Mietrecht aktuell: Beabsichtigte berufliche Tätigkeit ist Kündigungsgrund
Mietwohnung ausschließlich für berufliche Tätigkeit: BGH bejaht Kündigungsgrund
Die Absicht des Vermieters, eine vermietete Mietwohnung künftig ausschließlich für die eigene berufliche Tätigkeit zu nutzen, kann ein berechtigtes Interesse an der Beendigung des Mietverhältnisses und somit einen Kündigungsgrund darstellen. Dies gilt nach einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH) umso mehr, wenn sich die selbst genutzte Wohnung des Vermieters und die vermietete Wohnung in demselben Haus befinden.
Der Fall
Die Beklagten sind Mieter einer Wohnung des Klägers. Der Vermieter wohnt selbst in dem Haus, in dem sich die an die Beklagten vermietete Wohnung befindet. Im November 2009 hatte der Kläger das Mietverhältnis zum 30.04.2010 gekündigt. Als Kündigungsgrund gab er an, dass seine Ehefrau beabsichtige, ihre Anwaltskanzlei in die von den Beklagten gemietete Wohnung zu verlegen, um ihre berufliche Tätigkeit künftig ausschließlich dort auszuüben. Die beklagten Mieter widersprachen der Kündigung und machten vor Gericht Härtegründe geltend.
Amtsgericht (AG) und Landgericht (LG) wiesen die Klage ab. Der Kläger ging in Revision zum Bundesgerichtshof (BGH).
Das sagt das Gericht
Der BGH hob die Berufungsentscheidung auf und wies die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LG zurück. Ein berechtigtes Interesse an der Beendigung des Mietverhältnisses nach § 573 Abs. 1 BGB (siehe „Das sagt das BGB“) könne auch dann vorliegen, wenn der Vermieter die vermietete Wohnung ausschließlich für seine berufliche Tätigkeit oder die eines Familienangehörigen nutzen wolle. Dieses Interesse sei aufgrund der verfassungsrechtlich geschützten Berufsfreiheit nicht geringer zu bewerten als der in § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB gesetzlich geregelte Eigenbedarf des Vermieters zu Wohnzwecken. Dies gelte umso mehr, wenn sich - wie im Streitfall - die selbst genutzte Wohnung des Vermieters und die vermietete Wohnung in demselben Haus befänden. Die Sache sei allerdings an das Berufungsgericht zurückzuweisen, da dieses zu den für die Beurteilung der Wirksamkeit der Kündigung maßgeblichen Umständen keine Feststellungen getroffen und nicht geprüft habe, ob Härtegründe nach § 574 BGB vorlägen (BGH, Urteil vom 26.09.2012, Az.: VIII ZR 330/11).
Härtefall verpflichtet Vermieter zur Fortsetzung des Mietverhältnisses
Liegt ein Härtefall vor, kann der Mieter gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 BGB der Kündigung durch den Vermieter widersprechen und die Fortsetzung des Mietverhältnisses auf bestimmte Zeit verlangen. Die Rechtsprechung zu den Anforderungen an das Vorliegen eines Härtefalles im Sinne des § 574 Abs. 1 Satz 1 BGB ist umfangreich. Die Gerichte haben in den folgenden Fällen das Vorliegen einer Härte bejaht:
- optimale Versorgung und Pflege von Angehörigen des Mieters ist nur vom Standort der Mietwohnung aus möglich
- kein angemessener Ersatzwohnraum zu zumutbaren Bedingungen (§ 574 Abs. 2 BGB)
- Mieter befindet sich in einer psychischen Ausnahmesituation
- Mieter – vor allem ältere Menschen - sind im Haus und der Wohngegend verwurzelt
- akute Suizidgefahr
- größere Kinderzahl
- fortgeschrittene Schwangerschaft
- hohes Alter
- Schwerbehinderteneigenschaft
- schlechter Gesundheitszustand
Beachten Sie, dass bei Vorliegen der Voraussetzungen eines Härtefalles der Vermieter das Mietverhältnis in aller Regel nur für eine angemessene Zeit, nicht auf unbestimmte Zeit fortsetzen muss. Für die dem Mieter zu gewährende Frist sind die konkreten persönlichen Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen. Im Rahmen der Prüfung, ob eine Fortsetzung erfolgen muss, wägen die Gerichte die beiderseitigen Interessen von Mieter und Vermieter gegeneinander ab. Die Anforderungen der Rechtsprechung hinsichtlich der Anerkennung eines Härtefalles sind dabei hoch.
Eigenbedarf ist der häufigste Kündigungsgrund
Die Beendigung des Mietverhältnisses durch Kündigung des Vermieters setzt ein berechtigtes Interesse desselben voraus. Wann ein solches vorliegt, steht in § 573 BGB, z. B. die sogenannte Verwertungskündigung nach § 573 Abs. 2 Nr. 3 BGB oder die nicht unerhebliche, schuldhafte Vertragsverletzung des Mieters nach § 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB. Der in der Praxis häufigste und auch bekanntestes Fall ist aber die Kündigung bei Eigenbedarf nach § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB. Die Voraussetzungen für eine Kündigung bei Eigenbedarf sind erfüllt, wenn der Vermieter den Wohnraum selbst nutzen oder bestimmten Familienangehörigen oder anderen Angehörigen seines Haushaltes überlassen möchte. Die Rechtsprechung verlangt, dass der Vermieter ernsthafte, vernünftige und nachvollziehbare Gründe für seinen Nutzungswunsch hat. Missbräuchliche oder vorgetäuschte Eigenbedarfskündigungen sind unwirksam.
Das sagt das BGB
§ 573 Ordentliche Kündigung des Vermieters
(1) Der Vermieter kann nur kündigen, wenn er ein berechtigtes Interesse an der Beendigung des Mietverhältnisses hat. Die Kündigung zum Zwecke der Mieterhöhung ist ausgeschlossen.
(2) Ein berechtigtes Interesse des Vermieters an der Beendigung des Mietverhältnisses liegt insbesondere vor, wenn
1. der Mieter seine vertraglichen Pflichten schuldhaft nicht unerheblich verletzt hat,
2. der Vermieter die Räume als Wohnung für sich, seine Familienangehörigen oder Angehörige seines Haushalts benötigt oder
3. der Vermieter durch die Fortsetzung des Mietverhältnisses an einer angemessenen wirtschaftlichen Verwertung des Grundstücks gehindert und dadurch erhebliche Nachteile erleiden würde; die Möglichkeit, durch eine anderweitige Vermietung als Wohnraum eine höhere Miete zu erzielen, bleibt außer Betracht; der Vermieter kann sich auch nicht darauf berufen, dass er die Mieträume im Zusammenhang mit einer beabsichtigten oder nach Überlassung an den Mieter erfolgten Begründung von Wohnungseigentum veräußern will.
(3) Die Gründe für ein berechtigtes Interesse des Vermieters sind in dem Kündigungsschreiben anzugeben. Andere Gründe werden nur berücksichtigt, soweit sie nachträglich entstanden sind.
(4) Eine zum Nachteil des Mieters abweichende Vereinbarung ist unwirksam.
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