Ausübung des Vorkaufsrechts ist auch nach Aufhebung des Kaufvertrags zulässig
Es ist nicht unüblich, dass für Häuser, Eigentumswohnungen oder Grundstücke sogenannte dingliche Vorkaufsrechte bestellt werden. Diese Bestellung erfolgt meist zugunsten einer konkret bestimmten Person oder Vereinigung, manchmal aber auch zugunsten des benachbarten Grundstückseigners. Die Frage, ob die Voraussetzungen zur Ausübung dieses Rechts – also das Vorliegen eines sogenannten Vorkaufsfalls – besteht, sorgt immer wieder für gerichtliche Auseinandersetzungen. Jetzt hat der BGH in diesem Zusammenhang ein wichtiges Grundsatzurteil gefällt.
Der Fall aus der Praxis
Mit einem beurkundeten Vertrag verkaufte der spätere Beklagte seiner Freundin ein Reihenhaus. Die Kläger sind ebenfalls Wohnungseigentümer in der Reihenhausanlage. Zu ihren Gunsten ist bezüglich des Wohnungseigentums des Beklagten im Grundbuch ein Vorkaufsrecht für alle Verkaufsfälle eingetragen. Die Kläger übten mit Schreiben vom 13.08.2007 ihr Vorkaufsrecht aus und verlangten die Übertragung des Wohnungseigentums sowie die Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten. Das Landgericht Essen hat ihrer Klage, zumindest bis auf einen Teil der Rechtsanwaltskosten, stattgegeben. Das Oberlandesgericht (OLG) Hamm wies die Kläger allerdings in der Berufung zurück. Die Richter waren der Auffassung, dass die Vorkaufsausübung hier ins Leere gegangen sei – der Kaufvertrag habe am 13.08.2007 nicht mehr bestanden. Dieser sei nämlich schon am 02.08.2007 vom Beklagten und seiner Freundin einvernehmlich aufgehoben worden.
Das sagt der Richter
Der BGH sah dies wiederum ganz anders. Das OLG hebe zu Unrecht angenommen, dass die Aufhebung des Kaufvertrags den Wegfall des Rechts der Kläger zur Ausübung des Vorkaufsrechts zur Folge hätte. Es habe verkannt, dass eine Vertragsaufhebung das Recht zur Ausübung des Vorkaufsrechts nicht mehr berührt, wenn die Aufhebung nach dem Zustandekommen des rechtswirksamen Kaufvertrags erfolge. Das Gesetz knüpfe das Entstehen des Rechts zur Ausübung des Vorkaufsrechts grundsätzlich an das Zustandekommen eines rechtswirksamen Kaufvertrags. Letzteres sei erst dann der Fall, wenn auch die für die Wirksamkeit des Vertrags erforderlichen Genehmigungen erteilt seien. Bis zu diesem Zeitpunkt können Verkäufer und Käufer den Kaufvertrag willkürlich aufheben und damit das Vorkaufsrecht gegenstandslos machen – der Vorkaufsberechtigte habe kein Recht auf den Eintritt des Vorkaufsfalls. Lägen die Voraussetzungen für die Ausübung des Vorkaufsrechts aber erst einmal vor, sei das daraus erwachsene Gestaltungsrecht des Berechtigten in seinem rechtlichen Fortbestand grundsätzlich unabhängig von dem rechtlichen Schicksal des Kaufverhältnisses. Danach könne die Vertragsaufhebung das Recht der Kläger zur Ausübung des Vorkaufsrechts nur beseitigen, wenn bis zu diesem Zeitpunkt noch nicht sämtliche für die Wirksamkeit des Kaufvertrags erforderliche Genehmigungen erteilt worden seien.
Dazu habe das OLG keine Feststellungen getroffen; vielmehr sei es ohne Weiteres von dem Wegfall des Vorkaufsrechts aufgrund der bloßen Aufhebung des Kaufvertrags ausgegangen. Aus dem Kaufvertrag zwischen Beklagtem und seiner Freundin ergebe sich jedoch, dass für die Wirksamkeit des Vertrags immer die Zustimmung des Verwalters der Wohnungseigentümer erforderlich gewesen sei. Ob diese Zustimmung vor Vertragsaufhebung erteilt worden sei, müsse das OLG erneut aufklären. Das Berufungsurteil unterliege somit der Aufhebung. Da die Sache nicht zur Endentscheidung reif sei, wird sie zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurück verwiesen (BGH, Urteil vom 01.10.2010, Az.: VII ZR 173/09).
Das bedeutet die Entscheidung
Ein bestehendes Vorkaufsrecht darf vom Berechtigten nur dann ausgeübt werden, wenn der Vorkaufsfall eingetreten ist. Dazu muss vorab ein wirksamer Kaufvertrag zustande gekommen sein. Ob dieser Kaufvertrag dann später wieder aufgehoben wird, ist für den rechtlichen Bestand des Vorkaufsrechts unbeachtlich – das Recht verbleibt beim Vorkaufsberechtigten.
Es gibt im Grundstücksbereich verschiedene Arten von Vorkaufsrechten. Unsere Übersicht: 3 Arten von Vorkaufsrechten bei Immobilienzeigt Ihnen, was hier wesentlich ist.
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