Nachgezahltes Arbeitseinkommen mindert nicht das Elterngeld Selbstständiger
Bezieher von Elterngeld müssen sich nach einer Entscheidung des Landessozialgerichts (LSG) Nordrhein-Westfalen während des Elterngeldbezugs ausgezahltes Einkommen für eine vorangegangene selbstständige Erwerbstätigkeit nicht anrechnen lassen, wenn sie nur in der Zeit vor dem Elterngeldbezug erwerbstätig waren.
Der Fall aus der Praxis
Ein selbstständiger Filmproduzent und Regisseur hatte sechs Monate und ein Jahr nach der Geburt seines Sohnes jeweils für einen Monat seine Erwerbstätigkeit unterbrochen und Elterngeld in Höhe des Maximalbetrags von 1.800 € bezogen. Im Nachhinein stellte sich heraus, dass während der Zeit des Elterngeldbezugs insgesamt rund 10.000 € Honorare für frühere Aufträge auf dem Konto des Selbstständigen eingegangen waren. Die zuständige Elterngeldbehörde forderte daraufhin 3.000 € Elterngeld zurück. Wegen des hohen Einkommens, das er neben dem Elterngeld erzielt habe, stehe ihm nur noch Elterngeld in der gesetzlichen Mindesthöhe von 300 € monatlich zu. Der Selbstständige weigerte sich jedoch, den geforderten Betrag zurückzuzahlen. Der Streit landete vor Gericht.
Das sagt der Richter
Das Gericht gab dem Selbstständigen recht. Auch für Monate des Elterngeldbezugs gelte mangels einer ausdrücklichen gesetzlichen Regelung im Bundeselterngeldgesetz (BEEG) nicht das strenge steuerrechtliche Zuflussprinzip, sondern das sogenannte modifizierte Zuflussprinzip des Sozialrechts. Danach werden Einkommen in den Monaten erzielt, in denen es erarbeitet und für die es gezahlt wird. Es sei unschädlich, wenn das Geld erst im Nachhinein auf das Konto des Elterngeldberechtigten fließe. Das BEEG wolle den Einkommensausfall durch Verzicht auf Erwerbstätigkeit zumindest teilweise ausgleichen. Ein solcher Einkommensausfall werde durch den nachträglichen Zufluss von zuvor verdientem Geld lediglich aufgeschoben, aber nicht verhindert. Da zudem viele selbstständig Tätige nicht zuverlässig steuern könnten, wann ihre Kunden zahlen, hänge die Höhe ihres Elterngelds bei Anwendung des strengen Zuflussprinzips des Steuerrechts vom Zufall ab. Dieser Umstand drohe das Elterngeld gerade für Selbstständige unattraktiv zu machen. Ein Abstellen allein auf den Zufluss und nicht auf die Ausübung einer Erwerbstätigkeit könne schließlich den Zweck des Elterngelds unterlaufen, insbesondere auch solche selbstständig tätigen Väter, die maßgeblich zum Familieneinkommen beitragen, zumindest zu einem zeitweisen Verzicht auf ihre Erwerbstätigkeit zu bewegen (LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 12.04.2011, Az.: L 13 EG 16/10).
Das bedeutet die Entscheidung
Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig, weil der Senat wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Sache die Revision zum Bundessozialgericht (BSG) zugelassen hat.
Auch Selbstständige erhalten maximal 1.800 € Elterngeld
Selbstständige haben ebenfalls einen Anspruch auf Elterngeld, wenn sie ihr Kind nach der Geburt betreuen und ihre Arbeit reduzieren. Bei ihnen wird der wegen Kinderbetreuung entgangene Gewinn zugrunde gelegt. Der Gewinn wird nach steuerrechtlichen Grundsätzen ermittelt. Für den Zeitraum vor der Geburt des Kindes wird an den letzten abgeschlossenen Veranlagungszeitraum und den dazu ergangenen Steuerbescheid angeknüpft, wenn die zugrunde liegende Erwerbstätigkeit durchgängig sowohl während des Veranlagungszeitraums als auch während der zwölf Monate vor der Geburt des Kindes ausgeübt worden ist.
Wichtiger Hinweis
Das Elterngeld beträgt bei Selbstständigen 65 Prozent des vor der Geburt des Kindes bereinigten Gewinns, höchstens jedoch 1.800 €. Pflichtbeiträge zur Sozialversicherung werden ebenso wie bei Nichtselbstständigen vom Gewinn abgezogen.
Steuerlicher Gewinn bildet Berechnungsgrundlage
Bei abhängig beschäftigten Arbeitnehmern bildet der Nettolohn die Grundlage für die Berechnung des Elterngeldes. Bei Selbstständigen kommt es auf den monatlichen Gewinn an. Liegt der Steuerbescheid für den Veranlagungszeitraum zum Zeitpunkt der Antragstellung noch nicht vor, kann ein Selbstständiger sein Einkommen auch durch andere Unterlagen glaubhaft machen, z. B.:
- Steuerbescheid des vorletzten abgeschlossenen Veranlagungszeitraums
- Steuervorauszahlungsbescheid des letzten Veranlagungszeitraums
- Einnahmenüberschussrechnung
- Bilanz
Die Zahlung des Elterngeldes erfolgt dann auf dieser Grundlage vorläufig bis zum Nachreichen des Steuerbescheids für das Jahr vor der Geburt.
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