Kein Schadenersatzanspruch für Flugreisende bei Flugausfall wegen Pilotenstreik
BGH: Kein Schadenersatzanspruch für Flugreisende bei Flugausfall wegen Pilotenstreik
Schlechte Nachrichten aus Karlsruhe für Flugreisende: Der Bundesgerichtshof (BGH) hat entschieden, dass Passagieren kein Schadenersatzanspruch oder ein Anspruch auf Ausgleichszahlungen zusteht, wenn Flüge aufgrund eines Pilotenstreiks ausfallen. Eine entsprechende Klage von Passagieren der Lufthansa, deren Flüge wegen eines Pilotenstreiks annulliert worden waren, hatte keinen Erfolg. Die Karlsruher Richter erklärten, dass ein Pilotenstreik für eine Airline ein unabwendbares Ereignis sei und das Unternehmen deshalb für eventuelle Folgeschäden nicht haftbar gemacht werden könne.
Der Fall
Wegen eines Streikaufrufs der Pilotengewerkschaft Vereinigung Cockpit war der Flug der beiden Kläger von Miami nach Frankfurt annulliert worden, sodass sie erst zwei bzw. drei Tage später in Deutschland ankamen. Die Flugreisenden forderten von der Lufthansa AG die pauschale Ausgleichszahlung von 600 € je Passagier, die die EU-Fluggastrechteverordnung grundsätzlich vorsieht, wenn Langstreckenflüge annulliert werden.
Das sagt das Gericht
Die Bundesrichter wiesen die Klage ab. "Außergewöhnliche Umstände" im Sinne des Art. 5 Abs. 3 der Fluggastrechteverordnung könnten anzunehmen sein, wenn der Flugplan eines Luftverkehrsunternehmens infolge eines Streiks ganz oder zu wesentlichen Teilen nicht wie geplant durchgeführt werden könne. Dies ergebe sich sowohl aus dem Wortlaut als auch aus dem Zweck der Vorschrift. Eine solche Auslegung stehe in Einklang mit der bisherigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH). Maßgeblich sei, ob die Annullierung auf ungewöhnliche, außerhalb des Rahmens der normalen Betriebstätigkeit des Luftverkehrsunternehmens liegende und von ihm nicht zu beherrschende Gegebenheiten zurückgehe. Dabei spiele es bei einem Streik grundsätzlich keine Rolle, ob der Betrieb des Unternehmens durch eine Tarifauseinandersetzung zwischen Dritten oder eine Auseinandersetzung mit eigenen Mitarbeitern beeinträchtigt werde. Ein Streikaufruf einer Gewerkschaft wirke von außen auf das Luftverkehrsunternehmen ein und sei nicht Teil der normalen Ausübung seiner Tätigkeit, die durch den Streik als Arbeitskampfmittel gerade gezielt beeinträchtigt oder gar lahm gelegt werden solle. Eine solche Situation sei in aller Regel von dem betroffenen Luftverkehrsunternehmen auch nicht beherrschbar, da die Entscheidung zu streiken, von der Arbeitnehmerseite im Rahmen der ihr zukommenden Tarifautonomie und damit außerhalb des Betriebs des ausführenden Luftverkehrsunternehmens getroffen werde (BGH, Urteile vom 21.08.2012, Az.: X ZR 138/11, X ZR 146/11).
Fazit
Nach Ansicht des BGH ist ein Streik für eine Fluggesellschaft immer ein „außergewöhnlicher Umstand“, egal, ob die eigenen Angestellten die Arbeit niederlegen, das Flughafenpersonal streikt oder eine andere Airline streikt.
Wichtiger Hinweis
Nach Art. 5 Abs. 3 der Fluggastrechteverordnung entfällt die Verpflichtung zur Zahlung der oben genannten pauschalen Ausgleichszahlung in Höhe von 600 €, wenn eine Annullierung auf "außergewöhnliche Umstände" zurückgeht, die sich auch dann nicht hätten vermeiden lassen, wenn das Luftfahrtunternehmen alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen hätte.
Diese Rechte haben Flugreisende
Die nachstehenden Rechte von Flugreisenden ergeben sich aus der EU-Fluggastrechteverordnung. Sie gilt bei allen Abflügen aus der Europäischen Union und bei Flügen von Airlines, die ihren Sitz in der EU haben und in die EU fliegen.
- Entschädigung
Bei Annullierung, Überbuchung oder Verspätung ab drei Stunden haben Flugreisende zwar laut EU-Verordnung Anspruch auf eine Entschädigung in Höhe von bis zu 600 € - aber nur, wenn kein "außergewöhnlicher" Umstand daran schuld ist. Die Fluggesellschaften werten Streiks aber wie miserables Wetter als außergewöhnlichen Umstand - und zahlen dann keine Entschädigung. Zu Recht, wie der Bundesgerichtshof (BGH) nun entschied.
- Verspätung
Bei Flügen bis zu 1500 Kilometern haben Flugreisende ab zwei Stunden Verspätung Anspruch auf Betreuungsleistungen, d. h. Telefonate, Getränke, Mahlzeiten und gegebenenfalls eine Übernachtung im Hotel. Bei einer Strecke von 1500 bis 3500 Kilometern gibt es Unterstützung nach drei Stunden, ab 3500 Kilometern Strecke nach vier Stunden. Ab einer Wartezeit von fünf Stunden können Passagiere eine Erstattung des Flugpreises verlangen.
- Stornierung
Flugreisende können einen wegen eines Streiks annullierten Flug stornieren und bekommen dann ihr Geld zurück. Passagiere, die dennoch fliegen wollen, haben Anspruch auf einen späteren Flug. Dies kann jedoch dauern, bis der Streik vorbei ist; mitunter auch länger, weil ein Rückstau entstehen könnte.
- Ersatzbeförderung
Fluggesellschaften sind verpflichtet, Flugreisende schnellstmöglich an ihr Ziel zu bringen. Ist dies auf dem ursprünglich vorgesehenen Weg nicht möglich, muss die Airline sich um eine Ersatzbeförderung kümmern. Innerhalb Deutschlands kommt z. B. eine Umbuchung auf einen Bahn- oder ein Bustransfer in Betracht. Für längere Strecken besteht unter Umständen die Option, von einem benachbarten Flughafen zu starten.
- Essen und Trinken
Müssen Flugreisende am Flughafen warten, so stehen ihnen Essen und Getränke zu. In der Regel verteilen die Airlines Gutscheine. Es existieren keine konkreten Vorschriften darüber, Vorschriften gibt es, wie hoch der Betrag sein muss. Laut EU-Verordnung müssen Mahlzeiten und Erfrischungen in einem angemessenen Verhältnis zur Wartezeit stehen.
- Telefonate
Darüber hinaus ist gestrandeten Passagieren von den Airlines die Möglichkeit einzuräumen, zu telefonieren, Faxe zu versenden oder E-Mails zu schicken. Laut EU-Verordnung müssen die Fluggesellschaften zwei Telefonate oder zwei Faxe oder zwei E-Mails ermöglichen.
- Unterkunft
Besteht für Flugreisende erst am darauf folgenden Tag oder gar noch später die Möglichkeit weiterzufliegen, so muss ihnen die Fluggesellschaft eine Übernachtungsmöglichkeit in einem Hotel zur Verfügung stellen. Nur in Ausnahmesituationen müssen Flugreisende eine Pritsche in Kauf nehmen, z. B. wenn alle Hotelbetten belegt sind. Auch den Transport vom Flughafen zum Hotel muss die Fluggesellschaft zahlen. Eine Obergrenze, wie viele Nächte die Airline höchstens zahlen muss, gibt es nicht.
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