Vorteil KMU: So punkten Sie bei der Mitarbeitergewinnung gegen Konzerne
Gute Mitarbeiter und Fachkräfte sind gefragt, aber rar gesät. Gerade kleine und mittelständische Unternehmen haben im Wettbewerb oft das Nachsehen. Denn Konzerne und internationale Mittelständler ziehen Topkräfte an wie nie. Um qualifizierte Mitarbeiter zu finden und zu binden, müssen KMU ihren Mangel an Größe als Wettbewerbsvorteil nutzen – und neue Wege in der Personalpolitik gehen.
„Bist du sicher, das ist der richtige Schritt für Dich?“ – Björn Richter war Projektleiter bei einem internationalen Bauunternehmen mit über 300 Mitarbeitern in Deutschland. Nun hatte er sich bei einem kleineren regionalen Betrieb mit nur 40 Mitarbeitern beworben, der sich zudem in einer grundlegenden Umstrukturierung befand.
Es war die Herausforderung, die Björn Richter reizte. Bei seinem derzeitigen Arbeitgeber fehlten ihm das ehrliche, echte Interesse an den Mitarbeitern, die Anerkennung für die geleistete Arbeit und kreativer Gestaltungsfreiraum: Verbesserungsvorschläge wurden ignoriert, Lob für besondere Leistungen gab es nicht, überall herrschte Ellbogenmentalität. Was sich Björn Richter wünschte? Ein inspirierendes Umfeld, das ihm die Möglichkeit gab, stolz auf das zu sein, was er täglich leistete: „Es ist die Leistung im Team, die motiviert. Außerdem habe ich auch bei dem kleinen Unternehmen Karrierechancen: der Firmeninhaber hat mir angeboten, in einigen Jahren seine Nachfolge anzutreten.“
David gegen Goliath
Nicht immer haben die Großen im Kampf um Talente die vermeintlich besseren Karten. Auf den ersten Blick bieten Konzerne und internationale Mittelständler zwar geregelte Arbeitszeiten, bessere Aufstiegs- und Entwicklungsmöglichkeiten oder attraktive Zusatzleistungen, aber auch kleinere Betriebe oder familiengeführte Mittelständler haben ihre Vorteile – sie müssen sie nur gekonnt einsetzen.
Die größte Herausforderung für KMU ist ihr Standort und die demographische Entwicklung, denn gerade jüngere Arbeitnehmer zieht es zunehmend in die Großstädte bzw. zu internationalen Unternehmen. Ländliche Regionen gelten als unattraktiv, als wenig vorwärtsgewandt, mit überschaubaren sozialen Strukturen und eher kleinstädtischem Charakter. Um dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken, müssen langfristige, individuelle Strategien entwickelt werden – und Kommunen und Unternehmen an einem Strang ziehen. Es gilt, die Region insgesamt attraktiver zu machen: Bessere Kinderbetreuungs- und mehr Freizeitangebote für Jugendliche. Aus-, Fort- und Weiterbildungsangebote vor Ort. Ebenso die Infrastruktur zu verbessern wie die lokale Wirtschaft zu stärken und das Standortmarketing zu optimieren, um anziehend für weitere Unternehmen zu sein.
Die eigenen Vorteile ins rechte Licht rücken
Die meisten Unternehmen im ländlichen Raum sind familien- oder inhabergeführt und aufgrund ihrer Strukturen für eine zunehmende Zahl an Fachkräften als Arbeitgeber attraktiv – sie müssen es nur schaffen, ihre traditionellen, echten Stärken nach außen zu tragen und besser zu „verkaufen“.
Generell haben diese Unternehmen bei der Suche nach Fachkräften gute Chancen, wenn sie folgende fünf Tipps beherzigen:
1. Ein gutes Betriebsklima schaffen
Wer als Arbeitgeber in der Region ein gutes Image hat, zieht leichter Mitarbeiter an, u.a. auch solche, die bei der Konkurrenz unzufrieden sind und sich über einen Arbeitgeberwechsel Gedanken machen. Dazu zählt, permanent an einer guten Unternehmenskultur zu arbeiten, in der sich Mitarbeiter und Führungskräfte wohl fühlen. Gemeint ist damit nicht, eine Hochglanzbroschüre in Auftrag zu geben, in der das Unternehmen werbewirksam in Szene gesetzt wird oder in eine Webseite zu investieren, die auf dem neuesten technischen Stand ist. Nein, Lippenbekenntnisse reichen hier nicht. Stattdessen gilt es, die Mitarbeiter in alle relevanten Unternehmensentscheidungen einzubeziehen, ihnen die Möglichkeit zu geben, Ideen beizusteuern – sie, kurz gesagt, als Individuum anzuerkennen und zu wertschätzen. Wer würde sich als Mitarbeiter beispielsweise nicht über eine persönliche, handgeschriebene Geburtstagkarte des Chefs freuen?
2. Alternative Karrierechancen aufzeigen
Grundsätzlich sind bei kleineren und mittelständischen Unternehmen Macher willkommen. Menschen, die etwas bewirken, die Verantwortung tragen wollen – die dafür aber auch den nötigen Freiraum brauchen und das Gefühl, nicht auf der Stelle zu treten. Möglichst viele Mitarbeiter zu führen, ist in der Regel nicht ihr Antrieb. Sie wollen gute Ergebnisse erzielen, Projekte erfolgreich durchführen, gerne auch mit kleinerem Team – und sie wollen ihren Beitrag zum Unternehmenserfolg unmittelbar spüren. Kleinere Unternehmen können auf diese Anforderungen flexibler reagieren und beispielsweise individuelle Weiterbildung anbieten. Welche Seminare, Kurse oder Fortbildungen sinnvoll sind, hängt selbstverständlich immer von den bereits vorhandenen Kompetenzen und der Position ab. Wer als Mitarbeiter eher an einer Karriere als Fach- denn als Führungskraft interessiert ist, ist bei einer kleineren Firma tendenziell ebenso besser aufgehoben.
3. Flexibel reagieren
Anders als größere Mittelständler und Konzerne können KMU leichter auf die Wünsche und Bedürfnisse ihrer Mitarbeiter eingehen: Flexible Arbeitszeiten, um Familie und Privatleben unter einen Hut zu bekommen, Heimarbeit, wenn die Kinder Ferien haben, kostenlose Gesundheitskurse, Mitgliedschaften in regionalen (Sport-) Vereinen oder Kooperationen mit Massagepraxen und Thermen, um die Gesundheit zu stärken. Möglichkeiten gibt es viele – wichtig ist, die Situation eines jeden Mitarbeiters einzeln zu betrachten und ggf. individuelle Lösungen anzubieten.
4. Frühzeitig den Nachwuchs rekrutieren
Zugegebenermaßen haben Adidas, Mercedes & Co. eine große Strahlkraft auf angehende Fach- und Führungskräfte. Deshalb sollten KMU frühzeitig den Kontakt zu potenziellen Bewerbern suchen und beispielsweise Kooperationen mit Schulen und Universitäten eingehen bzw. sich auch überregional an Hochschulmessen beteiligen. Oder aber je nach Unternehmensgröße und -kapazität Gastvorlesungen halten und Stellen für Praktikanten oder Werkstudenten anbieten. In der Praxis hat sich auch eine Zusammenarbeit mit Studenten bei Bachelor- oder Masterarbeiten bewährt. So binden KMU die Nachwuchskräfte der Zukunft bereits frühzeitig ans Unternehmen und zeigen diesen die Vorteile einer Stelle bei einer kleineren Firma.
5. Das Internet nutzen
Haben sich früher Mitarbeiter bei Unternehmen beworben, ist es heute umgekehrt: Unternehmen bewerben sich bei Mitarbeitern! Diese Haltung gilt es, in den Köpfen der Entscheider zu verankern. Anstatt der traditionellen Suche per Zeitungsannonce oder dem Einsatz von Headhuntern bei besonders schwierig zu besetzenden Stellen, rückt zunehmend das Internet in den Fokus. Der Trend geht dahin, soziale Netzwerke wie Xing bzw. Plattformen wie Kununu.com oder akm3.de aktiv zu nutzen. Derzeit werden diese Webseiten fast ausschließlich von größeren Unternehmen als Rekrutierungsmöglichkeit verwendet – eine Chance, die sich KMU nicht entgehen lassen sollten. Wichtig ist allerdings vorher sich genau zu überlegen, wie ggf. mit kritischen Bewertungen umzugehen ist. Frühzeitig eine gute Kommunikationsstrategie auszuarbeiten oder einen Kommunikationsexperten zu Rate zu ziehen, hat sich in der Praxis bewährt.
Praxisbeispiel: Deshalb sind KMU auch für Konzernmitarbeiter interessant
Margarete Silka, ausgebildete Rechtsanwältin, arbeitete zehn Jahre als Personalreferentin in einem Konzern. Als sie zum ersten Mal Mutter wurde, war der berufliche Wiedereinstieg nach zwei Monaten eine organisatorische Herausforderung: Ihr Mann wollte Karriere machen, Überstunden waren an der Tagesordnung; sie Vollzeit im Einsatz inklusive einem Kleinkind. Zwar hatte M. Silka mit ihrem Vorgesetzten flexible Arbeitszeiten vereinbart, aber stemmen ließ sich das Ganze nur mit einem Kindermädchen. Und trotzdem gab es massenweise Probleme: Die Mitarbeiter in Frau Silkas Team sahen es ungern, wenn sie früher nach Hause ging, um sich um Sohn und Mann zu kümmern. Das Gerede hinter ihrem Rücken begann. Dass sie teilweise bis Mitternacht zu Hause am Computer saß, wollten ihre Mitarbeiter nicht anerkennen. Nach einem viertel Jahr äußerte ein Mitarbeiter deutlich seinen Unmut: „Von unseren Führungskräften erwarten wir den gleichen Einsatz, den sie von uns verlangen. Sie wollen ein engagiertes Team, sind aber selbst so gut wie nie im Unternehmen! Welche Botschaft sendet das?“
Die Konsequenz bei Margarete Silka: Auflösung des Arbeitsvertrags, ab sofort arbeitssuchend. Leider kein Einzelfall in Konzernstrukturen.
Ursprünglich kam es Margarete Silka nie in den Sinn, in einem mittelständischen Unternehmen zu arbeiten. Ihre Karrierevorstellungen und persönliche Verwirklichung konnte sie bis dato nicht mit einer Stelle bei einem kleineren Betrieb verbinden. Dennoch bewarb sie sich bei einem Mittelständler – der Ruf in der Region war hervorragend und die Website überzeugte: eine eigene Akademie mit unterschiedlichen Weiterbildungsmöglichkeiten, Sport- und Gesundheitsangeboten, Hilfestellung bei der Suche nach bezahlbaren Wohnungen, Jobsharing und Arbeiten von zu Hause. Ihre Entscheidung fiel schlussendlich im Vorstellungsgespräch. Die Senior-Chefin war selbst Mutter von vier Kindern, wobei einer der Söhne in das Unternehmen eingestiegen war. Auch er Vater von drei kleinen Kindern, mit einem Arbeitsbeginn um sechs Uhr morgens, Feierabend um 15:30 Uhr. Ab 16 Uhr war der Junior-Chef ausschließlich für die Familie da.
Nach der Geburt ihres zweiten Kindes ist Frau Silka nun vorübergehend in Teilzeit beschäftigt: zweieinhalb Arbeitstage pro Woche, die sie flexibel einteilen kann. Stehen keine wichtigen Termine mit Kunden oder im Team an, ist ihr freigestellt, von zu Hause aus zu arbeiten. In einem halben Jahr entscheidet Frau Silka mit der Senior-Chefin, wie es weitergeht. Hat sich an den familiären Rahmenbedingungen etwas geändert, wie zum Beispiel an den Öffnungszeiten des Kindergartens, dem Arbeitsumfeld des Ehemanns? Oder gibt es zusätzliche Sport- und Freizeitangebote für die Kinder?
Die Zusammenarbeit mit Kollegen und Mitarbeitern funktioniert reibungslos, alle unterstützen sie und haben Verständnis. Denn in diesem Unternehmen ist Frau Silka kein Einzelfall.
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