeitnehmer weniger wichtigen Leistungen sind an die Zahl der Wiederholungen höhere Anforderungen zu stellen, als bei bedeutsameren Leistungsinhalten.
Betriebsverfassungsgesetz gilt nicht für leitende Angestellte
Als leitende Angestellte gelten nur solche Arbeitnehmer, die als Mitträger der unternehmerischen Funktion der Leitungsebene des Unternehmens zugeordnet werden müssen. Auf sie finden die Vorschriften des Betriebsverfassungsgesetzes nach § 5 Abs. 3 Satz 1 BetrVG keine Anwendung:
Das sagt das Gesetz
§ 5 Arbeitnehmer
…
(3) Dieses Gesetz findet, soweit in ihm nicht ausdrücklich etwas anderes bestimmt ist, keine Anwendung auf leitende Angestellte. Leitender Angestellter ist, wer nach Arbeitsvertrag und Stellung im Unternehmen oder im Betrieb
1. zur selbständigen Einstellung und Entlassung von im Betrieb oder in der Betriebsabteilung beschäftigten Arbeitnehmern berechtigt ist oder
2. Generalvollmacht oder Prokura hat und die Prokura auch im Verhältnis zum Arbeitgeber nicht unbedeutend ist oder
3. regelmäßig sonstige Aufgaben wahrnimmt, die für den Bestand und die Entwicklung des Unternehmens oder eines Betriebs von Bedeutung sind und deren Erfüllung besondere Erfahrungen und Kenntnisse voraussetzt, wenn er dabei entweder die Entscheidungen im Wesentlichen frei von Weisungen trifft oder sie maßgeblich beeinflusst; dies kann auch bei Vorgaben insbesondere aufgrund von Rechtsvorschriften, Plänen oder Richtlinien sowie bei Zusammenarbeit mit anderen leitenden Angestellten gegeben sein.
Für leitende Angestellte gelten arbeitsrechtliche Besonderheiten
Leitende Angestellte unterscheiden sich in einigen Punkten von „normalen“ Arbeitnehmern. Sie nehmen beispielsweise nicht an Betriebsratswahlen teil und der Betriebsrat vertritt auch nicht ihre Interessen.
- Leitende Angestellte sind von den Beschränkungen des Arbeitszeitgesetzes (ArbZG) befreit. Sie sind verpflichtet, Überstunden zu leisten, die nicht zwingend zusätzlich vergütet werden müssen.
- Leitende Angestellte wählen ihre eigene Interessenvertretung, den Sprecherausschuss der leitenden Angestellten. Voraussetzung für die Bildung eines Sprecherausschusses ist, dass in der Regel zehn leitende Angestellte im Unternehmen beschäftigt sind.
- Mitbestimmungsrechte für leitende Angestellte sieht das Sprecherausschutzgesetz (SprAuG) vor.
- Das Kündigungsschutzgesetz ist mit Ausnahme der in § 14 Kündigungsschutzgesetz (KSchG) normierten Besonderheiten anwendbar.
- Leitende Angestellte, die ihre Kündigung für sozial ungerechtfertigt halten, können gemäß § 3 KSchG gegen die Kündigung keinen Einspruch beim Betriebsrat einlegen.
- Der Auflösungsantrag des Arbeitgebers im Kündigungsschutzprozess erfordert keine Begründung.
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