Gericht verneint Mobbing am Arbeitsplatz: Kein Schadenersatz für Oberarzt
Gericht verneint Mobbing am Arbeitsplatz - Oberarzt geht leer aus
Die Mobbingklage eines Oberarztes gegen seinen Chefarzt auf Schadenersatz in Höhe von 500.000 € ist gescheitert, weil nach Meinung des Gerichts kein Mobbing am Arbeitsplatz vorlag. Bei den Auseinandersetzungen zwischen Oberarzt und Chefarzt habe es sich um die in der Arbeitswelt üblicherweise auftretenden Konflikte am Arbeitspatz gehandelt.
Der Fall aus der Praxis
Ein Chirurg ist seit 1987 als Oberarzt in einem Krankenhaus tätig. 2001 bewarb er sich auf die Stelle des Chefarztes der neurochirurgischen Abteilung. Rund ein Jahr lang leitete er die Abteilung kommissarisch. Letztlich entschied sich die Klinik jedoch für einen Bewerber von außen, der dadurch Vorgesetzter des Oberarztes wurde. In der Folgezeit fühlte sich der Oberarzt von seinem neuen Chefarzt gemobbt. 2004 verklagte er die Klinik auf Schmerzensgeld und forderte darüber hinaus die Entlassung des Chefarztes. Die Klage wurde sowohl vom Arbeitsgericht als auch Landesarbeitsgericht Hamm abgewiesen. Nachdem das Bundesarbeitsgericht das Urteil des Landesarbeitsgerichts aufgehoben hatte, schloss der Oberarzt mit der Klinik einen Vergleich. Seitdem wird er im medizinischen Controlling eingesetzt. Schadenersatzansprüche gegen den Chefarzt wurden in dem Vergleich nicht ausgeschlossen.
Diese Ansprüche verfolgte der Oberarzt in einer weiteren Klage. Er verlangte nun von dem Chefarzt die Zahlung von Schadenersatz in Höhe von 500.000 €. Er sei durch eine Vielzahl von Übergriffen des Chefarztes psychisch erkrankt und arbeitsunfähig geworden. Dadurch habe er erhebliche Einkommenseinbußen erlitten.
Der beklagte Chefarzt entgegnete, er habe sich nicht pflichtwidrig verhalten. Zwar sei es teilweise zu Auseinandersetzungen und Verstimmungen gekommen, was aber allein darauf zurückzuführen sei, dass der Kläger ihn als Chefarzt und Vorgesetzten mit Weisungsbefugnis nicht habe akzeptieren wollen.
Das sagt das Gericht
Die Mobbingklage des Oberarztes auf Schadenersatz hatte keinen Erfolg. Konflikte am Arbeitsplatz seien durchaus üblich, so das Gericht. Auch wenn sie sich über einen längeren Zeitraum hinzögen, sei dies noch nicht als Mobbing anzusehen, sofern Arbeitgeber und Vorgesetzte sozial- und rechtsadäquat damit umgingen. Schmerzensgeld oder Schadenersatz könnten Arbeitnehmer erst verlangen, wenn unerwünschte Verhaltensweisen bezwecken oder bewirten, dass die Würde des Arbeitnehmers verletzt und ein durch Einschüchterungen, Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen oder Beleidigungen gekennzeichnetes Umfeld geschaffen werde. Die mobbingtypische Schaffung eines feindlichen Umfelds sei im Streitfall nicht festzustellen. Die Konflikte hätten den am Arbeitsplatz noch üblichen Rahmen nicht überschritten (LAG Hamm, Urteil vom 19.01.2011, Az.: 11 Sa 722/10).
So definieren die Gerichte den Begriff Mobbing am Arbeitsplatz
Die Rechtsprechung definiert Mobbing als fortgesetzte, aufeinander aufbauende oder ineinander übergreifende, der Anfeindung, Schikane oder Diskriminierung dienende Verhaltensweisen, die nach Art und Ablauf im Regelfall einer übergeordneten, von der Rechtsordnung nicht gedeckten Zielsetzung förderlich sind und jedenfalls in ihrer Gesamtheit das allgemeine Persönlichkeitsrecht oder andere ebenso geschützte Rechte wie die Ehre oder die Gesundheit des Betroffenen verletzen. Ein vorgefasster Plan ist nicht erforderlich.
So definiert der Mobbingforscher den Begriff Mobbing am Arbeitsplatz
Die allgemeine Definition von Mobbing geht auf Heinz Leymann zurück, der als Pionier in der Mobbingforschung gilt. Danach wird eine Person an ihrem Arbeitsplatz gemobbt, wenn sie im Konflikt mit Kollegen oder Vorgesetzten in eine unterlegene Position gekommen ist und auf systematische Weise über mindestens sechs Monate hinweg mindestens einmal pro Woche einer der folgenden 45 feindseligen Handlungen ausgesetzt ist:
1. Angriffe auf die Möglichkeiten, sich mitzuteilen
1) Der Vorgesetzte schränkt die Möglichkeiten ein, sich zu äußern
2) Man wird ständig unterbrochen
3) Kollegen schränken die Möglichkeiten ein, sich zu äußern
4) Anschreien oder lautes Schimpfen
5) Ständige Kritik an der Arbeit
6) Ständige Kritik am Privatleben
7) Telefonterror
8) Mündliche Drohungen
9) Schriftliche Drohungen
10) Kontaktverweigerung durch abwertende Blicke oder Gesten
11) Kontaktverweigerung durch Andeutungen, ohne dass man etwas direkt ausspricht
2. Angriffe auf die sozialen Beziehungen
12) Man spricht nicht mehr mit dem Betroffenen
13) Man lässt sich nicht ansprechen
14) Versetzung in einen Raum weitab von den Kollegen
15) Den Arbeitskollegen/innen wird verboten, den/die Betroffenen anzusprechen
16) Man wird "wie Luft" behandelt
3. Auswirkungen auf das soziale Ansehen
17) Hinter dem Rücken des Betroffenen wird schlecht über ihn gesprochen
18) Man verbreitet Gerüchte
19) Man macht jemanden lächerlich
20) Man verdächtigt jemanden, psychisch krank zu sein
21) Man will jemanden zu einer psychiatrischen Untersuchung zwingen
22) Man macht sich über eine Behinderung lustig
23) Man imitiert den Gang, die Stimme, oder Gesten, um jemanden lächerlich zu machen
24) Man greift die politische oder religiöse Einstellung an
25) Man macht sich über das Privatleben lustig
26) Man macht sich über die Nationalität lustig
27) Man zwingt jemanden, Arbeiten auszuführen, die das Selbstbewusstsein verletzen
28) Man beurteilt den Arbeitseinsatz in falscher od. kränkender Weise
29) Man stellt die Entscheidungen des Betroffenen in Frage
30) Man ruft ihm/ihr obszöne Schimpfworte o. a. entwürdigende Ausdrücke nach
31) Sexuelle Annäherungen oder verbale sexuelle Angebote
4. Angriffe auf die Qualität der Berufs- und Lebenssituation
32) Man weist dem Betroffenen keine Arbeitsaufgaben zu
33) Man nimmt ihm jede Beschäftigung am Arbeitsplatz, so dass er sich nicht einmal selbst Aufgaben ausdenken kann
34) Man gibt ihm sinnlose Arbeitsaufgaben
35) Man gibt ihm Aufgaben weit unter eigentlichem Können
36) Man gibt ihm ständig neue Aufgaben
37) Man gibt ihm "kränkende" Arbeitsaufgaben
38) Man gibt dem Betroffenen Arbeitsaufgaben, die seine Qualifikation übersteigen, um ihn zu diskreditieren
5. Angriffe auf die Gesundheit
39) Zwang zu gesundheitsschädlichen Arbeiten
40) Androhung körperlicher Gewalt
41) Anwendung leichter Gewalt, zum Beispiel um jemandem einen "Denkzettel" zu verpassen
42) Körperliche Misshandlung
43) Man verursacht Kosten für den/die Betroffene, um ihm/ihr zu schaden
44) Man richtet physischen Schaden im Heim oder am Arbeitsplatz des/der Betroffenen an
45) Sexuelle Handgreiflichkeiten
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Checkliste: Mobbing frühzeitig erkennen
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