Bei Falschberatung gibt´s kein Schmerzensgeld
Eine Falschberatung durch einen Rechtsanwalt oder Steuerberater kann kostspielige Folgen haben. Schmerzensgeld erhalten schlecht beratene Mandanten jedoch nicht.
Der Fall aus der Praxis
Eine vierköpfige Familie wohnte in einem angemieteten Einfamilienhaus. Die beiden 5 Jahre alten Zwillingsbrüder setzten am 26.12.2002 das Haus in Brand, indem sie mit brennenden Wunderkerzen hantierten. Der Brandschaden war so groß, dass das Haus nicht mehr bewohnbar war. Die Vermieterin verlangte trotzdem die Weiterzahlung der Miete. Um sich juristischen Rat in der Sache einzuholen, suchten die Eheleute eine Rechtsanwaltskanzlei auf. In dem von der Vermieterin angestrengten Verfahren wegen nicht erbrachter Mietzinsleistungen wurde das Ehepaar durch die Kanzlei vertreten. Mit der Beratungsleistung war das Paar jedoch nicht einverstanden und kündigte das Mandat. Der Rechtsanwalt habe ihnen erklärt, dass die Privathaftpflichtversicherung für den Schaden nicht aufkommen müsse, wenn die Eheleute bzw. ihr Kindermädchen den Brand grob fahrlässig mit verursacht hätten. Aufgrund dieser Aussage rechneten die Eheleute damit, für den Wiederaufbau des Hauses in Höhe von 600.000 € aufkommen zu müssen.
Wegen dieser fehlerhaften Beratung forderte die Ehefrau Schmerzensgeld für sich und ihren Ehemann. Seit dem Brand hätten sie sich in einer Dauerpanik und einer seelischen Auflösung im Sinne einer posttraumatischen Belastungsstörung befunden. Mit ursächlich für diesen Zustand seien die völlig unvertretbaren Rechtsauskünfte des Anwalts gewesen.
Das sagt der Richter
Die Klage hatte keinen Erfolg. Das Gericht war der Meinung, dass bei den Eheleuten zwar eine psychische Belastungsstörung mit Krankheitswert vorliege. Ein Schmerzensgeldanspruch scheide jedoch aus. Zwischen dem Schutzzweck der verletzten Pflicht und dem eingetretenen Schaden fehle es an dem notwendigen Zusammenhang. Die Ehefrau habe dem Rechtsanwalt angelastet, dieser habe ihr im Rahmen seiner Beratertätigkeit eine nicht zutreffende Auskunft erteilt. Aus dem Anwaltsvertrag folge zwar die Pflicht zur ordnungsgemäßen Beratung. Dieser sei aber in diesem Fall nur auf die Vermögensinteressen der Eheleute ausgerichtet gewesen. Immaterielle Angelegenheiten wären nicht Vertragsgegenstand gewesen und seien auch nicht anlässlich der Zahlungspflicht der Eheleute für den Wiederaufbau angesprochen worden. Aus diesen Gründen hätten keine Obhutspflichten seitens des Anwalts für die psychische und geistige Verfassung der Mandanten bestanden. Die psychische Verarbeitung fehlerhafter Auskünfte und Hinweise würde regelmäßig dem Empfänger überantwortet, jedenfalls soweit es allein Risiken und Bedrohungen in Bezug auf die eigene Vermögenslage beträfe. Belastungen müssten dem allgemeinen Lebensrisiko zugerechnet werden.
Der Rechtsanwalt habe den Eheleuten eine falsche Auskunft erteilt und damit seine anwaltliche Beratungspflicht verletzt. Ein Risikoausschluss in der privaten Haftpflichtversicherung komme nur bei vorsätzlichem und widerrechtlichem Handeln des Versicherungsnehmers in Frage. Es liege damit eine falsche Auskunft des Anwalts vor, die zum Ersatz des entstandenen Schadens führe. Nicht in allen Fällen führten die Kriterien der äquivalenten und adäquaten Verursachung zu einer sachgerechten Haftungseingrenzung für ein schadensursächliches Verhalten. Eine Schadenszurechnung dürfe deshalb nur dann vorgenommen werden, wenn der Eintritt des Schadens innerhalb des Schutzbereichs der verletzten Norm erfolgt sei. Für eine Haftung des Anwalts setze dies voraus, dass dieser vertraglich nur für solche Nachteile einzustehen hat, zu deren Abwendung er die aus dem Mandat folgenden Pflichten übernommen hat. Die Hauptpflicht des Beratungsvertrags umfasse eine vermögensrechtliche Angelegenheit, nämlich die Interessen die im Zusammenhang mit dem Brand des gemieteten Wohnhauses standen, und war nicht auf die Wahrnehmung oder Förderung eines Interesses zur Wahrung der Körperintegrität oder Gesundheit gerichtet. Da der Anwalt auch keine Nebenpflicht verletzt habe, die ihn zum Ersatz eines immateriellen Schadens verpflichte, bestehe kein Anspruch auf Schmerzensgeld (BGH Urteil vom 09.07.2009, Az. IX ZR 88/08).
Das bedeutet die Entscheidung
In Fällen der Verletzung einer Hauptpflicht eines Anwaltsvertrags, die allein die Beratung in vermögensrechtlichen Angelegenheiten betrifft, haften Anwälte nicht für Gesundheitsschäden, z. B. in Form einer posttraumatischen Belastungsstörung, für die eine Falschberatung (mit)ursächlich ist.
Heißer Tipp
Etwas anderes gilt wohl dann, wenn ein Mandant in einer vermögensrechtlichen Angelegenheit seinen Anwalt in dessen Praxis aufsucht und dort auf einem nassen – frisch gereinigten – Boden ausrutscht und sich einen Arm bricht.
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