Neues Konzept verhindert Betriebsübergang
Bestehende Arbeitsverhältnisse gehen nicht auf den neuen Betriebsinhaber über, wenn dieser den Betrieb neu konzipiert und alte Strukturen durch eine neue Organisationsstruktur ersetzt.
Der Fall aus der Praxis
Eine Arbeitnehmerin, die als Küchenhilfe bei einem Kantinenbetreiber arbeitete, ging in Elternzeit. Währenddessen wurde ihrem Arbeitgeber der Bewirtungsvertrag gekündigt. Dieser hatte für einen Automobilhersteller das Mittagessen zubereitet. Zu diesem Zweck hatte er einen Koch und zwei Küchenhilfen eingesetzt. Der Betriebserwerber, der die Bewirtschaftung übernahm, verzichtete im Gegensatz zu seinem Vorgänger auf eine Frischzubereitung und wärmte die auswärts hergestellten Speisen nur noch auf. Dadurch ersparte es sich sowohl den Einsatz eines Koches als auch den Aufwand, der für die Speisenherstellung vor Ort nötig wäre. Entsprechend lehnte er das Weiterbeschäftigungsverlangen der sich in Elternzeit befindlichen Küchenhilfe ab. Damit war die Beschäftigte nicht einverstanden und klagte auf Feststellung, dass ihr Arbeitsverhältnis mit dem alten Arbeitgeber fortbesteht.
Das sagt der Richter
Die Klage hatte Erfolg. Nach Meinung des Gerichts besteht das Arbeitsverhältnis der Küchenhilfe mit ihrem alten Arbeitgeber fort. Ein Übergang nach § 613a Abs. 1 BGB auf den neuen Betreiber sei daran gescheitert, dass dieser zwar die sachlichen Betriebsmittel übernommen habe, in der Folge aber wesentliche Änderungen in seiner Betriebsstruktur vorgenommen habe. So habe er das Konzept der Frischzubereitung geändert, auf den Einsatz eines Koches und auch auf weitere Betriebsmittel wie eine Zubereitungsküche und andere Funktionsräume verzichtet. Ein Betriebsübergang könne wegen dieser wesentlichen Änderungen in der Arbeitsorganisation nicht angenommen werden (BAG, Urteil vom 17.12.2009, Az.: 8 AZR 1019/08).
Das bedeutet die Entscheidung
Ein Betriebsübergang erforderte nach früherer Rechtsprechung die Übernahme der wesentlichen Betriebsmittel. Die neue Rechtsprechung stellt verstärkt auf das Merkmal der auf Dauer angelegten wirtschaftlichen Einheit ab. Entscheidendes Kriterium für die Rechtsfolgen des § 613a BGB ist danach die Wahrung der Identität dieser Einheit nach dem Inhaberwechsel. Es ist also eine wertende Gesamtbetrachtung aller Umstände des jeweiligen Betriebes vorzunehmen. Nach der Rechtsprechung des BAG ist davon auszugehen, dass ein Betriebsübergang dann nicht vorliegt, wenn beim Erwerber lediglich eine bestimmte Tätigkeit fortgeführt wird, ohne dass eine auf Dauer angelegte wirtschaftliche Einheit mit einer bestimmten Organisationsstruktur übernommen wird. In diesen Fällen liegt dann eine bloße Funktionsnachfolge vor, die nicht als Betriebsübergang anzusehen ist.
Expertenrat
Wird ein Betriebskonzept so wesentlich geändert, dass nur noch Teile der ursprünglichen Organisations- und Arbeitsstrukturen genutzt werden, liegt trotz der Übernahme der Betriebsmittel kein Betriebsübergang vor.
Arbeitnehmer in Elternzeit genießen besonderen Schutz
Sind die Voraussetzungen eines Betriebsübergangs nicht erfüllt, so gehen die Arbeitsverhältnisse nicht auf den Erwerber über. Der bisherige Arbeitgeber bleibt trotz eingestellten Betriebs weiter in der Pflicht. Ihm bleibt dann nur, ordentlich betriebsbedingt unter Einhaltung der Kündigungsfristen zu kündigen. Eine außerordentliche Kündigung kommt in der Regel nicht in Betracht.
- Kommentieren
- 7978 Aufrufe