Unfallschutz bei Schwarzarbeit: Gesetzliche Unfallversicherung schützt auch Schwarzarbeiter
Arbeitsunfall anerkannt - Gesetzliche Unfallversicherung greift auch bei Schwarzarbeit
Erleidet ein illegal Beschäftigter bei der Ausübung von Schwarzarbeit einen Arbeitsunfall, so hat der Schwarzarbeiter nach einer Entscheidung des Hessischen Landessozialgerichts (LSG) trotz seines verbotswidrigen Verhaltens Anspruch auf Unfallschutz durch die gesetzliche Unfallversicherung (Az.: L 9 U 46/10).
Der Fall aus der Praxis
Der Kläger, ein serbischer Staatsangehöriger, reiste mit einem Touristenvisum und ohne Arbeitserlaubnis in die Bundesrepublik Deutschland ein. Er lebte bei seinem Onkel. Dieser vermittelte ihm eine Tätigkeit auf einer Brückenbaustelle. Am ersten Arbeitstag geriet der Kläger in Kontakt mit der unter der Brücke verlaufenden Oberleitung. Infolge der durch den Stromschlag erlittenen schweren Verbrennungen mussten ihm Gliedmaßen amputiert werden. Die gesetzliche Unfallversicherung lehnte in der Folge die Anerkennung des Unglücks als Arbeitsunfall ab. Ein Beschäftigungsverhältnis könne nicht nachgewiesen werden. Es sei durchaus möglich, dass der Kläger als Selbstständiger tätig geworden sei. Der Kläger gab sich mit dem negativen Bescheid nicht zufrieden und zog vor das Sozialgericht.
Das sagt das Gericht
Mit Erfolg. Das Gericht gab dem Kläger Recht und verurteilte die Berufsgenossenschaft dazu, das Unfallereignis als Arbeitsunfall anzuerkennen und zu entschädigen. Aufgrund der Zeugenaussagen sei davon auszugehen, dass der Kläger zum Zeitpunkt des Unfalls als abhängig Beschäftigter gearbeitet habe. Er sei zur Erledigung bestimmter Brückenarbeiten angewiesen worden und sollte hierfür einen festen Stundenlohn erhalten. Material, Werkzeug und sogar die Schutzhandschuhe seien ihm zur Verfügung gestellt worden. Dass kein schriftlicher Arbeitsvertrag geschlossen worden sei, spiele insoweit keine Rolle. Die Annahme der Berufsgenossenschaft, der Kläger habe als selbstständiger Unternehmer auf der Brücke gearbeitet, sei lebensfremd. Ferner sei unfallversicherungsrechtlich nicht relevant, dass der Kläger "schwarz" gearbeitet habe. Denn nach der ausdrücklichen gesetzlichen Regelung schließe auch verbotswidriges Handeln den gesetzlichen Unfallversicherungsschutz nicht aus (Hessisches LSG, Urteil vom 01.11.2011, Az.: L 9 U 46/10).
Das sagt das Gesetz
§ 7 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch (SGB VII)
(1) Versicherungsfälle sind Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten.
(2) Verbotswidriges Handeln schließt einen Versicherungsfall nicht aus.
Berufsgenossenschaften als Träger der gesetzlichen Unfallversicherung
Träger der gesetzlichen Unfallversicherung sind die nach Branchen organisierten gewerblichen Berufsgenossenschaften, die landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaften und die Unfallversicherungsträger der öffentlichen Hand (15 Unfallkassen und fünf Gemeindeunfallversicherungsverbände, vier Feuerwehr-Unfallkassen sowie die Eisenbahn-Unfallkasse, die Unfallkasse Post und Telekom und die Unfallkasse des Bundes).
Die Berufsgenossenschaften haben primär die Aufgabe, Arbeitsunfälle, Berufskrankheiten und arbeitsbedingte Erkrankungen zu verhüten (Prävention). Wenn es jedoch trotz aller Präventionsarbeit zu Arbeitsunfällen kam oder Berufskrankheiten aufgetreten sind, unterstützen die Berufsgenossenschaften die Wiederherstellung von Gesundheit und Leistungsfähigkeit und sorgen für Entschädigung durch Geldleistungen.
Diese Personen genießen Unfallschutz durch die gesetzliche Unfallversicherung
In der gesetzlichen Unfallversicherung sind nach § 2 Abs. 1 SGB VII versichert (Auszug):
- Beschäftigte
- Lernende während der beruflichen Aus- und Fortbildung in Betriebsstätten, Lehrwerkstätten, Schulungskursen und ähnlichen Einrichtungen – unabhängig von der Höhe des Arbeitsentgelts bzw. der Ausbildungsvergütung
- Fahrgemeinschaften auf dem Weg von und zur Arbeit – auch wenn dadurch Umwege von und zur Arbeitsstätte erforderlich werden
- Landwirte
- Kinder, die Kindertagesstätten besuchen
- Schüler
- Studenten
- Helfer bei Unglücksfällen
- Zivil- und Katastrophenschutzhelfer
- Blut- und Organspender
Praxis-Tipp
Unternehmer, Selbstständige und Freiberufler können sich und ihre mitarbeitenden Ehepartner freiwillig versichern, sofern sie nicht schon kraft Gesetzes oder aufgrund von Satzungsbestimmungen pflichtversichert sind.
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