Neuland - Wenn Steuerermäßigung und Steuerfreiheit bei Arbeitnehmern zusammentreffen
Werden neben außerordentlichen Einkünften auch steuerfreie Einnahmen erzielt, müssen letztere nach Meinung des Bundesfinanzhofs (BFH) in voller Höhe dem nach Abzug der Fünftelregelung verbleibenden zu versteuernden Einkommen hinzugerechnet.
Der Fall aus der Praxis
Ein Arbeitnehmer bezog im Jahre 2002 Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Darüber hinaus erhielt er im Streitjahr eine Entschädigungszahlung aus einer Abfindung in Höhe von 56.526 €, für die ein ermäßigter Steuersatz geltend gemacht wurde. Zusätzlich wurden ihm steuerfreie Aufstockungsbeträge nach dem Altersteilzeitgesetz in Höhe von 3.951 € gewährt, die dem Progressionsvorbehalt unterlagen. Zur Entscheidung vor dem Bundesfinanzhof (BFH) stand die Frage, welche Auswirkung die beiden Steuervergünstigungen zur selben Zeit bei der Berechnung der Einkommensteuer haben.
Das sagt der Richter
Nach Ansicht der Richter sei trotz dem Zusammentreffen der beiden Einkunftsarten die Entschädigung nach § 34 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2 EStG ermäßigt zu besteuern und die Aufstockungsbeträge nach dem Altersteilzeitgesetz gemäß § 32b Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a EStG nur im Rahmen des Progressionsvorbehalts zu berücksichtigen. Eine Anwendbarkeit nebeneinander wurde bereits durch die bisherige Rechtsprechung bestätigt (BFH, Urteil v. 15.11.2007 Az: VI R 66/03). Die Fünftelregelung zur Berechnung der Steuer beziehe sich jedoch nur auf außerordentliche Einkünfte, nicht aber auf die dem Progressionsvorbehalt unterliegenden Einkünfte nach § 32b EStG. Diese seien vielmehr erst bei der Ermittlung der nach § 34 Abs. 1 Satz 2 EStG maßgebenden Einkommensteuerbeträge zu berücksichtigen (Urteil von 22.9.2009, Az: IX R 93/07).
Das bedeutet die Entscheidung
Erzielen Sie außerordentliche Einkünfte, werden diese nach § 34 EStG steuerlich abgemildert.
Expertenrat
Diese außerordentlichen Einkünfte können Veräußerungsgewinne, Entschädigungen, Abfindungen, Nutzungsvergütungen und Zinsen, Vergütungen für mehrjährige Tätigkeiten sowie Einkünfte aus außerordentlichen Holznutzungen sein.
Bei der Besteuerung ist zu unterscheiden:
- Die sog. Fünftel-Regelung nach § 34 Abs. 2 EStG. Sie wird für alle außerordentlichen Einkünfte von Amts wegen gewährt.
- Der ermäßigte Steuersatz nach § 34 Abs. 3 EStG. Er kommt nur für Veräußerungsgewinne in Frage und wird nur auf Antrag anstelle der Fünftelregelung gewährt.
Erzielen Sie Einkünfte, die dem Sprachgebrauch her steuerfrei sind, handelt es sich meistens um Einkünfte, die nach § 32b Abs. 1 EStG dem Progressionsvorbehalt unterliegen. Dies liegt daran, dass hier nicht wirklich Steuerfreiheit herrscht, sondern dadurch tatsächlich der Steuersatz für die übrigen steuerpflichtigen Einkünfte erhöht wird. Im Ergebnis unterliegen diese Einkünfte aber einer geringeren Steuer als die normalen Einkünfte.
Praxistipp
Da steuerfreien Einnahmen, die unter den Progressionsvorbehalt fallen, nicht in die Bemessungsgrundlage mit einbezogen werden, wird sichergestellt, dass diese auch tatsächlich steuerfrei bleiben. Das übrige Einkommen wird aber mit einem höheren Steuersatz belastet.
Haben Sie sowohl außerordentliche Einkünfte als auch solche, die dem Progressionsvorbehalt unterliegen, wird zuerst ihr zu verteuerndes Einkommen unter Anwendung der Fünftel-Regelung für außerordentliche Einkünfte ermittelt und anschließend die weitere Berechnung unter Einbeziehung des Progressionsvorbehalts vorgenommen.
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Kommentare
Außerordentliche Einkünfte und Progressionsvorbehalt
Das Urteil zum BFH-Verfahren IX R 93/07 sollte man so nicht hinnehmen. Es ist richtig, dass die Progressionseinkünfte nicht zu fünfteln sind. "Nur", das Rechenverfahren, eine integrative Methode, die die Progressionseinkünfte fünf mal in ihre Berechnungen einbezieht, somit also zu 500% in die Basis einer Steuersatzberechnung gem. § 32b EStG, verstösst gegen Art. 3 I GG. Eine gleichmäßige Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit ist nicht mehr gegeben, nicht vertikal und auch nicht horizontal. Es ist auch nicht "additiv" zu rechnen, es sollte "analog" erfolgen (ZSteu 2009, S. 255-260).
Wer vom Grundfall der §§ 34 I, S. 2 und 32b EStG betroffen ist, sollte klagen. Das BVerfG wäre der richtige Ansprechpartner. Im Mai wird die Finanz-Rundschau über neueste Erkenntnisse berichten.