Dubiose Gewerbeverzeichnisse – Unterschriebene Verträge können Sie trotzdem anfechten
773 € für Aufnahme in private Gewerbeverzeichnisse
Wohl jeder, der einmal ein Unternehmen beim Handelsregister eingetragen oder Änderungen veranlasst hat, erhält unmittelbar danach eine Vielzahl von Briefen, die eines gemeinsam haben – sie sehen aus wie amtliche Rechnungen oder Zahlungsaufforderungen des Gerichts.
Der Inhalt ist immer der Gleiche – der Absender fordert zu einer Aufnahme in dubiose Gewerbevezeichnisse auf. Einer dieser Anbieter war jetzt besonders dreist – er zog gegen einen Empfänger, der das Angebot irrtümlich unterschrieben hatte, vor Gericht. Der Unternehmer hatte zuvor den Vertrag wegen arglistiger Täuschung angefochten.
Der Fall aus der Praxis
Im entschiedenen Fall ging es um eine Firma, die auf einer Webseite ein Internetverzeichnis unterhält, in das sich Selbständige und Gewerbetreibende mit ihren Kontaktdaten eintragen lassen können. Im September 2010 wurde einem Unternehmen ein Antragsformular übermittelt, mit dem das Angebot unterbreitet wurde, die Daten des Unternehmens in das Verzeichnis aufzunehmen. Dieses unterzeichnete das Antragformular und sandte es zurück. Kurze Zeit später erhielt es eine Rechnung über 773,50 Euro brutto. Das Unternehmen zahlte nicht, schließlich sei von einem Entgelt nicht die Rede gewesen und erklärte die Anfechtung des Vertrages wegen arglistiger Täuschung. Die Internetbetreiberin erhob daraufhin Klage vor dem Amtsgericht.
Das sagt das Gericht
Die Klage wurde abgewiesen, da die Annahme des Vertragsangebots durch das Unternehmen infolge wirksamer Anfechtung wegen arglistiger Täuschung nichtig sei. Eine Täuschung liege hier in Form der Entstellung von Tatsachen vor. Das Formular eines Adressbuchverlags sei dann täuschend, wenn es die Begründung einer Entgeltpflicht und die Laufzeit des Vertrags nicht mit der erforderlichen Deutlichkeit erkennen lasse. Dies träfe auf das Antragsformular der Klägerin infolge der Abfassung und äußeren Gestaltung zu. Das Formblatt werde als "gewerbliches Verzeichnis“ beschrieben. Eine Entgeltlichkeit der Eintragung in das Internetverzeichnis ergebe sich bei einer Lektüre des Formblatts zunächst nicht, insbesondere auch nicht aus der Verwendung des Wortes „gewerblich“. Der Adressat des Formulars müsse diese Formulierung nicht dahingehend verstehen, dass der Versand des Formblatts im Rahmen der Ausübung eines Gewerbes, somit in Gewinnerzielungsabsicht erfolge. Tatsächlich erwecke die Formulierung in ihrer konkreten Verwendung eher den Eindruck, als ob sich die Bezeichnung "gewerblich" auf den Charakter des Internetverzeichnisses als Gewerbedatenbank beziehe, also auf den Umstand, dass die dort eingetragenen Firmen und Personen Gewerbetreibende seien.
Optische Gestaltung des Formulars soll Irrtum erregen
Ein konkreter Hinweis auf die Entgeltpflicht finde sich erstmals innerhalb eines klein gedruckten eingerahmten Fließtextes im Bereich des rechten Seitendrittels. Dieser Fließtext erwecke den Eindruck, als sei hier durch Verwendung möglichst zahlreicher, sich inhaltlich überschneidender Füllwörter versucht worden, das Wort "Vergütungshinweis" in dem Fließtext zu verbergen bzw. möglichst weit nach unten zu rücken. Bereits die Überschrift enthalte eine durch Kommata getrennte Aufzählung von Positionen, die sich insgesamt auf sechs Zeilen der Spalte erstreckten. Diese Art der Gestaltung sei objektiv geeignet, das Überlesen des Wortes "Vergütungshinweis" zu fördern. Im konkreten Fall gäbe es für die unprofessionelle, für einen Gewerbetreibenden, der ein entgeltliches Produkt anbiete und bewerben wolle, gänzlich untypische Gestaltungsweise des Formblattes letztlich überhaupt keine andere Erklärung, als dass - jedenfalls teilweise - "Kunden" dadurch gewonnen werden sollen, dass sie infolge Irrtums über die Entgeltlichkeit das Formblatt unterzeichnen und an die Klägerin zurücksenden. Das Urteil ist rechtskräftig. Das Landgericht München I hat die Berufung jetzt zurückgewiesen und die Klausel über die Entgeltpflicht zudem als überraschend und damit unwirksam erklärt (AG München, Urteil vom 07.04.11; Az.: 213 C 4124/11).
Amtsgericht warnt vor diesen Schreiben
Das Amtsgericht München hatte bereits im Februar Firmen öffentlich davor gewarnt, Angebote und Rechnungen von Unternehmen, die die Veröffentlichung der Firmendaten in sogenannten Gewerberegistern oder Verwaltungsregistern anbieten, ungeprüft zu bezahlen. Auf den ersten Blick erweckten diese Schreiben, die wie eine Rechnung gestaltet sind, den Anschein, von öffentlichen Stellen zu stammen oder auch die Rechnung des Registergerichts zu sein. Nur wer näher hinschaue – insbesondere ins „Kleingedruckte“ – erkenne, dass es sich um ein Angebot zu einer Eintragung in ein privat geführtes Register handelt.
Aufpassen
Es kann nur eindringlich davon abgeraten werden, solche „Rechnungen“, die eigentlich Angebote sind, ungeprüft zu begleichen. Sie sollten sich stets vergewissern, wer ein Eintragungsangebot macht und ob für den eigenen Betrieb eine Eintragung in ein privates Register, ggf. zu Werbezwecken, überhaupt sinnvoll ist. In vielen Fällen sind die Preise für diese Dienstleistungen übrigens auch maßlos überteuert.
Fechten Sie solche Verträge unverzüglich an
Am besten schmeißen Sie solche Schreiben umgehend in den Papierkorb. Ist das Kind aber schon in den Brunnen gefallen – das heißt, dass Sie einen solchen Vertrag unterzeichnet haben – sollten Sie diesen Vertrag sofort anfechten.
Musterschreiben zum Download
Hier geht’s zu den entsprechenden Musterschreiben zur Anfechtung wegen arglistiger Täuschung.
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Kommentare
Frechheit!
Wirklich eine Frechheit das sowas tagtäglich stattfindet! Ich habe in meiner Rhetorik Gruppe auch schon davon gehört und bin wirklich wieder schwer schockiert. Da können die Menschen denen das noch nicht passiert ist froh drüber sein!
Sandra (http://deutsche-rednerschule.de/)
Ich fragte meine Anwältin
Seit ca. 3 Jahren erhalte ich regemäßig dieses Schreiben. Nachdem die erste Schrecksekunde verflogen war, faxte ich es meiner Antwältin zu und war ihr sehr dankbar.
Ihre Erklärung bezog sich ebenfalls darauf, dass dieses Schreiben ein Angebot darstellt, welche ich mit meiner Unterschrift bestätigen würde und dann zur Zahlungs veranlasst wäre - und zu Folgezahlungen.
Seit diesem Gespräch wandern diese Schreiben regelmäßig kostenpflichtig an die Absenderin zurück ;-}
Judith Torma die @Rednermacherin - http://Rhetorikseminar.org