Waren Sie auch schön artig?
Ich weiß noch genau, wie es war, wenn zu Kinderzeiten der Weihnachtsmann um die Ecke kam. Wie er in seinen schweren Stiefeln herein stapfte und brummte: „Na, warst du denn auch schön artig?“ Natürlich antworten Kinder mit roten Bäckchen dann „Jaaaaaaa!“, manch älteres Kind ist vielleicht ein wenig verhuscht, weil es weiß, dass es eben nicht immer artig war, und flüstert beschämt und leise „Hmmm, jaa.“. Wir alle hoffen auf Geschenke, auch auf die vom Chef.
Zur Weihnachtszeit taucht überall in Unternehmen der Weihnachtsmann auf - verkleidet als Bonuszahlung, Weihnachtsgeld, als gemeinsame Weihnachtsmarktbesuche und Weihnachtsfeiern. Die Mitarbeiter werden belohnt für ein langes Jahr harter Arbeit, für manchmal gar nicht so nette Kunden und dafür, dass sie stets im Profitsinne des Unternehmens gehandelt haben. Ziele erreicht haben und Erwartungen erfüllt.
Doch ob sie auch ein angenehmes Miteinander mit Kunden, Lieferanten und Kollegen gepflegt und ob sie die Werte und das Leitbild des Unternehmens mitgetragen und gelebt haben - diese Frage wird zur Beurteilung in Normalfall nicht herangezogen. Es zählt nur das Ergebnis auf dem Papier, die Summe.
Waren Sie denn artig?
Können Sie von sich behaupten, dass Sie in diesem Jahr ganz nach dem Leitbild und den Werten ihres Unternehmens gehandelt haben? Waren Sie ehrlich und loyal, haben nach Fortschritt gestrebt und die Umwelt geschont? Oder was auch immer in ihrem Leitbild steht.
Nicht umsonst sind viele Leitbilder so geschrieben, dass ihre Allgemeingültigkeit es uns leicht macht, sie anzunehmen und anzustreben. Sie sind freundlich formuliert und bilden Werte ab, die wir alle für erstrebenswert halten. Doch ob Sie als Mitarbeiter eines Unternehmens auch als Botschafter seines Leitbildes auftreten oder nicht, hat andere Gründe.
Ich möchte eine Behauptung wagen: Ob wir artig sind und im Unternehmensalltag unsere Rolle im Wertekanon so spielen, wie sie von uns erwartet wird, hängt davon ab, ob unsere persönlichen Werte geachtet werden und ob wir für ihre Entfaltung Raum haben. Ist Ehrlichkeit für den einen ein hoher Wert, so wird er nur gute Leistungen erbringen und loyal hinter dem Unternehmen stehen, wenn er seine persönliche Ehrlichkeit auch leben kann. Ist Freiheit ein hoher Wert eines Einzelnen, die Regeln des Unternehmens aber engen ihn ein, so wird er sich immer Lücken suchen und sie nutzen - und zum Gegenspieler werden. Wenn wir die Werte des anderen nicht respektieren, kann Zusammenarbeit nicht gelingen. Nicht zwischen Menschen und nicht zwischen Unternehmen.
Wie wäre es, 2016 als Jahr der gelebten Werte auszurufen?
Stellen Sie sich vor, was passieren würde, wären Boni, Weihnachtsgelder und Gratifikationen plötzlich daran gebunden, ob Sie die Werte Ihres Unternehmens leben und die persönlichen Werte der anderen respektieren. Was würde sich für Sie verändern? Wäre die Kommunikation untereinander plötzlich anders? Was würden Sie an Ihren Kollegen beobachten, an Ihren Vorgesetzten und den CEOs dieser Welt?
Würde 2016 das Jahr der gelebten Werte, dann könnten wir ohne darüber zu sprechen erkennen, dass Werte gelebt werden. Mein Kollege Wulf-Hinnerk Vauk pflegt zu sagen „Werte schreibt man mit dem Füller und Bilanzen mit dem Bleistift.“ So sollte es sein - und ist doch in so vielen Unternehmen genau anders herum. Es hieße, damit zu zufrieden zu sein, was wir erwirtschaften können, wenn wir unsere Werte leben. Nicht, was maximal möglich ist, wenn wir unsere Werte verraten.
Wie beim Bau von Häusern sind Werte ein Gerüst für unser Leben, sie grenzen uns ab und wir müssen sie ohne viele Erklärungen im Anderen erkennen können. Daran wie er kommuniziert, Geschäfte macht und mit seinen Mitmenschen umgeht. Wenn wir Werte leben, brauchen wir keine bis ins kleinste formulierte Wertehierarchie. Weil wir spüren können, dass dort, wo Werte einfach gelebt werden, respektvoll und ehrlich, ein guter Ort ist.
Und es bedeutet auch, Verständnis füreinander zu entwickeln, Respekt vor den Werten anderer zu haben, ohne sich gleich zu machen. Die eigene innere Einstellung zu anderen Menschen zu ändern. Vielleicht ist Respekt vor der Andersartigkeit einer der nützlichsten Werte, wenn wir 2016 ins Visier nehmen.
Ob Sie artig waren, gipfelt dann vielleicht in einer einzigen klugen Frage von Wulf-Hinnerk Vauk: „Wie können andere an mir meine Werte entdecken?“
Leben Sie Ihre Werte, damit Sie auch am Jahresende 2016 sagen können: Ja, ich war artig. Und das gerne!
Haben Sie eine schöne Adventszeit und kommen Sie gut ins neue Jahr!
Buchtipp
Ihr 2013 erschienenes Buch "Das Brathuhn in der Badewanne: 52 Fragen an dein Leben
" ist als Kolumnensammlung das Pendant für alle, die sich auch im Privatleben mit ihren Werten beschäftigen und sich die Frage stellen, was sie ausmacht und antreibt.
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