Grundsicherung – Sehbehinderte Frau muss wegen Überschreiten der Mietobergrenze nicht umziehen
Behörde kürzt Unterkunftskosten wegen 60 €
Einer Bezieherin von Leistungen der Grundsicherung im Alter, die sehr stark sehbehindert und daher in ihrer Orientierungsfähigkeit eingeschränkt ist, ist laut Sozialgericht (SG) Stuttgart ein Umzug in eine andere Wohnung nicht zuzumuten, wenn ihre monatliche Miete die zulässige Mietobergrenze um rund 60 € übersteigt. Die 1942 geborene Klägerin bewohnt seit 1999 eine 68 Quadratmeter große Drei-Zimmer-Wohnung in Stuttgart. Seit Juli 2008 zahlt sie eine Netto-Kaltmiete von 425 € eine Betriebskostenvorauszahlung von 67 € und eine Heizkostenvorauszahlung von 72 €. Im August 2007 teilte die Beklagte der Klägerin mit, ab März 2008 könne sie nur noch Unterkunftskosten in Höhe einer Mietobergrenze von 301,50 € übernehmen, wenn die Klägerin nicht bis dahin in eine günstigere Wohnung umgezogen sei oder sich intensiv um eine solche bemüht habe. Nachdem die Klägerin zunächst noch Fristverlängerungen von der Beklagten erhalten hatte und nicht umgezogen war, berücksichtigte die Beklagte ab März 2009 nur noch eine Kaltmiete von 353,93 €, die Heizkosten und die Nebenkosten. Hiergegen wandte sich die Klägerin mit ihrer Klage.
Bei älteren Menschen ist Recht auf Verbleib in gewohntem Umfeld zu beachten
Das Sozialgericht gab ihr Recht und verpflichtete die Beklagte, der Klägerin für die Zeit von März 2009 bis Februar 2010 monatlich weitere 71,07 € zu zahlen. Für einen Ein-Personen-Haushalt in Stuttgart sei eine monatliche Kaltmiete von 364,50 € angemessen. Der Klägerin sei ein Umzug aufgrund ihres Alters und ihrer eingeschränkten Sehfähigkeit zur Reduzierung der Wohnkosten um 57,30 € nicht zumutbar. Bei der Beurteilung der Zumutbarkeit eines Umzugs zur Senkung der Kosten der Unterkunft älterer Menschen sei deren Recht auf Verbleib in einem langjährig vertrauten Umfeld in besonderer Weise Rechnung zu tragen (SG Stuttgart, Urteil vom 20.06.2011; Az.: S 7 SO 3292/09).
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