Handwerk: Zugangsbeschränkung durch Meisterprüfung oder Altgesellenregelung ist verfassungsgemäß
Friseurin und Dachdecker klagen gegen Handwerksordnung
Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) in Leipzig hat jetzt bestätigt, dass die Handwerksordnung (HandwerksO) mit dem Grundgesetz vereinbar ist, soweit sie die selbstständige Ausübung bestimmter Handwerke im stehenden Gewerbe im Regelfall vom Bestehen der Meisterprüfung oder einer ihr gleichgestellten Prüfung oder vom Nachweis einer sechsjährigen qualifizierten Berufserfahrung nach Ablegen der Gesellenprüfung ("Altgesellenregelung") abhängig macht. Klagen auf Feststellung, dass bestimmte Tätigkeiten ohne einen solchen Qualifikationsnachweis und ohne Eintragung in die Handwerksrolle ausgeübt werden dürfen, sind grundsätzlich gegen die Verwaltungsbehörde zu richten, die für die Überwachung des Handwerks und das Untersagen illegaler handwerklicher Tätigkeiten zuständig ist. Die Kläger der beiden Verfahren, eine Friseurgesellin und ein Dachdeckergeselle, machten jeweils geltend, sie dürften bestimmte Tätigkeiten ihres Berufs ohne Eintragung in die Handwerksrolle, ohne Ablegen der Meisterprüfung, ohne qualifizierte Berufserfahrung als Altgeselle und ohne eine Ausnahmebewilligung selbstständig im stehenden Gewerbe ausüben. Entgegenstehende Regelungen der Handwerksordnung schränkten die Berufsfreiheit unverhältnismäßig ein und diskriminierten Inländer gegenüber Handwerkern aus dem EU-Ausland. Die Klägerin richtete ihre Klage gegen die Handwerkskammer, die sie aufgefordert hatte, ihren Betrieb zur Eintragung in die Handwerksrolle anzumelden. Der Kläger klagte gegen die für die Aufsicht im Handwerk zuständige Verwaltungsbehörde, die bereits wegen des Vorwurfs illegaler Tätigkeit gegen ihn ermittelt hatte.
Inländerdiskriminierung ist zulässig
Die Klage der Klägerin war laut BVerwG unzulässig, weil zwischen ihr und der beklagten Handwerkskammer kein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis bestand. Seit der Reform der Handwerksordnung zum 1. Januar 2004 besteht dieses nur noch zur Verwaltungsbehörde. Diese allein ist befugt, Handwerksbetriebe zu beaufsichtigen und gegen illegale handwerkliche Tätigkeiten einzuschreiten. Die dazu einzuholende Stellungnahme der Handwerkskammer wird nicht gegenüber dem Betroffenen, sondern nur im Verwaltungsverfahren gegenüber der Behörde abgegeben. Die Revision des Dachdeckergesellen hatte ebenfalls keinen Erfolg. Seine Feststellungsklage richtete sich zwar - zutreffend - gegen die Verwaltungsbehörde, war aber unbegründet. Die von ihm beabsichtigte Berufsausübung setzt eine Eintragung in die Handwerksrolle voraus, weil mit dem Verlegen von Dachziegeln und Dachsteinen Tätigkeiten ausgeübt werden sollen, die für das Dachdeckerhandwerk wesentlich sind. Dass die Eintragung als Betriebsinhaber oder Betriebsleiter auch nach der Neuregelung der Handwerksordnung und der Abkehr vom strengen "Meisterzwang" nicht nur das Bestehen der Gesellenprüfung voraussetzt, sondern entweder einen Meisterbrief oder ein gleichwertiges Zeugnis (Großer Befähigungsnachweis) oder eine sechsjährige Berufserfahrung als "Altgeselle" mit mindestens vierjähriger Leitungsfunktion verlangt, verletzt nicht die Berufsfreiheit der Betroffenen. Die gesetzliche Beschränkung des Berufszugangs ist verhältnismäßig. Sie ist geeignet und erforderlich, Dritte vor den Gefahren zu schützen, die mit der Ausübung des Dachdeckerhandwerks verbunden sind. Die Berufszugangsregelungen für Handwerker aus dem EU-Ausland sind europarechtlich vorgegeben. Der Gleichheitssatz verpflichtet den Gesetzgeber hier nicht, den Berufszugang für im Inland ausgebildete Handwerker ebenso auszugestalten (BVerwG, Urteile vom 31.08.2011; Az.: 8 C 8.10 und 8 C 9.10).
- Kommentieren
- 4116 Aufrufe