Nachtarbeitsverbot verschwiegen: Arglistige Täuschung rechtfertigt Anfechtung
Arglistige Täuschung über ärztliches Nachtarbeitsverbot rechtfertigt Anfechtung
Täuscht ein Arbeitnehmer den Arbeitgeber bei Abschluss des Arbeitsvertrages bewusst über persönliche Eigenschaften (z. B. ärztliches Nachtarbeitsverbot), die für das Arbeitsverhältnis von Bedeutung sind, so rechtfertigt dies die Anfechtung des Arbeitsvertrages wegen arglistiger Täuschung. Nach einer Entscheidung des hessischen Landesarbeitsgerichts (LAG) endet das Arbeitsverhältnis mit Erhalt der Anfechtungserklärung.
Der Fall aus der Praxis
Ein Arbeitnehmer schloss im Dezember 2009 mit einem Frachtabfertigungsunternehmen am Frankfurter Flughafen einen Arbeitsvertrag, in dem er sich ausdrücklich verpflichtete, als Frachtabfertiger Nacht- und Wechselschichten zu leisten. Unmittelbar nach Aufnahme der Tätigkeit Anfang März 2010 legte der Arbeitnehmer seinem Arbeitgeber eine ärztliche Bescheinigung vom 28.06.1999 sowie eine ärztliche Bescheinigung vom 11.07.2005 vor. Aus den beiden Bescheinigungen ging hervor, dass ein genereller Verzicht auf Nachtarbeit aus ärztlicher Sicht dringend geboten ist. Am 10.04. und am 29.04.2010 wurde nochmals ärztlich bestätigt, dass der Arbeitnehmer aus gesundheitlichen Gründen einem Nachtarbeitsverbot unterliegt. Im Mai 2010 erklärte das Frachtabfertigungsunternehmen die Anfechtung des Arbeitsvertrages wegen arglistiger Täuschung des Arbeitnehmers über seine Einsatzfähigkeit. Der Arbeitnehmer klagte gegen die Anfechtung. Eine arglistige Täuschung liege nicht vor.
Das sagt das Gericht
Das Gericht erklärte die Anfechtung des Arbeitsvertrages wegen arglistiger Täuschung für wirksam. Das Arbeitsverhältnis habe mit Erhalt der Anfechtungserklärung am 07.05.2010 geendet. Es stehe fest, dass der Arbeitnehmer bereits bei Unterzeichnung des Arbeitsvertrages wusste, dass er aus gesundheitlichen Gründen nicht in der Nachtarbeit eingesetzt werden kann. Durch diese Täuschung über die nach dem Vertrag vorausgesetzte Schicht- und Nachtschichttauglichkeit sei der Arbeitgeber arglistig zum Abschluss des Vertrages bestimmt worden. Der Arbeitgeber sei im Hinblick auf die Planbarkeit und aus Gründen der Gleichbehandlung darauf angewiesen, dass die bei ihm beschäftigten Arbeitnehmer in allen Schichten eingesetzt werden können. Gegen die arglistige Täuschung durfte sich der Arbeitgeber mit der Anfechtung des Arbeitsvertrags zur Wehr setzen (Hessisches LAG, Urteil vom 21.09.2011, Az.: 8 Sa 109/11).
Arglistige Täuschung muss beim Erklärungsempfänger Irrtum erregen
Eine arglistige Täuschung im Sinne des § 123 Abs. 1 BGB liegt vor, wenn jemand bei einem anderen vorsätzlich einen Irrtum hervorruft, um ihn zur Abgabe einer Willenserklärung zu veranlassen. Der Irrtum kann durch Vorspiegelung falscher Tatsachen, aber auch durch einfaches Verschweigen einer Tatsache erregt werden. Arglistiges Handeln setzt zumindest vorsätzliches Handeln voraus, eine gezielte Absicht ist hingegen nicht erforderlich. Der arglistig Täuschende muss die Unrichtigkeit seiner Angaben kennen oder für möglich halten.
Das sind die Voraussetzungen einer Anfechtung wegen arglistiger Täuschung
Eine Anfechtung wegen arglistiger Täuschung nach § 123 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) setzt
- eine Täuschungshandlung voraus, die
- der Täuschende arglistig, also vorsätzlich vorgenommen hat, und durch die
- ein Irrtum erregt, verstärkt oder unterhalten worden ist, der
- für die Abgabe der Willenserklärung ursächlich war.
Die Anfechtung wegen arglistiger Täuschung ist binnen eines Jahres ab dem Zeitpunkt zu erklären, in dem der Anfechtungsberechtigte die Täuschung entdeckt hat. Entscheidet er sich für die Anfechtung, so muss er die Anfechtungserklärung nach § 143 Abs. 1 BGB gegenüber dem Anfechtungsgegner geltend machen.
Wichtiger Hinweis
Anfechtungsgegner ist der Vertragspartner. Der Begriff "Anfechtung" muss im Rahmen der Anfechtungserklärung nicht auftauchen. Die Anfechtungserklärung ist auch an keine bestimmte Form gebunden. Es reicht aus, wenn der Anfechtungsgegner erkennen kann, dass der Anfechtende das Rechtsgeschäft nicht gelten lassen will.
Wirksame Anfechtung beendet Rechtsverhältnis rückwirkend
Die Rechtsfolge einer wirksamen Anfechtung ist nach § 142 BGB eine auf den Zeitpunkt der Abgabe der Erklärung rückwirkende Nichtigkeit des Rechtsgeschäftes. Die Rechtsfolge der Nichtigkeit tritt jedoch erst durch die Anfechtungserklärung ein, nicht bereits durch die arglistige Täuschung. Das Rechtsgeschäft wird so behandelt, als wäre es nicht zu Stande gekommen. Bereits empfangene Leistungen müssen die Vertragspartner gegenseitig zurückgewähren.
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